Das Mammakarzinom: ein Beispiel für die Vielfalt von Tumoren
Dass Tumoren eines bestimmten Organs nach einem festen, einheitlichen Schema behandelt werden können, ist heute eher die Ausnahme. In fast allen anderen Fällen hat sich eine vor zwei Jahrzehnten noch schwerlich vorstellbare Aufsplitterung der Diagnosen vollzogen: Tatsächlich entsteht bei Anwendung moderner molekularbiologischer Methoden manchmal der Eindruck, dass keine zwei Tumoren – selbst wenn sie aus dem gleichen Gewebe abstammen – identisch sind. Diese immer wieder erstaunliche Vielfalt an Tumorbiologien hat Konsequenzen nicht nur für die Prognose, sondern sie markiert vor allem in vielen Fällen Angriffspunkte, an denen der jeweilige Tumor verletzlich ist – sofern die Pharmakologie dazu passende Medikamente findet.
Ein sehr frühes Beispiel für die Differenzierung eines Tumors in unterschiedliche biologische Klassen war die Erkenntnis, dass es Mammakarzinome gibt, die für ihr Wachstum von Geschlechtshormonen abhängen, weil sie die Rezeptoren für diese Hormone exprimieren. Die Entwicklung von Inhibitoren, die die Produktion oder Wirkung dieser Hormone unterbinden, hat solche endokrin abhängigen Brusttumoren zu den am besten behandelbaren Malignomen gemacht.
Ein weiterer Meilenstein war die Entdeckung und Beschreibung des Onkoproteins HER2 durch Dennis Slamon in den 1980er-Jahren. Die Möglichkeit zur Entwicklung monoklonaler Antikörper verhalf dann auch hier zu einem therapeutischen Durchbruch, wenngleich es noch mehr als ein Jahrzehnt dauerte, bis Anfang der 2000er-Jahre der erste HER2-Antikörper zugelassen werden konnte.
Mammakarzinome, die keine Hormonrezeptoren und auch kein HER2 aufweisen, sind heute noch schwieriger zu therapieren, zumal es sich auch hier keineswegs um eine einheitliche Gruppe von Tumoren handelt. Die Fortschritte bei der Charakterisierung dieser Tumoren sind aber rasant, und neue Therapien sind mit Sicherheit in den nächsten Jahren zu erwarten – nicht zuletzt deshalb, weil sich die Suche nach pathogenetischen Besonderheiten schon lange nicht mehr auf den Tumor selbst beschränkt: Dem Microenvironment des Tumors wird mittlerweile ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie dem Immunsystem: Immunonkologische Therapien, die in den letzten Jahren in fast der gesamten Onkologie Furore gemacht haben, stehen wohl auch beim Mammakarzinom kurz vor der Einführung.
Der Überblick zur systemischen Therapie, der im Schwerpunkt dieses Hefts von Trillium Krebsmedizin zu finden ist, stellt also daher nur eine Momentaufnahme dar, die in einem Jahr schon wieder einer Aktualisierung bedarf.
P.S. Der Schwerpunkt zu pädiatrischen Tumoren – für Heft 8/2018 vorgesehen – geriet so umfangreich, dass er auf mehrere Hefte verteilt wurde: In dieser Ausgabe finden sich die letzten Beiträge: zu Sarkomen, seltenen Tumoren und zu dem außerordentlich wichtigen Thema der Langzeitnachsorge und der Spätfolgen nach Krebserkrankungen von Kindern und Jugendlichen.