Immunoassay oder Massenspektrometrie?
Monitoring von Immunsuppressiva
Bei immunsupprimierten Patienten nach Organtransplantation ist ein oft lebenslanges Monitoring der Medikamentenkonzentration im Blut erforderlich. Hierfür stehen auf der einen Seite immunchemische, auf der anderen Seite die komplexeren, aber analytisch höherwertigen massenspektrometrischen Verfahren zur Verfügung. Der Beitrag beschreibt den Stand der Analysentechnik und stellt aktuelle Herausforderungen bezüglich der notwendigen Standardisierung dar.
Schlüsselwörter: Immunsuppressiva, HPLC-MS/MS, Standardisierung, Transplantation
Deutschland zählt aktuell 50 Transplantationszentren, von denen die größten (u. a. in Hannover, Berlin, Heidelberg) insgesamt mehr als 200 Organe pro Jahr ersetzen (Stand 2014). Um die T-Zell-vermittelte Transplantatabstoßung dauerhaft zu unterdrücken, ist eine lebenslange Immunsuppression notwendig. Gängige dazu eingesetzte Pharmaka sind Calcineurininhibitoren (Ciclosporin, Tacrolimus) und mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Sirolimus). Diese vier Immunsuppressiva weisen eine geringe therapeutische Breite auf, sodass Immunsuppression stets eine Gratwanderung zwischen Abstoßung (bei Unterdosierung) und toxischen Nebenwirkungen (bei Überdosierung) darstellt. Deshalb müssen die Konzentrationen im Blut regelmäßig kontrolliert werden – eine keineswegs triviale Aufgabe, denn die idealen Zielkonzentrationen variieren individuell. Sie hängen u. a. vom Spenderorgan, der Komedikation und der Dauer nach Transplantation (Initialtherapie, Erhaltungstherapie) ab. Empfehlungen dazu werden in verschiedenen Consensus-Leitlinien diskutiert[1–4]. Klinisch-chemische Labore mit mehreren zehntausend Patientenproben pro Jahr und der entsprechenden analytischen Erfahrung gibt es insbesondere an großen Transplantationszentren, so zum Beispiel die Laboratorien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) oder der Universitätsklinika Heidelberg, Leipzig und München.
Messverfahren
Für das therapeutische Drug Monitoring (TDM) stehen immunchemische und massenspektrometrische Assays zur Verfügung. Aus Ringversuchen von 2015 geht hervor, dass erstere für Tacrolimus (TAC) und Ciclosporin (CSA) häufiger eingesetzt werden, während für Sirolimus (SIR) und Everolimus (EVE) hauptsächlich letztere Analytik zur Anwendung kommt (Abb. 1).
Beide Verfahren bringen jeweils typische Vor- und Nachteile mit sich. Immunoassays (IA) können auf Routinegeräten des klinisch-chemischen Labors durchgeführt werden, sodass keine gesonderten Anschaffungskosten entstehen und kaum zusätzlicher Schulungsbedarf für das technische Personal besteht. Jedoch liegen hier die laufenden Kosten wegen der relativ teuren Antikörper höher und es muss, wie bei allen IA, mit Kreuzreaktivitäten gerechnet werden; insbesondere durch die Miterfassung von Metaboliten eines Medikaments kann es zu falsch hohen Messwerten kommen[5]. Jeder IA ist zum Nachweis von nur einer Substanz einsetzbar, sodass bei Kombinationstherapien verschiedene Immunotests durchzuführen sind. Beispielsweise sind im Zentrallabor der MHH im Jahr 2015 bei 13% der Proben zwei Immunsuppressiva nachgewiesen worden (Massenspektrometrie). Auch beinhalten Laboranforderungen manchmal alle oder die falschen Immunsuppressiva, sodass IA auf einfachem Wege nicht zum gewünschten Befundbericht führen würden.
Das Verfahren mit der potenziell höheren analytischen Selektivität ist die Tandem-Massenspektrometrie in Kombination mit Flüssigkeitschromatografie (HPLC-MS/MS). Diese komplexe Spezialanalytik erfordert einen vergleichsweise hohen Schulungsaufwand für das technische Personal. Höhere Investitionskosten amortisieren sich bei ausreichendem Anforderungsvolumen im Laufe der Zeit durch geringere Verbrauchskosten und eine bessere Vergütung. Mittlerweile sind auch Befundpreis-basierte Leihstellungen von Geräten möglich.
Die reine Analysendauer liegt mit wenigen Minuten in gleicher Größenordnung wie bei den IA; mit speziellen Geräten können Analysenzeiten von wenigen Sekunden erreicht werden[6]. Üblicherweise werden per HPLC-MS/MS alle vier Immunsuppressiva simultan erfasst, sodass die Befundqualität hier nicht von der Qualität der Anforderung abhängt. Die an den Geräten eingesetzte Messmethode ist vor Inbetriebnahme anhand diverser Messparameter zu optimieren und gründlich zu validieren. Dies gilt für Eigen-Methoden genauso wie für kommerzielle Messmethoden von zertifizierten Kit-Anbietern. Nur so kann die mögliche hohe analytische Selektivität bei guter Robustheit erzielt werden.
Dr. Denis Grote-Koska
Medizinische Hochschule Hannover
Zentrum Laboratoriumsmedizin
Institut für Klinische Chemie
grote-koska.denis[at]mh-hannover[dot]de