So einfallsreich wie die Natur selbst
Tests und Gerätesysteme für den Nachweis sexuell übertragbarer Infektionen
Sexuell übertragbare Infektionen werden von einer äußerst heterogenen Erregergruppe verursacht. Da die Infektionsraten trotz aller therapeutischen Fortschritte weiterhin zunehmen, ist für die Eindämmung eine breite Palette von Testprinzipien und Geräteplattformen erforderlich.
Schlüsselwörter: STI, PCR, Schnelltest, Automation
Wer glaubt, dank des Einsatzes moderner Antibiotika und antiviraler Medikamente seien sexuell übertragbare Krankheiten (STI = sexually transmitted infections) kein bedeutsames Problem mehr, der irrt. Dass die Infektionsraten in Deutschland weiterhin steigen, belegen Jahr für Jahr die epidemiologischen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI). Die statistischen Auswertungen bis 2015 wurden soeben im Bundesgesundheitsblatt 9/2017 publiziert[1]: Demnach betrug der Anstieg zwischen 2014 und 2015 allein für HIV und Syphilis, die beiden meldepflichtigen STI, 6,0% bzw. 19,4%. Für Neisserien, Chlamydien, Herpes simplex und das humane Papillomvirus ist die bundesweite Datenlage weniger gut, doch Erhebungen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen gehen in dieselbe Richtung. In Sachsen, wo beispielsweise eine Meldepflicht für Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae (NG) besteht, verzehnfachte sich die Inzidenz der Gonorrhö innerhalb von zehn Jahren von 1,8 auf 18 Fälle pro 100.000 Einwohner.
Deutschlandweite Erhebungen
Mit besonderer Sorge beobachtet das RKI eine Zunahme der Infektionen mit resistenten Keimen. Das gilt insbesondere für die Gonorrhö, die seit 2001 nicht mehr meldepflichtig ist. NG sprechen generell nur auf wenige Antibiotika an und entwickelten eine zunehmende Resistenz gegen das Breitbandantibiotikum Cefixim. Eine 2014 neu eingeführte Therapieleitlinie[2] empfiehlt zur Behandlung der Gonorrhö deshalb die Kombination von Ceftriaxon und Azithromycin. Seitdem ist die Resistenz gegen Cefixim rückläufig bzw. auf niedrigem Niveau stabil[1].
Um die Resistenzsituation für ganz Deutschland abzubilden, wurde – ebenfalls 2014 – das deutsche Gonokokken-Resistenz-Netzwerk (GORENET) als kontinuierliches Surveillance-Programm etabliert. An dieser Initiative beteiligen sich 23 Kooperationslabore.
Epidemiologisch auswertbare Kooperationsprojekte sind auch das „Chlamydien-Labor-Sentinel" (Anzahl der Nachweise seit 2008) oder die „KV-Impfsurveillance" (HPV-Impfquoten seit 2004). Eine repräsentative Befragung der Technischen Universität Braunschweig[3] ergab, dass die größte Gefahr für eine Ansteckung mit STI von jenen 13% ausgeht, die von ungeschütztem Geschlechtsverkehr außerhalb der Partnerschaft berichten; in dieser Risikogruppe kommen die Männer auf durchschnittlich 38, die Frauen auf immerhin 17 Sexualpartner. Die Autoren empfehlen hier regelmäßige sexualmedizinische Untersuchungen, die aber nur 25% der Betroffenen tatsächlich in Anspruch nehmen.
Labordiagnostik der STI
Solange die von Prof. Brockmeier auf S. 170 beschriebene Aufklärung so wenig greift, muss der Schwerpunkt der medizinischen Bemühungen auf einer unkomplizierten und trotzdem sicheren Diagnostik liegen. Das Thema genießt derzeit einen hohen politischen Stellenwert: 2017 startete das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Kampagne zur Eindämmung von STI[4], in deren Zentrum neben der Beratung gezielte Labortests – vor allem für HIV und HCV – stehen. Derzeit prüft das BMG sogar, HIV-Schnelltests ähnlich wie in Großbritannien und Frankreich für den Hausgebrauch freizugeben[4].
Als Beispiel für einen Schnelltest, der allerdings ausschließlich für die professionelle Verwendung im Labor, bei Gesundheitsämtern und AIDS-Hilfen, gedacht ist, wird hier ein HIV-Combo-Test der 4. Generation vorgestellt (s. u.). Es handelt sich um einen Immunoassay, der nach dem Lateral-Flow-Prinzip funktioniert und sich visuell auswerten lässt. Neben Antikörpern gegen HIV-1 und HIV-2 beinhaltet er auch das freie p24-Antigen als Frühmarker.
Die nebenstehend gezeigten molekularbiologischen Assays weisen ein breites Spektrum an STI-Erregern direkt nach. Dabei kommt keine PCR, sondern eine Hybridisierung mit nachfolgender isothermer TMA (Transcription-mediated Amplification) für RNA zum Einsatz. Für Erreger, deren Erbgut aus DNA besteht, ist eine Transkription erforderlich
Ein Verfahren – viele Formate
Dass die Methoden der STI-Diagnostik ebenso vielfältig und einfallsreich sind wie die Erreger selbst, zeigen wir auf dieser Doppelseite: Alle diese Assays basieren auf der PCR, und doch folgen sie sehr unterschiedlichen Nachweisstrategien. Gemeinsam ist ihnen nur die hohe Sensitivität und Spezifität sowie die Möglichkeit, auch schwer bis gar nicht kultivierbare Erreger wie T. pallidum, Chlamydien und Viren sicher nachzuweisen.
Es beginnt auf S. 174 oben mit zwei Plattform-unabhängigen Assays, die auf Thermocyclern der Testhersteller oder auch Geräten von Drittanbietern durchführbar sind. Der linke Kasten beschreibt eine klassische Endpunkt-PCR, der rechte eine Kombination aus PCR und Hybridisierung auf einem Lineblot, der auch visuell ablesbar ist. Beide Tests eignen sich für Einzel- und Multiplex-Nachweise.
Darunter findet sich ein Ansatz, der von vorn herein auf das Multiplexing in einem einzigen Reaktionsgefäß ausgelegt ist. Angeboten werden vier unabhängig voneinander einsetzbare Panels für eine sehr umfassende Diagnostik sexuell übertragbarer Erkrankungen. Diese Strategie eignet sich besonders zum Screening – beispielsweise für die sieben häufigsten Erreger von STI – sowie für den Nachweis von Doppelinfektionen.
Das unten vorgestellte Microarray-System ist ebenfalls primär für Erreger-Panels ausgelegt. Es basiert auf einer PCR mit anschließender Hybridisierung der Fluoreszenz-markierten Amplifikate an auf dem Mikroarray-Biochip gebundene Sonden. Der Test weist bis zu elf sexuell übertragbare Erreger – gegebenenfalls mit Untergruppen – nach, im Fall von HPV zum Beispiel 30 relevante Subtypen.
Das von den vorgestellten Assays abgedeckte Keimspektrum umfasst sowohl Bakterien (z. B. Treponema pallidum, Neisseria gonorrhoeae, Mycoplasma genitalium, Hämophilus ducrey), als auch Viren (z. B. HPV mit Hoch- und Niedrigrisiko-Subtypen, Hepatitis B und C, CMV oder HSV1 + 2), Einzeller und Pilze (Trichomonas vaginalis, Candida) sowie Chlamydia trachomatis – den in Deutschland wohl häufigsten Erreger von STI.
Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion