Auch im Jahr 2021 hat die Corona-Pandemie die Kongresslandschaft fest im Griff. Der Großteil der Kongresse und Jahrestagungen verschiedener Fachgesellschaften fand auch in diesem Jahr ausschließlich virtuell statt.
Dieses schloss auch die 57. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vom 4. bis 8. Juni und das 26. Jahrestreffen der European Hematology Association (EHA) vom 9. bis 17. Juni 2021 ein, denen wir den Schwerpunkt in dieser Ausgabe von Trillium Krebsmedizin widmen.
Im virtuellen Format konnten beide Kongresse erneut überzeugen. Trotz der Pandemie gelang es den Veranstaltern, ein hochkarätiges und abwechslungsreiches Programm mit teilweise praxisverändernden Studiendaten zusammenzustellen. Darüber hinaus wurden zahlreiche internationale Spezialisten im virtuellen Raum zusammengebracht, die ihr Fachwissen aktualisieren und neue Erkenntnisse austauschen konnten.
Das virtuelle Format eröffnete sogar neue Möglichkeiten der Kommunikation, auch wenn der persönliche Dialog natürlich schmerzlich fehlte. So tauschten sich beim ASCO Tausende von Kongressteilnehmern mit unzähligen Tweets unter dem offiziellen Kongress-Hashtag #ASCO21 aus.
In dieser Ausgabe von Trillium Krebsmedizin fassen wieder renommierte Experten aus Onkologie und Hämato-Onkologie die Highlights der beiden Kongresse in kompetenter Weise für Sie zusammen und ordnen die neuen Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Relevanz für den klinischen Alltag ein. Wie Sie es von unserer Zeitschrift gewohnt sind, kratzen die Schwerpunkt-Berichte nicht nur an der Oberfläche, um schnelle Schlagzeilen zu produzieren, sondern erlauben einen tiefen Einblick in die neuen Daten und ihre Bedeutung für die Versorgungsroutine.
Im Beitrag zum Mammakarzinom lenkt Prof. Andreas Schneeweiss, Heidelberg, den Blick auf eine zunehmend personalisierte Behandlung dieses Tumors, die auf einer molekularen Charakterisierung von Brustkrebs-Subtypen beruht. Exemplarisch für diese Entwicklung stehen die beim ASCO präsentierten Ergebnisse der OlympiA-Studie zum adjuvanten Einsatz des PARP-Inhibitors Olaparib. Hier bestätigte sich die Keimbahnmutation im BRCA1- und/oder BRCA2-Gen als prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf den PARP-Inhibitor. Die beim ASCO vorgestellten neuen Daten werden als Meilenstein in der Behandlung des frühen Mammakarzinoms gewertet.
Im Bereich der gynäkologischen Tumoren war beim diesjährigen ASCO die OUTBACK-Studie eines der Highlights. Wie Prof. Sven Mahner, München, und Kollegen in ihrem Beitrag berichten, konnte die lange ungeklärte Frage beantwortet werden, ob Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom nach einer Standard-Chemo-Radiotherapie von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren. Die für die Versorgungsroutine relevante Antwort lautet: nein.
Darüber hinaus wurden wichtige Studienergebnisse zum Endometrium- und zum Ovarialkarzinom vorgestellt. So untersuchte etwa die TOTEM-Studie aus Italien, ob eine intensivierte Nachsorge, u. a. mit apparativer Diagnostik, prognostische Vorteile für die Patientinnen bringt. Letztlich konnte das in Deutschland übliche Vorgehen bei der Nachsorge bestätigt werden.
In der Behandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) hat es in den letzten Jahren dramatische Fortschritte gegeben – durch die Entwicklung von sowohl Immun- als auch zielgerichteten Therapien. Dieser Trend setzte sich auch beim ASCO fort. So können Tumoren mit Treibermutationen in bestimmten Genen mit zielgerichteten Substanzen behandelt werden, und ein erheblicher Teil der übrigen Patienten profitiert inzwischen von einer Reihe zugelassener Immuncheckpoint-Inhibitoren. Insgesamt haben sich die Überlebenschancen der Patienten damit deutlich verbessert. Beim ASCO wurden wieder relevante neue Studiendaten rund um die Thorax-Onkologie vorgestellt. Eine Auswahl davon stellt Prof. Martin Reck, Großhansdorf, in seinem Beitrag vor. Der Schwerpunkt lag in diesem Jahr bei der Immunonkologie.
Prof. Sebastian Stintzing, Berlin, fasst in seinem Beitrag die Highlights zu den gastrointestinalen Tumoren zusammen. Im Hinblick auf das praxisverändernde Potential der Studienergebnisse stand in diesem Jahr der obere Gastrointestinaltrakt im Fokus. So ist etwa eine Kombination aus einem Checkpoint-Inhibitor mit Chemotherapie ebenso wie eine chemotherapiefreie duale Immuntherapie auf dem Weg zu einem neuen Erstlinienstandard für Patienten mit fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus. Auch für Adenokarzinome des Magens, des gastroösophagealen Übergangs und des Ösophagus bieten immuntherapeutische Ansätze neue Behandlungsperspektiven.
Prof. Viktor Grünwald, Essen, stellt in seinem Artikel die spannenden Daten zu urologischen Tumoren vor, einige davon mit praxisveränderndem Potential. Gleich zwei prominent präsentierte Late Breaking Abstracts beschäftigten sich beim diesjährigen ASCO mit urogenitalen Tumoren. So zeichnet sich eine adjuvante Therapieoption für Patienten mit lokalisiertem Nierenzellkarzinom und hohem Rückfallrisiko ab, während beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom die Radioligandentherapie beeindruckende Ergebnisse zeigte. Im Fokus der neuen Studienergebnisse zu urologischen Tumoren standen einmal mehr immunonkologische Strategien.
Im Bereich der Dermatoonkologie stand erneut das maligne Melanom im Fokus, wie Prof. Ralf Gutzmer, Minden, in seinem Beitrag berichtet. Studienupdates konnten zeigen, dass Patienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom auch langfristig von einer zielgerichteten Behandlung bzw. einer Immuntherapie profitieren. Als besonders vielversprechend im palliativen Setting erwies sich eine immunonkologische Kombinationstherapie, bei der neben einem PD-1-Inhibitor ein neuer Checkpoint-Inhibitor zum Einsatz kam. Auch in früheren Stadien des Melanoms gab es Fortschritte. Während die adjuvante Therapie mit zielgerichteten Therapeutika und Immunonkologika beim resezierten malignen Melanom im Stadium III bereits etabliert ist, erweist sich die neoadjuvante Therapie des metastasierten Melanoms als spannendes Forschungsgebiet. Auch dazu gab es beim ASCO neue Daten.
Im Hinblick auf hämatologische Malignome hat sich der ASCO als Kongress für innovative Studiendaten enorm gemausert. War die Hämatologie früher bei der Jahrestagung stark unterrepräsentiert, hat sich das in den letzten Jahren geändert: In drei großen Oral Abstract Sessions wurden interessante neue Resultate vor allem zu Leukämien, Lymphomen und zum Multiplen Myelom präsentiert; einige dieser Daten kamen ein bis zwei Wochen später beim EHA erneut zur Sprache. Wegen dieser Überlappung von Studienergebnissen haben wir uns entschieden, die bei ASCO und EHA vorgestellten Daten in einem gemeinsamen Beitrag für Sie aufzubereiten. Sie dürfen einen bunten Querschnitt durch die drei genannten Gruppen von hämatologischen Krankheiten erwarten.
Ich bin sicher, dass unsere umfassende Berichterstattung von ASCO und EHA auch in diesem Jahr keine Wünsche offenlässt und hoffe sehr, dass Sie die neuen Erkenntnisse mit in den klinischen Alltag nehmen können.
An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf unsere erfolgreiche Serie „Vom Biomarker zur Therapie" hinweisen, von der in dieser Ausgabe bereits der 13. Teil erscheint. Dieses Mal geht es um die Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Mit Prof. Albrecht Stenzinger und PD Dr. Matthias Kloor aus Heidelberg und ihren Kollegen haben wir ausgewiesene Experten für diese Thematik gewinnen können.