Diagnostische Vielfalt

Gastrointestinale Infektionen

Im Gastrointestinaltrakt lösen unterschiedlichste Erreger und Toxine sehr ähnliche Symptome aus. Für die diagnostische Differenzierung steht eine große Palette konventioneller und molekularbiologischer Tests zur Verfügung.

Weltweit sterben täglich (!) rund 2.200 Kinder an gastrointestinalen Infektionen (GI). Auch wenn vorwiegend Länder mit niedrigem Hygienestandard betroffen sind, bestimmen infektiöse Darmerkrankungen auch in den Industrienationen die Morbidität ganz wesentlich. In der Statistik der Hauptdiagnosen an deutschen Krankenhäusern rangieren sie unter den Top 10.

Klinische Einteilung

Das Erregerspektrum ist ebenso vielfältig wie die Pathomechanismen, wohingegen sich das klinische Bild mit Durchfällen (Definition: mehr als drei ungeformte wässrige Stuhlentleerungen pro Tag) und ggf. Erbrechen kaum unterscheidet. Aus der Symptomatik lässt sich deshalb wenig über die Spezifität des auslösenden Agens ableiten.
Bei den bakteriellen Pathomechanismen unterscheidet man zwischen invasiven oder Toxin-bildenden Erregern und Erregern mit pathogenen Adhärenzeigenschaften. Darüber hinaus kann man bakterielle Infektionen von viralen und parasitären Erkrankungen differenzieren.
Zu den invasiven bakteriellen Darm­infektionen gehören neben dem enteroinvasiven E. coli (EIEC) die klassischen Enteritiserreger wie Campylobacter/Arcobacter, Salmonella (mit über 2.500 Serovaren), Shigella (Untergruppe A–D) und Yersinia (drei humanpathogene Spezies). Hier findet man oft ausgeprägte Entzündungsreaktionen mit hohen Leukozytenzahlen im Stuhl und teilweise ausgeprägte Blutbeimengungen als Zeichen der Invasivität. Einige dieser Infektionen wie etwa der Typhus sind durch eine sys­temische Verlaufsform gekennzeichnet.
Virale Darminfektionen zählen zu den sekretorischen Enteritiden; Hauptinfek­tionsort ist der Dünndarm. Nach typischerweise kurzer Inkubationszeit von ein bis zwei Tagen setzen dünnflüssige, wässrige Durchfälle von großer Heftigkeit ein (bis zu zehn Mal pro Tag). Starker Flüssigkeitsverlust führt insbesondere bei älteren Patienten und Säuglingen zur raschen Dehydratation, die eine Hospitalisierung erfordert. Immunsupprimierte Patienten können noch Wochen nach Abklingen der Symptome große Erregermengen im Stuhl ausscheiden und gelten deshalb im stationären Bereich als Hygienerisiko.

Toxinbildner

Unter den Toxin-bildenden Erregern ist vor allem Clostridium difficile in unseren Breiten bei nosokomialen Diarrhöen bedeutsam. Eigentlich handelt sich hier um ein fakultativ pathogenes Bakterium, das bei Kleinkindern in über 60 Prozent der Fälle ohne jegliche Klinik nachgewiesen werden kann. Bis zum 5. Lebensjahr fehlt Kindern offenbar der spezifische Ligand für die Bindung des C. difficile-Toxins. Im Gegensatz zu allen anderen Enteritis­erregern verursacht C. difficile mit der pseudomembranösen Kolitis ein pathognomonisches Krankheitsbild, dessen koloskopischer Nachweis allein schon die antibiotische Therapie rechtfertigt. Einzelne Stämme mit Defekt eines regulatorischen Proteins im Toxin-Genlocus (Ribotyp 027) wurden als „hypervirulent“ bekannt und machen inzwischen in Deutschland zwischen 15 und 20 Prozent der Nachweise aus. Diese Fälle sind meldepflichtig.
Der Archetyp einer Toxin-induzierten Diarrhö ist die Cholera, die jedoch in Mitteleuropa im Regelfall nur als „Reisemitbringsel“ auftritt. Das Choleratoxin ist eine Ribosyltransferase mit A- und B-Untereinheit, die den Wasser- und Elektrolythaushalt von Zellen derartig stört, dass große Mengen an Flüssigkeit über den Darm ausgeschieden werden. Typisch ist ein Verlust von mehr als zehn Litern pro Tag mit „Reiswasser“-ähnlichen Stühlen.
Sogenannte Lebensmittelvergiftungen treten wenige Stunden nach Verzehr von kontaminierter Speisen auf und werden durch große Mengen freigesetzter Toxine ausgelöst. Zu den Vergiftungserscheinungen zählen neben Durchfällen und Erbrechen auch neurologische Symptome, beim Botulismus zum Beispiel Doppelbilder, Schluckstörungen und Atemlähmung.
Einige Toxine wie etwa die von Staphylococcus aureus und Bacillus cereus sind sehr hitzeresistent, sodass selbst das Abkochen von Lebensmitteln nicht vor Vergiftungen schützt.

 

Tabelle: Ausgewählte Erreger von Gastroenteritiden



Stufendiagnostik

Nach den Qualitätsstandards der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik (MIQ 2013) von enteritischen Erregern hat sich in den letzten 15 Jahren an der Vorgehensweise nichts Wesentliches geändert. Proben von Patienten ohne Hinweis auf Diarrhö sollten auch vor dem Hintergrund der Identifizierung von Dauerausscheidern auf Salmonellen, Shigellen und Yersinien klassisch mikrobiologisch getestet werden. Bei Auslandsanamnesen können neben diesem Basisprogramm Untersuchungen auf Amöben, Giardia (hier existieren neben den mikroskopischen Verfahren auch Antigen-Schnelltests mit unterschiedlichen Sensitivitäten) und Wurmeier erfolgen. Die Differenzierung zwischen Entamöba histolytica und der apathogenen dispar-Form ist mikroskopisch nicht möglich; deshalb muss hier ein spezifischer Immunoassay oder eine PCR eingesetzt werden.
Bei ambulanten Patienten mit Diarrhö empfiehlt sich neben dem oben erwähnten Basisprogramm zusätzlich die Testung auf Campylobacter. Dieser Erreger hat die Enteritis-Salmonellen nach aktuellen RKI-Daten mit deutlichem Abstand auf Platz zwei der meldepflichtigen bakteriellen Enteritiserreger verdrängt. Campylobacter-Infektionen und -Ausbrüche finden sich immer wieder im Zusammenhang mit Fast Food beim Genuss von unzureichend durchgegartem Geflügel.
Der Ausbruch mit EHEC O104:H4 im Jahr 2011 betraf annähernd 4.000 Patienten, von denen 855 an einem schweren hämolytisch urämischen Syndrom erkrankten; 4 Prozent verstarben. Obgleich damals überwiegend Erwachsene erkrankten, werden EHEC-Infektionen  normalerweise eher bei Kindern unter sechs Jahren beobachtet. In dieser Personengruppe sollte deshalb bei Auftreten von Diarrhöen – insbesondere nach Besuch in einem Streichelzoo – eine Untersuchung auf EHEC mittels PCR erfolgen. Alternativ kann ein ELISA auf Shiga-Toxin-Stuhl­antigen durchgeführt werden, der allerdings eine geringere Sensitivität gegenüber der PCR aufweist.

Virusinfektionen

Bei Personen jeglichen Alters mit Erbrechen und dünnflüssigen Stühlen stehen im Regelfall virale Ursachen im Vordergrund: Adeno-, Astro-, Noro- und Rotaviren kommen infrage. Insbesondere Noroviren lösen einen fulminant einsetzenden – und in der Regel rasch wieder abklingenden – Brechdurchfall mit saisonalem Höhepunkt im Winter aus.
Für den Virusnachweis stehen sowohl POCT-taugliche Antigentests (häufig in Lateral-Flow-Technik), als auch ELISA- und PCR-Verfahren zur Verfügung. Da einige Subtypen im klinischen Verlauf insbesondere bei Kindern starkes Erbrechen auslösen können, wurden einige PCR-Tests nicht nur für Stuhlproben, sondern auch für die Untersuchung anderer Materialien CE-zertifiziert.
Für stationäre Patienten mit Gastroenteritis gilt prinzipiell dasselbe diagnostische Procedere wie im ambulanten Bereich. Bei Neuerkrankungen ab dem dritten Tag sowie bis zu vier Wochen nach stationärem Aufenthalt besteht der Verdacht auf eine nosokomiale Durchfallerkrankung. Hier kann die Diagnostik nach entsprechender Anamneseerhebung (Antibiotika, Zytostatika, Protonenpumpenhemmer) auf den Nachweis von Clostridium difficile beschränkt werden. Die klassische Stufendiagnostik im Zusammenhang mit diesem Erreger beginnt mit dem Nachweis der spezifischen Glutamatdehydrogenase (GDH). Bei positivem Ergebnis erfolgt der Toxin-Nachweis mittel ELISA-Technik (B-Toxin und/oder A-Toxin).
Mittlerweile zeigen Studien, dass der PCR-Nachweis von Toxin-kodierenden Genabschnitten (einschl. binäres Toxin) eine höhere Sensitivität aufweist als der klassische, oben beschriebene diagnostische Pfad. Auch scheint nach aktuellen Studien bei Verdacht auf C. difficile die PCR-Untersuchung eines Rektalabstrichs ebenso sensitiv und spezifisch zu sein wie die PCR-Untersuchung einer Stuhlprobe. Dies ist vor allem deshalb von Interesse, weil C. difficile inzwischen auch in der ambulanten Versorgung eine Rolle spielt, wo nicht immer eine Stuhlprobe zur Verfügung steht. Patienten mit entsprechender Anamnese  neigen zu Rückfällen, die eine stationäre Aufnahme erfordern. Dort kann die Diagnose dann mittels PCR gesichert werden und eine hygienisch adäquate Weiterversorgung erfolgen.


Multiplex-PCR

In letzter Zeit kommen zunehmend PCR-Testsysteme auf den Markt, die eine ganze Reihe von Enteritiserregern nachweisen. Einige erfassen in einem einzigen Untersuchungsgang über zwanzig verschiedene Bakterien (Campylobacter, Salmonella spp., Yersinien, enteropathogene E. coli und Shigella spp.), diverse Parasiten und die wichtigsten enteritischen Viren. In aufwendig durchgeführten Vergleichsstudien unter Einbeziehung von klassischer Mikrobiologie, Monoplex-PCR und Sequenzierung zeigte sich eine hohe Spezifität und Sensitivität dieser Multiplex-PCR-Testsysteme.Bei Berücksichtigung der Richtlinien für die mikrobiologische Qualitätssicherung (MIQ) kann allerdings ein ungezielter Einsatz solcher Verfahren in jeder eingeschickten Patientenprobe weder ökonomisch noch medizinisch gerechtfertigt werden. Vorteile könnten jedoch darin liegen, dass umfassende Ergebnisse in kürzerer Zeit als bei der klassischen Stufendiagnostik zur Verfügung stehen, was positive Auswirkungen auf das Hygienemanagement und die Infektionskontrolle haben dürfte. Somit kommt der Multiplex-PCR über den Einzelfall hinaus womöglich Bedeutung für das gesamte Gesundheitswesen zu.   

 

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Weiterführende Literatur:

Lübbert C, John E, von Müller L: Clostridium difficile infection – guideline-based diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2014; 111(43):723-31. DOI:10.3238/arztebl.2014.0723.
Timothy D Planche et al.: Differences in outcome according to Clostridium difficile testing method: a prospective multicentre diagnostic validation study of C difficile infection. Lancet Infect Dis. 2013 November; 13(11): 936–945. DOI: 10.1016/S1473-3099(13)70200-7
Susan E. Sharp et al.: Evaluation of the C. Diff Quik Chek Complete Assay, a New Glutamate Dehydrogenase and A/B Toxin Combination Lateral Flow Assay for Use in Rapid, Simple Diagnosis of Clostridium difficile Disease. J Clin Microbiol. 2010 June; 48(6): 2082–2086. Published online 2010 April 7. DOI: 10.1128/JCM.00129-10