Immuntherapie: Bessere Selektionskriterien für den Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren gesucht

Checkpoint-Antikörper haben die Therapie bei ausgewählten Krebserkrankungen deutlich vorangebracht, insbesondere beim malignen Melanom und beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC). Beim US-amerikanischen Krebskongress ASCO 2016 Anfang Juni in Chicago zählte die Krebsimmuntherapie wieder zu den Schwerpunktthemen. Gesucht werden derzeit bessere Selektionskriterien, um Patienten mit vermutlich gutem Ansprechen gezielt für die Immuntherapie auszuwählen.

„Es war ein ASCO der kleinen Signale mit der Immuntherapie als beherrschendem Thema“, so Prof. Jürgen Wolf vom Universitätsklinikum Köln. Positive Daten wurden u. a. zu neuen Krebs-Immuntherapeutika wie dem Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab vorgestellt. Besonders beeindruckend war in der Phase-II-Studie POPLAR bei Patienten mit vorbehandeltem NSCLC die Dauer des Benefits bei Ansprechen auf die Therapie, sagte Prof. Dirk Jäger, Heidelberg. Je länger die Nachbeobachtungszeit war, desto größer war der Überlebensvorteil der Atezolizumab-Gruppe im Vergleich zu Patienten mit der Standardchemotherapie Docetaxel. Nach einem Follow-up von mindestens 20 Monaten betrug der Überlebensvorteil im Median fast 3 Monate (12,6 vs. 9,7 Monate; p = 0,011; [1]). Die Vorteile der Immuntherapie zeigten sich in allen Patientensubgruppen unabhängig von der PD-L1-Expression.
Eine künftige Strategie bei fortgeschrittenem NSCLC könnte die Kombination von Krebs-Immuntherapeutika sein. In einer kleinen Studie wurden mit der First-line-Kombination des PD1-Anti­körpers Nivolumab und des CTLA-4-Antikörpers Ipilimumab Ansprechraten von 39% bzw. 47% erzielt, deutlich höher als bei einer Monotherapie [2]. Von den Patienten mit starker PD-L1-Expression sprachen fast 100% an, sagte Jäger. Die Toxizität sei durch die Kombinationstherapie nur moderat erhöht worden. Zu den Vorteilen der Krebs-Immuntherapie zählt die deutlich geringere Grad3-Toxizität im Vergleich zu einer Chemotherapie.
Auch bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom wurden mit Atezolizumab in der Erstlinie bei Patienten, die nicht für eine Cisplatin-basierte Chemotherapie infrage kamen, gute Ergebnisse erzielt. Insgesamt wurde bei 24% der Patienten ein objektives Ansprechen erreicht, bei Patienten mit einem Tumor im oberen Harntrakt lag die Ansprechrate bei 42%, berichtete Prof. Kurt Miller, Berlin. Die 12-Monats-Überlebensrate lag bei 57% [3].
„Im nächsten Schritt muss die Immuntherapie zur Präzisionsimmuntherapie werden“, sagte Wolf. Denn trotz der deutlichen Überlegenheit gegenüber der Chemotherapie sprechen eben auch nur rund 20–25% der Lungenkarzinom-Patienten und rund 20% der Melanom-Patienten anhaltend auf ein Immuntherapeutikum an, d. h. bis zu 80% der Patienten werden umsonst behandelt. Das Ziel sei es, künftig besser zu verstehen, wer anspricht, sagte Wolf. Ansätze zur Vorhersage des Ansprechens auf eine Immuntherapie gibt es. So ist die Höhe der PD-L1-Expression und die Höhe der Mutationslast prädiktiv für die Wirksamkeit einer PD1-/PD-L1-Blockade. Aber es können eben auch PD-L1-negative oder Patienten mit geringer Mutationslast von der Therapie profitieren. Auch das Mi­kromilieu des Tumors und die Zahl der Immunzellen in seiner Umgebung scheinen für das Ansprechen auf die Immuntherapie von Bedeutung zu sein. Hier ist aber noch weitere Forschung nötig. Es sollten regelmäßige Biopsien erfolgen, um künftig die Biologie von Tumoren besser zu verstehen, sagte Wolf.
Von den beim ASCO-Kongress vorgestellten Ergebnissen zur zielgerichtet wirkenden Krebstherapie mit Kinasehemmern zeigte sich der Onkologe etwas enttäuscht. „Ein Durchbruch der Präzisionsmedizin wie beim NSCLC steht vor allem für die großen Tumorentitäten wie Mamma-, Prostata- und Kolonkarzinom weiter aus“, so Wolf. Eine künftige Strategie könnte nach seinen Worten die Kombination von Immuntherapie und zielgerichtet wirkenden Medikamenten bei ausgewählten Patienten sein. Das Target sei dabei nicht direkt die Tumorzelle, sondern die Immuntoleranz gegenüber Tumorzellen.
Ein positives Beispiel für eine gezielte Krebs-Immuntherapie lieferte eine kleine Studie bei Patienten mit kolorektalen Karzinomen, bei denen der MEK-1/2-Hemmstoff Cobimetinib und Atezolizumab in Kombination eingesetzt wurden [4]. Während in der Gesamtgruppe kein Ansprechen beobachtet wurde, gab es eine Gruppe von Patienten mit Mikrosatelliten-instabiler Erkrankung, die gut von der PD-L1-Blockade profitierten.

Roland Fath

Literatur
1. Smith D et al. ASCO 2016, Abstract #9028.
2.Hellmann MD et al. ASCO 2016, Abstract #3001.
3. Balar AV et al. ASCO 2016, Abstract #LBA4500.
4. Bendell JC et al. ASCO 2016, Abstract #3502.

Fachpresseveranstaltung „Aktuelles vom amerikanischen Krebskongress 2016“ am 22.6.2016 in Hamburg, veranstaltet von Roche Pharma AG, Grenzach-Whylen.