Brustkrebs: Genexpressionstest vermeidet Übertherapie
Ein günstiges Testergebnis im Genexpressionstests Oncotype DX kann Frauen mit frühem hormonsensiblem Mammakarzinom eine postoperative Chemotherapie ersparen. Prospektiv ermittelte Überlebensdaten aus zwei großen Studien bestätigen die hohe Vorhersagekraft des Tests.
Frauen mit Östrogenrezeptor (ER)-positivem/HER2-negativem Mammakarzinom können auf eine Chemotherapie verzichten, wenn Oncotype DX ihnen ein geringes Rezidivrisiko bescheinigt. Anhand der Aktivität ausgewählter Tumorgene gibt ein Recurrence-Score das 10-Jahres-Rückfallrisiko der Patientin an – bei einem niedrigen Recurrence-Score-Wert wird keine Chemotherapie benötigt. Oncotype DX ist der einzige prospektiv evaluierte Genexpressionstest. Die Brustkrebs-Expertin Prof. Dr. Nadia Harbeck, München, plädierte deshalb ebenso wie die Patientenvertreterin Renate Haidinger (Brustkrebs Deutschland e. V.) für eine rasche Aufnahme des Oncotype DX-Tests in die Regelversorgung. „Der Test hilft bei der Therapieentscheidung und trägt dazu bei, Über- und Untertherapien in der Versorgung von Frauen mit Brustkrebs zu vermeiden“, sagte Harbeck. „Die jetzt vorliegenden Studiendaten validieren den Oncotype DX-Text auf höchstem Evidenzniveau“. Harbeck bezog sich dabei auf die Ergebnisse der multinationalen TAILORx-Studie, die kürzlich auf dem European Cancer Congress vorgestellt wurden.
Weniger als 1% Fernrezidive nach fünf Jahren
An der Studie hatten über 10.000 Brustkrebspatientinnen (ER-positiv, HER2-negativ, nodal negativ) teilgenommen, die mithilfe von Oncotype DX auf verschiedene Therapiegruppen randomisiert wurden. Knapp 16% der Frauen hatten einen Recurrence-Score-Wert von ≤ 10 und wurden postoperativ ausschließlich antihormonell behandelt. Nach fünf Jahren betrug ihre Fernrezidiv-freie Überlebensrate 99,3% bei einer Gesamtüberlebensrate von 98% [1]. „Der mit dem Oncotype DX-Test ermittelte Score-Wert liefert zuverlässige Informationen, ob eine Chemotherapie nötig ist, und zwar unabhängig von anderen klinisch-pathologischen Prognosefaktoren“, so Harbeck.
Die positiven Ergebnisse würden durch eine weitere, in Israel durchgeführte Versorgungsstudie untermauert. Diese schloss 930 Patientinnen ein, deren Therapie am Oncotype DX Recurrence-Score ausgerichtet worden war. Bei Frauen mit niedrigem Rezidivrisiko wurde unter Verzicht auf Chemotherapie ein brustkrebsfreies Überleben von 99,8% erreicht im Vergleich zu 96% in der Hochrisikogruppe, letztere erhielt zu 85% eine Chemotherapie [2]. Dabei ermittelte der Genexpressionstest auch bei 26% der Patientinnen mit schlecht differenziertem Tumor und bei 40% der Patientinnen mit einer Tumorgröße > 2 cm ein niedriges Rezidivrisiko – diese Frauen wären aufgrund ihrer klassischen Risikokonstellation Kandidatinnen für eine Chemotherapie gewesen.
Auch die Ergebnisse der in Deutschland durchgeführten prospektiven PlanB-Studie stützen den hohen prädiktiven Wert von Oncotype DX, der im Vergleich zu anderen Genexpressionstests laut Harbeck über die derzeit beste Datenlage verfügt. In der PlanB-Studie wurde bei Patientinnen mit primärem Mammakarzinom (ER-positiv, HER2-negativ, bis zu drei befallene Lymphknoten) der Oncotype DX-Test für die Therapieentscheidung herangezogen; Patientinnen mit niedrigem Recurrence-Score-Wert (≤ 11) erhielten keine zusätzliche Chemotherapie [3]. Sie waren nach drei Jahren zu 98,3% rezidivfrei, obwohl sie vor Vorliegen des Oncotype DX-Testergebnisses als Hochrisikopatientinnen gegolten hatten (u. a. wegen Alter ≤ 35 Jahre, Tumorgröße > 2cm, Grading 2–3).
Harbeck geht davon aus, dass sich bei regelhafter Anwendung des Tests 20–50% der Chemotherapien erübrigen. Sie bedauerte in diesem Zusammenhang, dass aufgrund der in Deutschland unbefriedigenden Erstattungssituation die Testung noch nicht flächendeckend eingeführt ist. Der Genexpressionstest Oncotype DX steht seit 2004 zur Verfügung und wird in nationalen und internationalen Leitlinien (AGO, ESMO, ASCO) zur Prädiktion des Rezidivrisikos bei primärem invasivem Mammakarzinom (ER-positiv, HER2-negativ) empfohlen.
Personalisierte Diagnostik spart Kosten
Die Einbeziehung Genom-basierter Tests erleichtert nicht nur die individuelle Therapieentscheidung, sondern bringt auch Kostenvorteile. Dabei gehe es nicht nur um die Einsparung von Medikamenten, wie Renate Haidinger erläuterte. Ohne Chemotherapie könnten Patientinnen schneller wieder in den Alltag eingegliedert werden. „Auch ist nicht einzusehen, dass eine Chemotherapie mit all ihren Nebenwirkungen und möglichen Langzeitfolgen akzeptiert werden soll, in Fällen, wo sie keinen Zusatznutzen hat“. Ihre Patientenorganisation wünsche sich auf Grundlage der vorhandenen Daten eine unkomplizierte Übernahme der Kosten für den Oncotype DX-Test, wenn eine Entscheidung für oder gegen Chemotherapie ansteht.
Zurzeit werden für die ADAPT-Studie in Deutschland noch ER-positive Brustkrebspatientinnen rekrutiert. Etwa 3.600 von geplanten 5.000 Patientinnen sind bereits eingeschlossen. In der multizentrischen Studie werden an einer Stanzbiopsie Recurrence-Score und Ki-67-Wert ermittelt. Die Patientin erhält sofort eine neoadjuvante endokrine Therapie. Bei der nach drei Wochen erfolgenden Operation werden mittels erneuter Biopsie Vergleichswerte erhoben. Frauen mit mittlerem Recurrence-Score-Ergebnis und gutem Ansprechen auf die endokrine Therapie erhalten unter Umständen ebenfalls die Empfehlung, sich auf die Hormontherapie zu beschränken.
Beate Grübler
Literatur
1. Sparano JA et al. N Engl J Med 2015, Sep 27 [Epub ahead of print, DOI 10.1056/NEJMoa1510764].
2. Stemmer S et al. ECCO/ESMO 2015, Abstract #1963.
3. Nitz U et al. SABCS 2014, Poster P4-11-01.
Pressegespräch „Evidenzlage sehr gut – Erstattung mangelhaft“, München, 13.10.2015, veranstaltet von Genomic Health GmbH.