Lehren aus der Grippewelle 2015

Epidemiologie, Diagnostik, Vorbeugung

Die letzte Grippesaison führte zu hohen Hospitalisierungsraten und legte durch Ansteckung des Personals ganze Abteilungen lahm. Strikte Hygieneregeln und Impfung sind der beste Schutz.

 

Im Januar 2015 gab die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) eine ernste Warnung heraus: Aufgrund eines Antigendrifts sei beim saisonalen Grippe­impfstoff mit einer deutlich geringeren Effektivität gegenüber dem seit zwei Jahren dominierenden Influenza A Subtyp H3N2 zu rechnen. Im Juni berichtete das Robert-Koch-Institut, dass in der abgelaufenen Grippesaison 2014/2015 mit über 80.000 Fällen die zweithöchste Zahl an Influenza-Meldungen seit Bestehen der zentralen Erfassung in der BRD registriert wurde. Nur 2009, im Jahr der sogenannten „Schweinegrippe“ (H1N1), lagen die Werte noch höher.
Eine erhöhte Influenzaaktivität wirkt sich insbesondere auf die Morbidität, Hospitalisierungsrate und Mortalität von Personen mit chronischen Grunderkrankungen aus, aber auch bei Kindern findet sich die Influenza als häufige Ursache von respiratorischen Infektionen (neben Respiratory-, Rhino-, Metapneumo-, Adeno- und Coronaviren). Allerdings sind die Verläufe meist leicht und führen nicht zur Hospitalisierung. Bei Älteren können Influenza­infektionen dagegen – in Abhängigkeit vom dominierenden saisonalen Typ – zu schwerer respiratorischer Insuffizienz führen; in Metaanalysen zeigen sie eine Mortalität zwischen 10 und 15%.

Eine nosokomiale Infektion

Gefürchtet ist die Influenza vor allem in Krankenhäusern, da das Virus aufgrund seines Infektionsweges (Tröpfcheninfektion) eine hohe Kontagiosität aufweist (Reproduktionsindex 2–6) und zu Ausbrüchen führen kann, von denen in der letzten Saison auch das Personal betroffen war, sodass ganze Stationen lahmgelegt wurden. Fatale Verläufe zeigen sich vor allem in Transplantationsabteilungen, in der Hämatoonkologie und Neonatologie.
Von besonderer Bedeutung im stationären Bereich ist deshalb die frühe und schnelle Erkennung von infektiösen Patienten. Hierfür definierte die Weltgesundheitsorganisation eine typische Symptomatologie, die zum Beispiel Fieber über 37,8 °C und trockenen Husten beinhaltet. Problematisch ist allerdings, dass stationäre ältere Patienten mit diversen chronischen Grund­erkrankungen die typischen Influenza-Symptome oft vermissen lassen.

Diagnostik und Hygiene

Entscheidend für die rasche und sichere Diagnostik ist deshalb letztlich immer eine serologische Laboruntersuchung. Hierzu haben verschiedene Hersteller sowohl Antigentests (oft im Lateral-flow-Format) als auch PCR-Verfahren entwickelt (siehe nächste Seite). Für beide Varianten gibt es auch POCT-Verfahren. Antigennachweise haben den Vorteil der raschen Befunderstellung, bieten jedoch im Vergleich zur PCR eine deutlich eingeschränkte Sensitivität.
Die Abbildung rechts zeigt PCR-Ergebnisse eigener Untersuchungen[1]: Die saisonalen Stämme sH3N2/sH1N1 dominierten unter den positiven Befunden mit gut 80%, während H1N1pdm09 unter 10% blieb.
Zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen schreibt die KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI) strenge Hygieneregeln vor, die neben der strikten Isolierung das Tragen von Schutzkleidung im Umgang mit infektiösen Patienten beinhalten. Hierbei scheint insbesondere der Mund- und Nasenschutz sowie die Beachtung der alkoholischen Händedesinfektion nach Kontakt mit Patienten von Bedeutung zu sein. Zwar gilt die Influenza als eine durch Tröpfchen übertragbare Infektionserkrankung, doch ist bislang unklar, wie hoch der „infektiöse Radius“ bei einem Influenza-Patienten ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Größe infektiöser Tröpfchen bei Influenza erheblich variieren kann (kleine Partikel fliegen weiter!) und dass auch Luftströmungen bei der Verbreitung des Virus eine wichtige Rolle spielen.


Empfehlungen für Mitarbeiter

Bei der Suche nach den Ursachen nosokomialer Infektionen muss immer auch berücksichtigt werden, dass in einer Saison mit hoher Influenzaaktivität das medizinische Personal ebenso wie die Patienten betroffen sein können. Problematisch ist die Situation immer dann, wenn infektiöses Personal am Arbeitsplatz erscheint, weil die Krankheit relativ milde verläuft. In der letzten Influenzasaison hat sich in einer eigenen Interventionsstudie zur Vermeidung von nosokomialen Influenzafällen bewährt, dass medizinisches und pflegerisches Personal Mund- und Nasenschutz auf der Station kontinuierlich trug – und nicht nur im direkten Umgang mit Influenza-Patienten[1].
Neben gutem Hygienemanagement erweist sich die jährliche Impfung von Mitarbeitern als die beste Prävention zur Vermeidung von nosokomialen Influenza-Infektionen. Sie wirkt innerhalb von zwei Wochen und bietet einen effektiven Grippeschutz während regio­naler oder überregionaler Ausbrüche – nach einer kürzlich publizierten Metaanalyse von 35 Studien sogar unabhängig davon, wie gut der Impfstamm mit dem jeweils zirkulierenden Influenza­virus übereinstimmt.
Trotz dieser klaren Erkenntnisse bestehen selbst in medizinischen Fachkreisen immer noch Vorbehalte, sodass die Impfrate beim Krankenhauspersonal kaum einmal 40% beträgt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf – am besten sofort, denn die Grippe­welle 2016 steht unmittelbar bevor.  

 


Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Ambrosch
Mitglied der Redaktion

 


[1] Ambrosch et al. Jahrestagung DGHM 2015