Immunhämatologie: Veränderte Schwerpunkte (mit tabellarischer Übersicht)
Aufgrund des durch den Lockdown auferlegten „Hausarrests“ ist die Zahl der Verkehrsunfälle während der Corona-Pandemie zwar zurückgegangen (vgl. www.destatis.de) und auch geplante Operationen wurden, wenn irgendwie möglich, verschoben; trotzdem werden Blutprodukte – insbesondere Erythrozytenkonzentrate – weiterhin benötigt. Um die Patientensicherheit zu gewährleisten, sind die Bestimmung der Blutgruppen, die Identifizierung von Antikörpern und die Kreuzprobe vor der Gabe von Blutkonserven weiterhin dringend erforderlich. Allerdings wurden der Corona-Pandemie nahezu alle anderen labormedizinischen Fragestellungen untergeordnet. Zudem haben die Herstellerfirmen Mühe, die nötigen Rohstoffe zu beschaffen und müssen diese dann entsprechend teuer kaufen. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass die Tabelle der Automaten für die Immunhämatologie klein geraten ist. Zwei Firmen mit insgesamt drei Geräten sind vertreten.
Die Sicherheit der Blutprodukte, sowohl bei der Gewinnung als auch bei der Spende, steht bei der Immunhämatologie im Vordergrund, wobei es besonders darum geht, Verwechslungen auszuschließen und antikörperbedingte Transfusionsreaktionen zu vermeiden. Da es sich bei den Blutgruppenmerkmalen um charakteristische Antigene und Antikörper handelt, erfolgen alle Nachweise als Antigen-Antikörper-Reaktion. Seit einigen Jahren ist eine molekulare Blutgruppenbestimmung auf dem Markt, die besonders bei Frauen im gebärfähigen Alter mit dem Blutgruppenmerkmal D weak im Hinblick auf eine Rhesus-Prophylaxe von Bedeutung ist [1]. Der gesamte Workflow läuft vollautomatisch ab und ist mit zahlreichen Sicherheitsstufen versehen, um Bluttransfusionen so sicher wie nur möglich zu gestalten und den gesetzlichen Richtlinien zu entsprechen.
Automation
Tabelle: Systeme für die Immunhämatologie
Vollautomatisch bedeutet, dass dem Messgerät Primärproben zur Verfügung gestellt werden. Alle drei Geräte können sowohl pädiatrische als auch Primärröhrchen mit Standardmaßen verwenden (siehe Tabelle) – und zwar Primärgefäße verschiedener Hersteller innerhalb eines Laufs. Eine vorherige Sortierung der Proben ist nicht erforderlich. Selbstverständlich ist die eindeutige Kennzeichnung der Blutprodukte, der Patientenproben und der verwendeten Reagenzien mithilfe von eindeutigen Ziffern, die in einem 1D-Barcode mit 24 bis 25 Stellen verschlüsselt sind. Die Probenzufuhr kann sowohl im Random Access als auch im Batch-Verfahren oder On-Demand, also für Einzelproben auf Anforderung, erfolgen. Notfallproben können vorgezogen werden. Voraussetzung für den Random-Access-Betrieb ist eine bidirektionale Schnittstelle zum Labor-Informations-System (LIS), die von beiden Anbietern als Standard bereitgestellt wird. Daneben sind für die Bearbeitung von Primärproben einige Prüfmechanismen erforderlich, die den reibungslosen Ablauf garantieren. Diese finden Sie in der Rubrik Prozess- und Leistungsdaten unter Prä-analytik. Dazu gehören die Deckel- und Gerinnselerkennung (Clot Dectection, CD): Wird ein Gerinnsel in der Probe erkannt, wird die pipettierte Probe nicht verworfen, sondern in das Probenröhrchen zurückgeführt. Ein Vorgang, der vom Hersteller „Save the sample“ genannt wird.
Wenn man die Miniaturisierung als Maßstab für den Grad der Automatisierung betrachtet, dann ist diese schon weit fortgeschritten: Das Mindestvolumen für die Bearbeitung liegt bei den drei in der Tabelle vorgestellten Geräten zwischen 5 und 15 µl. Die Reaktionen laufen in sogenannten Mikrosäulchen ab, die in Kassetten oder Gelkarten zusammengefasst sind (s. Abb. 1).
Die beiden ersten Geräte verfügen über zwei Zentrifugen, die in den automatisierten Workflow integriert sind. Dadurch wird neben dem Random-Access-Betrieb auch sichergestellt, dass Notfälle sofort bearbeitet werden können.
Das dritte Gerät verfügt über eine Zentrifuge.
Methoden und Leistungsdaten
Die Geräte des einen Herstellers arbeiten mit dem Prinzip der Säulenagglutinationstechnologie, der zweite Hersteller bedient sich der Immunfixation, einer Verstärkung der Säulenagglutination. Die Reaktionen laufen bei allen Geräten in kleinen Mikrosäulchen ab (s. Abb. 1), die im Fall der Säulenagglutination mit Glaskügelchen für die Immunfixation mit einem Gel gepackt sind. Für den Nachweis jedes Blutgruppen-Antigens und jedes im Blutplasma korrespondierenden Antikörpers steht eine Säule zur Verfügung.
Für die Immunfixation wird zur Typisierung der Blutgruppenantigene die Patientenprobe als 0,5%ige Zellsuspension eingesetzt, für die Bestimmung der Antikörper das native Blutplasma. Im Agglutinationsverfahren werden Zellsuspensionen unterschiedlicher Konzentration und als Primärmaterial Vollblut oder gepackte Zellen bzw. Plasma oder Serum eingesetzt.
Alle gängigen auf Erythrozyten vorkommenden Antigensysteme können nachgewiesen werden. Keines der drei Systeme erfasst jedoch antithrombozytäre oder antileukozytäre Antikörper.
Antikörpersuchtest und Antikörperdifferenzierung werden von allen Geräten angeboten. Ein Hersteller unterstützt zusätzlich verschiedene Milieus und Reaktionsbedingungen. Alle Geräte sind Reagenz-offen, d. h. sie können auch mit CE-IVD-zertifizierten Reagenzien von Fremdfirmen betrieben werden. Im Hinblick auf die derzeitige Materialknappheit ist das sicher ein wichtiger Faktor.
Der maximale Probendurchsatz pro Stunde lässt sich zwischen den Systemen der beiden Hersteller nicht direkt vergleichen, weil von den beiden Teilnehmern unterschiedliche Tests angegeben sind.
Weitere Leistungsdaten wie Probenkapazität, Walk-away- und Hands-on-Zeit können Sie der Tabelle entnehmen.
Qualitätskontrollen sind für alle Systeme frei konfigurierbar. Allerdings sind diese bei einem Hersteller in den automatischen Workflow integriert, beim zweiten erfolgt die Messung von Qualitätskontrollen manuell.
IT und Service
Die bidirektionale Anbindung an das LIS ist bei allen Geräten Standard. Die Auswertungssoftware ist bei einem Hersteller integriert, beim anderen separat.
Reinigungszyklen gibt es bei allen Geräten täglich, Wartungsarbeiten bei einem Hersteller wöchentlich und monatlich sowie jährlich durch technisches Servicepersonal. Für den zweiten Hersteller erfolgt die Wartung halbjährlich oder nach dem Erreichen von 400 Betriebsstunden.
Einer der beiden Hersteller bietet als besonderen Service noch eine Prozessoptimierung mit Hilfe von Lean Management und Workflow-Studien an. Eine Schlüsselkennzahl ist dabei die Turnaround time (TAT) [2].
Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion
Dr. dr. med. Zsuzsanna Wolf
Leitende Ärztin Zentrallabor
Krankenhaus Barmherzige Brüder München
zsuzsanna.wolf[at]barmherzige-muenchen[dot]de