Neue Wege der Adipositasdiagnostik

Bestimmung des viszeralen Fettvolumens mittels MRT

Die Magnetresonanztomografie gilt derzeit als das genaueste Verfahren, um die Fettverteilung im Körper zu quantifizieren und insbesondere das prognostisch ungünstige viszerale Fettgewebe zu erfassen. Für wissenschaftliche Studien gilt das Verfahren bereits als Goldstandard, doch für die Routinediagnostik muss sein Nutzen noch bewiesen werden.
Schlüsselwörter: Adipositas, MRT, viszerales Fettgewebe

 

Die Prävalenz der Adipositas hat sich nach Angaben der WHO seit 1980 weltweit von 19% auf 39% mehr als verdoppelt[1]. Diese epidemiologische Aussage basiert vorrangig auf dem Body Mass Index (BMI), der – obwohl weit verbreitet und einfach zu berechnen – als Hauptkriterium der Fettleibigkeit eine ganze Reihe von Einschränkungen aufweist: Insbesondere erfasst er die makroskopische Anreicherung der Fettmasse unter der Haut und um die Organe des Abdomens (Abb. 1) nur unzureichend und ignoriert zudem die Auswirkungen der Adipositas auf molekularer und mikroskopischer Ebene komplett. Da aber die regionale Verteilung des Fettgewebes für viele wissenschaftliche Fragestellungen relevant ist, kombiniert man den BMI mit anderen, mehr oder weniger aufwendigen Messverfahren. Dazu zählen zum einen einfache anthropometrische Messungen wie etwa das Verhältnis von Taillenumfang zu Körpergröße (waist to height ratio, WHtR) und Taillen- zu Hüftumfang (waist to hip ratio, WHR), zum anderen kann man die Fettmasse mit physikalischen Verfahren (Dichtemessung, Röntgenabsorption, 3D-Lasertechnik u. a.) bestimmen.

Bildgebende Verfahren
Der Bildgebung kommt in diesem Kontext besondere Bedeutung zu, da nur sie in der Lage ist, das Fettgewebe im Körper exakt zu lokalisieren. Erste Ansätze, das intraabdominale (viszerale) Fettvolumen zu quantifizieren, stammen aus dem Jahr 1989[2]. Auch wenn die Ergebnisse von Magnet­resonanztomografie (MRT) und Computertomografie (CT) technisch bedingt nicht immer vollständig übereinstimmen[3], sind heute beide Verfahren im klinischen Einsatz. Im Jahr 2003 erschien eine Klassifikation der Fettverteilung im Körper, die den Begriff „viszerales Fettgewebe“ (VAT = visceral adipose tissue) einheitlich definierte und dessen besondere Bedeutung für die Entwicklung typischer Folgeerkrankungen der Adipositas, wie Koronarsklerose und Diabetes mellitus Typ 2, herausstellte[4].

VAT-Messung mittels MRT

Die Magnetresonanztomografie kann als aufwendiges, hochauflösendes Verfahren sowohl das subkutane als auch das viszerale Fettvolumen mit guter Präzision und Richtigkeit messen. Dies ist beispielsweise im Rahmen klinischer Studien nötig, denn die Effekte von Diäten und anderen Therapiemaßnahmen liegen oft im einstelligen Prozentbereich.
Im Wesentlichen beruht die Bestimmung des Fettvolumens mittels MRT auf der Diskriminierung des Resonanzsignals von Protonen in Fett- und Wassergewebe (sog. chemical shift) zu verschiedenen Messzeitpunkten. Für wissenschaftliche Studien bestimmt man die Querschnittsfläche des intraabdominalen Fetts in 40 Schichten von jeweils 1 cm Dicke zwischen Zwerchfell und Beckenboden[4]; häufig genügt allerdings auch die Vermessung einer repräsentativen Schicht auf Höhe der mittleren Lendenwirbelsäule. Diesen Wert (in cm2) multipliziert man mit der Schichtdicke (1 cm) und einem Kalibrierungsfaktor, um das Volumen des viszeralen Fetts zu erhalten. Die Erfassung des Unterhautfetts ist aufwendiger; sie muss den gesamten Körper einschließlich der Extremitäten einschließen[5], was ein Umlagern während der Untersuchung nötig macht.

Ergebnisse
Aus der Literatur und eigenen Beobachtungen können wir bestätigen, dass das Volumen des viszeralen Fetts weder mit dem BMI (Abb. 1 und 2) noch mit dem Volumen des subkutanen Fettgewebes (SAT) korreliert. Somit stellt das VAT einen eigenständigen Adipositasmarker dar, der nicht nur dem BMI überlegen ist, sondern auch wesentlich differenziertere Aussagen erlaubt als die Bestimmung des Gesamtfettgehalts im Körper.
In einer kürzlich publizierten Studie[6] fanden wir, dass stark übergewichtige Männer im Mittel rund 70% höhere VAT-Werte aufweisen als vergleichbar übergewichtige Frauen (8,1 vs. 4,9 Liter). Dies könnte einer der (zahlreichen) Gründe dafür sein, dass Männer häufiger Herzinfarkte erleiden.

Ausblick
Die MRT gilt wegen ihrer hohen Zuverlässigkeit derzeit als wissenschaftlicher Goldstandard, um Veränderungen des Fettvolumens im Rahmen therapeutischer Interventionsstudien zu dokumentieren.Anderen bildgebenden Verfahren ist sie klar überlegen, etwa dem Ultraschall (zu geringe Eindringtiefe) oder der Computertomografie (Strahlenbelastung). Für Routinezwecke ist das Verfahren allerdings bislang noch zu aufwendig und zu teuer. Auch wenn es für Einzelne verlockend sein mag, ihr Fettvolumen auf den Milliliter genau zu kennen, so muss zunächst in weiteren Studien geprüft werden, welcher diagnostische, therapeutische oder prognostische Benefit aus derart genauen und differenzierten Messungen resultiert und für welche klinischen Fragestellungen sich somit der hohe Aufwand lohnen könnte. 


Dr. med. Nicolas Linder
Universitätsklinikum Leipzig
IFB Adipositas Erkrankungen