Zunehmende Resistenzentwicklung

Infektionen mit LA-MRSA beim Menschen

Unterschiedliche Sequenztypen von S. aureus lassen sich bestimmten Wirtsspezies zuordnen, wobei Übergänge zwischen Mensch und Tier häufiger sind, als bisher angenommen. Der Austausch Resistenz-vermittelnder Gene zwischen den MRSA-Subtypen stellt eine zunehmende Gefahr für die Landbevölkerung und für Krankenhauspatienten dar.
Schlüsselwörter: Zoonosen, LA-MRSA CC398, Sequenztypen, Next Generation Sequencing

Gegenwärtig kennt man etwa 200 Krankheiten, die zwischen Tier und Mensch übertragen werden können (sog. Zoonosen), darunter so bekannte Beispiele wie Schweinegrippe, Tollwut und Pest. Aber noch viel zu selten denkt man auch bei Infektionen mit S. aureus an einen tierischen Ursprung, obwohl bei diesem Bakterium eigentlich schon seit fast einem halben Jahrhundert sog. „Ökovare“ – phänotypisch unterscheidbare Varietäten mit bevorzugtem Vorkommen bei Mensch, Rind, Schaf oder Geflügel – unterschieden werden. Seit gut zehn Jahren häufen sich auch Berichte über Antibiotika-resistente Stämme und rücken den „lifestock-assoziierten MRSA“ (lifestock = Viehbestand, MRSA = Methicillin-resis­tenter S. aureus), abgekürzt LA-MRSA, immer stärker in den Fokus der medizinischen Aufmerksamkeit.
Die Durchseuchung mit LA-MRSA beträgt bei Tierärzten bereits knapp 10% und beim Veterinärpersonal von Pferdekliniken fast 20%[1]. Besonders gefährdet scheinen Krankenhauspatienten in Gegenden mit intensiver Nutztierhaltung zu sein; hier wurden diese Keime bei fast einem Viertel aller hospitalisierten Patienten nachgewiesen[2]. In der Ems-Dollart-Region in Nordrhein-Westfalen stieg der Anteil von LA-MRSA CC398 unter allen beim Aufnahmescreening erfassten MRSA zwischen 2008 und 2013 von 13% auf 31% an. In einer Stichprobe aus unseren eigenen Daten mit 317 Isolaten aus den Jahren 2007 bis 2011 für Staphylokokken und Enterokokken lag der Anteil von MRSA CC398 an tiefgehenden Haut- und Weichgewebeinfektionen bei immerhin 17%.
Die Einteilung erfolgt heute nicht mehr phänotypisch, sondern nach Sequenztypen (ST), die man aufgrund der Nukleinsäuresequenzen in sieben konservierten Genen des Bakterien-Grundstoffwechsels ermittelt. Isolate, die in fünf oder mehr Allelen die gleichen Profile aufweisen, werden einem klonalen Komplex (CC) zugeordnet. Die Zuordnung der Sequenzen zu Allelen sowie deren Zuordnung zu bekannten Sequenztypen bzw. die Etablierung neuer Sequenztypen erfolgt über eine zentrale Datenbank (www.mlst.net/). Für ein schnelles „Vorsortieren“ wird die spa-Typisierung verwendet (Polymorphismen im Gen für Protein A). Auf diese Weise kann man genetisch gut definierte Subpopulationen bestimmten Wirtsspezies zuordnen (siehe Tabelle). So sind die klonalen Linien ST97 und ST151 vorwiegend mit Wiederkäuern, ST385 ausschließlich mit Mastgeflügel assoziiert und werden nicht auf den Menschen übertragen.
Andere Klone wiederum haben sich an unterschiedliche Wirte adaptiert, darunter der besonders häufige Typ CC398; von ihm geht die größte Gefährdung als Besiedler und Infektionserreger aus. Bei rund 80% der beruflich exponierten Landwirte, die in MRSA-positiven Anlagen tätig sind, liegt inzwischen eine nasale Kolonisation mit diesem Sequenztyp vor.

Infektionen beim Menschen

LA-MRSA verursacht die gleichen Krankheitsbilder wie S. aureus-Infektionen allgemein. Ausgehend von der nasalen Besiedlung können nosokomiale Infektionen zum Beispiel nach Hüftgelenkersatz oder Lungenentzündung bei künstlich beatmeten Patienten auftreten und in schweren Fällen zu einer Sepsis führen. Außerhalb der Krankenhäuser sind es überwiegend tiefgehende Haut-Weichgewebeinfektionen bei Personen mit direkter beruflicher Exposition, die einer chirurgischen Behandlung bedürfen; hier nehmen LA-MRSA einen Anteil von 10–15% ein. In klinischen Materialien lag der Anteil für LA-MRSA bei 8% für Blutkultur-Isolate, 11% aus tiefgehenden Wundabstrichen und 14% aus tiefen respiratorischen Sekreten[3].
Die Übertragung von LA-MRSA CC398 erfolgt primär über Körperkontakt sowie über keimbelasteten Stallstaub. Die Bakterien gelangen über Entlüftungsanlagen von Mastbetrieben nach außen und wurden in einem Abstand von 350 m in der Abluft nachgewiesen. Ferner fand sich LA-MRSA in mit Gülle aus Geflügelmastanlagen gedüngten Böden[4] und in Kotproben von Saatkrähen[5]. Wie eine Untersuchung von Bisdorff et al.[6] in Niedersachsen zeigte, wurden LA-MRSA CC398 in Einzelfällen bei Menschen ohne Nutztierkontakte, jedoch mit Wohnsitz in Nachbarschaft zu Mastanlagen, nachgewiesen (1%).

Risikoeinschätzung

Nach bisheriger Datenlage sind LA-MRSA nicht weniger virulent als klassische Krankenhaus-assoziierte MRSA (HA-MRSA), unterscheiden sich aber noch in ihrer epidemischen Potenz: Eine niederländische Studie kam zu dem Ergebnis, dass LA-MRSA CC398 eine rund 6-fach geringere Transmissionswahrscheinlichkeit von Mensch zu Mensch in Krankenhäusern aufwiesen.
Man nimmt an, dass LA-MRSA CC398 aus Methicillin-empfindlichen S. aureus (MSSA) des Menschen entstanden. Bei der Wirts-Adaptation an Tiere gingen vermutlich mobile genetische Elemente ihres Genoms verloren, während andere neu erworben wurden. Dieser Gen-Austausch ist in beide Richtungen vorstellbar, womit LA-MRSA aufgrund ihrer weiten Verbreitung bei Tieren künftig zu einer erheblichen gesundheitlichen Bedrohung für den Menschen avancieren können. Bestimmte MSSA des klonalen Komplexes CC398, die den spa-Typ t571 zeigen, haben offensichtlich ein hohes Virulenz-Potenzial im Hinblick auf Sepsis und tiefgehende Wundinfektio­nen[7]. Sie traten bisher vorwiegend in Frank­reich und Belgien auf; in Deutschland sind sie noch vergleichsweise selten.
MSSA CC398 können ferner durch Aufnahme eines Prophagen die Fähigkeit zur Bildung von Panton-Valentin-Leukozidin (lukPV) erwerben und damit verstärkt zu tiefgehenden Haut- und Weichgewebeinfektionen beitragen. Derartige Isolate sind offensichtlich in China verbreitet, traten jedoch vereinzelt bereits in Deutschland auf.
Besorgniserregend ist vor allem die zwischen Staphylokokken übertragbare Resistenz gegen Linezolid. Diese Resis­tenz beruht auf einer ganz spezifischen RNA-Methylierung und führt zum sogenannten PhLOPS–Phänotyp mit Resistenz gegenüber Phenicolen, Lincosamiden, Oxazolidinonen, Pleuromutilinen und Streptogramin A. 2008 wurde ein LA-MRSA CC398 mit übertragbarer Linezolidresistenz bei einem Schwein gefunden, 2010 bei einem Schweinemäster aus dem Nürnberger Raum mit einer schweren Beatmungspneumonie. Solche Entwicklungen erfordern große Aufmerksamkeit, da sie Auslöser umfassender Antibiotikaresistenzen sein können[8]


Dr. med. vet. Christiane Cuny
Robert-Koch-Institut, Nationales Referenz­zentrum für Staphylokokken und Enterokokken