Bedrohung durch multiresistente Keime
Update Tuberkulose
Bei der Bekämpfung der Tuberkulose steht die frühe Diagnose und Behandlung im Vordergrund. Schnellere diagnostische Tests, genetische Resistenztestung und die Entwicklung neuer Medikamente helfen dabei.
Die Tuberkulose ist mit 1,3 Mio. Todesfällen im Jahr 2012 die bakterielle Infektionskrankheit, die global gesehen die meisten Opfer fordert. Neben der Ko-Infektion mit HIV stellt uns die zunehmende Ausbreitung multiresistenter Keime vor die größte medizinische Herausforderung.
In Deutschland wurden 2012 etwas über 4.200 neue Fälle gemeldet (Inzidenz 5,2 Patienten pro 100.000). Die Zahlen gingen in den letzten Jahrzehnten zurück, doch die Kindertuberkulose nimmt seit fünf Jahren wieder zu, und 2013 stieg auch die Gesamtzahl der gemeldeten TB-Fälle erstmals wieder an. Prävalenz und Inzidenz nähern sich einem Plateau. Längerfristig könnte auch bei uns wieder eine verstärkte Ausbreitung als Folge von Armut und Migration drohen.
Die Diagnose der TB ergibt sich zwar aus der Zusammenschau anamnestischer, klinischer, radiologischer, histologischer und mikrobiologischer Daten, doch die zentrale Rolle spielt der direkte Erregernachweis: Nur er bietet diagnostische Sicherheit.
Kultur und Direktnachweis
Die Kultur gilt wegen ihrer hohen Sensitivität und Spezifität unverändert als Goldstandard; sie dauert aber in der Regel über zwei Wochen – viel zu lange für einen Patienten in stationärer Behandlung. Deshalb hat der mikroskopische Nachweis von säurefesten Stäbchen als schnellstes und kostengünstigstes Verfahren weiterhin einen hohen Stellenwert, um hoch-infektiöse Patienten zu erkennen. Zwei Drittel aller TB-Patienten in Deutschland sind aber mikroskopisch negativ und trotzdem noch für ca. 15 Prozent aller TB-Übertragungen verantwortlich.
Seit der Jahrtausendwende nahmen die Nukleinsäureamplifikationstests (NATs) einen rasanten Aufschwung in der Tuberkulose-Diagnostik. Sie stellen eine ideale Ergänzung des diagnostischen Spektrums dar, weil sie fast so schnell, aber deutlich sensitiver als die Mikroskopie sind. Ende 2010 sprach die WHO eine Empfehlung für den von Cepheid und FIND (Foundation for Innovative New Diagnostics) entwickelten Xpert MTB/RIF-Test (s. S. 76) aus. Das vollautomatisierte System ist aufgrund des Einmalkartuschen-Prinzips einfach in der Anwendung und liefert in zwei Stunden Resultate. Der Test wird inzwischen weltweit eingesetzt – vor allem auch in Ländern mit schlechter Laborinfrastruktur.
Mit anderen NATs teilt er bekannte Schwächen bei der Detektion paucibazillärer TB-Infektionen: Die Nachweisrate bei gesicherter, aber mikroskopisch negativer Lungentuberkulose liegt nur zwischen 50 und 75 Prozent. NATs können deshalb eine TB niemals ausschließen.
Latente Tuberkuloseinfektionen
Sogenannte Interferon-Gamma Release Assays (IGRAs) stehen als diagnostische Verfahren zum indirekten, immunologischen Nachweis einer TB-Infektion zur Verfügung. Die zwei auf dem Markt befindlichen Tests QuantiFERON Gold IT (Qiagen, siehe S. 73) und T-Spot.TB (Oxford Immunotech, GB) messen im Blut die Interferon-γ-Werte nach Stimulation mit TB-spezifischen Antigenen.
Wegen ihrer höheren Spezifität und der standardisierten In-vitro-Durchführbarkeit haben sie den Tuberkulin-Hauttest weitgehend verdrängt. Ihre Stärke liegt in der Diagnostik einer latenten TB-Infektion. Für die aktive Tuberkulose ist ihre Aussagekraft dagegen gering, weil die Sensitivität nur 70–80 Prozent beträgt. Immunologische Tests können also die klinische, radiologische oder mikrobiologische Diagnostik nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.
Resistenztestung
Von MDR-TB (multi-drug resistant tuberculosis) spricht man, wenn eine Resistenz gegen die zwei potentesten Erstrangmedikamente Isoniazid und Rifampicin besteht. In manchen Ländern Osteuropas und Zentralasiens beträgt der Anteil von MDR-TB bei den Neuerkrankungen bereits über 20 Prozent. Da man bei MDR-TB auf schwächer wirksame Medikamente mit stärkeren Nebenwirkungen zurückgreifen und zudem die Therapiedauer von sechs Monaten auf fast zwei Jahre verlängern muss, wird weltweit nur weniger als die Hälfte der Patienten erfolgreich therapiert.
PCR- und Gensondenhybridisierungs-Tests sind in der Lage, Resistenzen der Tuberkuloseerreger direkt im Untersuchungsgut nachzuweisen. Dies bewirkt gegenüber der phänotypischen Empfindlichkeitstestung einen Zeitgewinn von mehreren Wochen. Vorwiegend wird auf Rifampicin (RMP)-Resistenz als Surrogatmarker für MDR-TB getestet. Die GenoType-Tests von Hain Lifescience (s. S. 77) erlauben darüber hinaus die Untersuchung auf Resistenzmarker für Isoniazid, Ethambutol sowie für Zweitrangmedikamente (Chinolone und die injizierbaren Medikamente Kanamycin, Amikacin und Capreomycin), die vorwiegend bei der Therapie der MDR-TB eingesetzt werden.
Der von der WHO empfohlene diagnostische Algorithmus sieht vor, dass alle Kinder, HIV-Träger und Patienten aus Ländern mit hohem MDR-TB Aufkommen (zum Beispiel GUS, China, SO-Asien, Südafrika, Peru) bei Verdacht auf TB mit molekularbiologischen Assays auf TB und Resistenzmarker untersucht werden. In Deutschland sollte die Empfehlung leicht modifiziert werden: Bei Kindern, Patienten mit Migrationshintergrund oder Immunsuppression sowie bei invasiv gewonnenem Untersuchungsgut oder dringlicher Indikation wird ein möglichst sensitiver NAT auf Tuberkulose empfohlen. Auf ein positives Ergebnis folgt ein genetischer Test für das Vorliegen möglicher Resistenzmarker.
Neue Testentwicklungen
In naher Zukunft werden sogenannte Lab-on-a-Chip-Systeme und DNA-Microarrays zum Nachweis von Tuberkulose-Bakterien und Resistenzmarkern an Bedeutung gewinnen. CapitalBioTM DNA Microarray oder TrueNat MTBTM Test sind Beispiele für miniaturisierte PCR-Arrays, die sich in Studien als sensitiv und schnell erwiesen haben. Die von Spark (Stanford University, USA) entwickelte HYDRA-Plattform bietet den Test im Minicomputer-gesteuerten Chipformat.
In den nächsten Jahren könnte auch die Genomsequenzierung mit NGS-Systemen (Next Generation Sequencing) an Spezialzentren breitere Anwendung finden. Diese Hochdurchsatztechnik ermöglicht die Identifizierung der Spezies, des Genotyps, einzelner Ausbruchsstämme und aller bekannten genetischen Resistenzmarker innerhalb eines Tages; noch kann das Verfahren allerdings nur auf positive Kulturen angewendet werden. Eine Beschleunigung des Bakterienwachstums durch verbesserte Medien und Detektionsautomaten wäre ein wichtiges Feld weiterer Forschungs- und Entwicklungsarbeit.
Therapie der MDR- und XDR-TB
Der Bedarf an neuen Antituberkulotika steigt parallel zur rasanten Ausbreitung der Erreger von multi- (MDR) und extrem-resistenter (XDR) Tuberkulose. Zwei neue Medikamente wurden 2014 zur Therapie der MDR- und XDR-TB zugelassen. Delaminid (Deltyba™) greift als bakterizide Substanz in den Zellwand-Stoffwechsel der Tuberkulose-Bakterien ein. Sowohl Diagnostik als auch Therapie müssen unter streng kontrollierten Bedingungen erfolgen, um eine Resistenzentwicklung zu verhindern. Die Resistenztestung ist im synlab MVZ am WHO Referenzlabor Gauting möglich (Telefonnummer s. u.).
Bedaquiline (Sirturo®) wurde 2012 von der amerikanischen FDA zur Therapie der MDR-TB zugelassen. 2014 erteilte auch die europäische EMA dem Wirkstoff nach einem beschleunigten Verfahren die bedingte Zulassung. Er gehört zur Gruppe der Diarylquinoline, die die mykobakterielle ATP-Synthase inhibieren. Für beide Substanzen laufen noch die Phase-III-Studien.
UNITAID fördert mit gut 60 Mio. USD ein weltweites Großprojekt mit dem programmatischen Namen END-TB, in dem beide Substanzen in unterschiedlichen Kombinationstherapien zum Einsatz kommen. Das Kuratorium Tuberkulose in der Welt e. V. ist mit dem Genetup-Projekt in Nepal beteiligt. Unter anderem erhoffen sich die Projektleiter von PIH und MsF davon eine dramatische Verkürzung der Therapiedauer der MDR-TB von fast zwei Jahren auf wenige Monate. Man muss hoffen, dass weitere Resistenzentwicklungen unter dieser Behandlung ausbleiben.
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Sabine Hofmann-Thiel
sabine.hofmann-thiel[at]synlab[dot]com
Dr. med. Harald Hoffmann
WHO Supranationales Referenzlabor für Tuberkulose, synlab
MVZ Gauting
harald.hoffmann[at]synlab[dot]com
+49 89 85791 5410