Pathologie

Keine Angst vor dem "Roboter"

Auch in der Pathologie schreitet die Automation voran, wenn auch deutlich langsamer als in anderen diagnostischen Bereichen. Das liegt vor allem an der Komplexität der Herausforderung.

Es gibt heute medizinische Labore, in denen ein Vollautomat Blutproben schluckt und Befunde ausspuckt – fast ohne Zutun von Menschen. Dagegen wirken Pathologieinstitute fast steinzeitlich. Zwar gibt es auch hier Geräte, die dem Menschen sogenannte 3-D-tasks abnehmen, also Aufgaben, die dull, dirty, dangerous sind. Sie entwässern zum Beispiel Proben durch Alkoholreihen, platzieren Deckgläser und tragen Anti­körper für die Immunhistochemie oder Sonden für In-situ-Hybridisierungen auf. Doch viele Arbeitsschritte werden von Hand erledigt. Von TLA (total laboratory automation) kann deshalb noch keine Rede sein.
Das liegt keineswegs daran, dass Pathologen Angst vor „Robotern“ haben. Vielmehr ist dieses Fachgebiet mit seiner riesigen Spanne an Analysematerialien und Fragestellungen für eine Vollautomation zu komplex. Mal wird ein ganzes amputiertes Bein eingeschickt und mal eine millimetergroße Biopsie aus einer Magenspiegelung. Mal wird der Erreger einer Entzündung gesucht, mal das genetische Profil eines Tumors. Die Ausgangssituation ähnelt der Mikro­biologie, wo die Vollautomation ebenfalls nur zögerlich einsetzt.

Vieles ist schon automatisiert
Ein großer Teil des diagnostischen Prozesses läuft schon in der makroskopischen Präparataufarbeitung, wenn beispielsweise festgelegt werden muss, wo genau die Ränder eines Tumors liegen. Diese Aufgabe erfordert ärztliche Expertise und ist deshalb nicht automatisierbar. Beim Gewebeschnitt wiederum wird manuelle Geschicklichkeit benötigt, die man Robotern nur schwer antrainieren kann.
Fast alle sonstigen Arbeitsschritte sind aber an Maschinen delegierbar, was klare Vorteile mit sich bringt. Vor allem werden die Prozesse besser standardisiert und Flüchtigkeitsfehler vermieden. Automaten können den Mitarbeitern einen Teil der Arbeitslast abnehmen, die immer weiter wächst. Die alternde Bevölkerung wird den Instituten immer mehr Untersuchungsmaterial bescheren; gleichzeitig kommen stetig neue Analysemöglichkeiten und damit auch Anforderungen hinzu. Früher reichte es aus zu sagen, dass es sich bei einem Gewebe um ein invasives Karzinom handelt; heute ist es für die spätere Behandlung relevant, aus welchen Zelltypen es besteht und welche Gene darin exprimiert werden.
Zudem werden in Zukunft wohl die Fachkräfte knapp, die all das stemmen müssen. Da kommen Maschinen, die den Mitarbeitern einfachere Aufgaben abnehmen, wie gerufen. Das Assistenzpersonal kann sich dann auf die wirklich anspruchsvollen Herausforderungen konzentrieren, etwa auf den Gewebeschnitt oder die Qualitäts­sicherung.

Lange Amortisationsfristen
Allerdings sind vielen Institutsleitern heute die Hände beim Einkauf gebunden, denn die Vergütung im deutschen Gesundheitssystem deckt schon jetzt nicht immer die Kosten der Arbeit. Große Automaten im Wert von mehreren hunderttausend Euro amortisieren sich allenfalls über viele Jahre. Einige einfache Handgriffe können bisher durch Personal kostengünstiger erledigt werden als durch Maschinen.
Und die richtig komplexen Aufgaben bewältigen Computerprogramme ebenfalls noch nicht. So gibt es bisher zum Beispiel keine Applikation, die karzinogene Drüsen von Drüsen unterscheiden kann, die auf eine Schleimhautentzündung hinweisen. Es dauert also wohl noch einige Zeit, ehe die Pathologie denselben Automationsgrad erreicht wie die Labordiagnostik – wenn das überhaupt jemals der Fall sein wird.

 


Prof. Dr. med. Christopher Poremba,
Pathologie München-Nord, ZMOMP Düsseldorf

 

 

Ablaufschema der Arbeitsschritte
in der Pathologie (vereinfacht).
m = manuell, a = automatisierbar.