Frühes Mammakarzinom: wann Indikation für adjuvante Chemotherapie?
Die Entwicklung der Therapie des Mammakarzinoms ist eine Erfolgsgeschichte: Heute werden 85% aller Patientinnen geheilt, und drei Viertel können auch noch brusterhaltend operiert werden. Treten Metastasen auf, dann liegt die mediane Überlebensdauer allerdings nur mehr bei etwa zwei Jahren, so Marion Kiechle, München. Bei bestimmten Konstellationen besteht ein relativ hohes Rezidiv- bzw. Metastasierungsrisiko, sodass eine adjuvante Chemotherapie angezeigt ist. Welche Patientinnen davon profitieren können und welchen man die Chemotherapie ersparen kann, das lässt sich durch Genexpressions-Tests aus Tumorgewebe heute mit ziemlich hoher Sicherheit vorhersagen.
Patientinnen mit frühem Hormonrezeptor-negativem und/oder HER2-positivem Mammakarzinom sollten auf jeden Fall eine adjuvante Chemotherapie erhalten, weil ihr Metastasierungsrisiko sehr hoch ist, so Frau Kiechle. Schwieriger stellt sich die Situation bei Hormonrezeptor-positiven und HER2-negativen Tumoren dar, weil sie ganz unterschiedlich aggressiv sein können. Die Aggressivität, die mit dem Metastasierungsrisiko korreliert, lässt sich heute mit Genexpressionstests abschätzen. Ein solcher Test, so Frau Kiechle, sollte robust sein, um auch in einem dezentralen Setting, idealerweise in jedem pathologischen Labor, durchführbar zu sein. Er muss das Risiko für eine Fernmetastasierung zuverlässig angeben: Liegt es nach zehn Jahren bei höchstens 10%, so wird eine Chemotherapie als unnötig erachtet, weil sie dieses Risiko um etwa 3% senken würde – genauso hoch ist aber das Risiko, von der Chemotherapie schwere Nebenwirkungen davonzutragen. Die Trennschärfe des Genexpressionstests ist also entscheidend, und hier hat sich der EndoPredict®-Test als besonders leistungsfähig erwiesen: Neben genetischen Daten (Expression bestimmter Gene im Tumor – der EP-Score) werden dabei auch klinische Parameter wie die Tumorgröße und der Nodalstatus berücksichtigt, die zusammen mit dem EP-Score einen EPclin-Score ergeben. Dieser weist eine hohe Trennschärfe zwischen Niedrig- und Hochrisiko-Konstellationen auf.
In einer im Dezember 2015 beim San Antonio Breast Cancer Symposium vorgestellten retrospektiven britischen Studie hatten 5,8% der vom EndoPredict®-Test in die Niedrigrisiko-Gruppe eingestuften Patientinnen Fernmetastasen entwickelt gegenüber 10,1% derer, die mit einem anderen Genexpressionstest untersucht worden waren [1]. Bei nodal positiven Patientinnen, bei denen es ebenfalls Frauen mit sehr guter Prognose gibt, war das Missverhältnis mit 5% versus 25,1% noch eklatanter.
In ihrer Klinik im Klinikum der Technischen Universität München, so Frau Kiechle, wurde EndoPredict® seit 2012 bei knapp 600 Patientinnen eingesetzt, von denen der Test etwa zwei Dritteln ein niedriges Risiko attestierte. Bei den Tumorboard-Entscheidungen konnten 34% der ansonsten fälligen Chemotherapien vermieden werden, während umgekehrt 8% der Patientinnen, die nach rein klinischen Kriterien nicht behandelt worden wären, eine Chemotherapie bekamen, weil der Test ein höheres Risiko angab. EndoPredict® wird von allen gängigen Leitlinien (AGO, ESMO, DGHO) und mittlerweile auch von der American Society of Clinical Oncology (ASCO) empfohlen, obwohl die Zulassung für die USA erst für Ende 2016 erwartet wird.
Die Kosten für den Test, die sich auf etwa 1.800 Euro belaufen, werden von privaten Krankenversicherungen übernommen, bei den gesetzlichen Krankenkassen muss ein Antrag gestellt werden.
Josef Gulden
Literatur
1. Dowsett M et al. EndoPredict (EPclin) score for estimating residual distant recurrence (DR) risk in ER+/HER2- breast cancer (br ca) patients treated with 5 years adjuvant endocrine therapy alone: Validation and comparison with the oncotype DX recurrence score (RS). San Antonio Breast Cancer Symposium 2015, Abstract #S3-01.
Vortrag beim Medizinjournalisten-Stammtisch am 8.3.2016 in München, unterstützt von Sividon Diagnostics GmbH, Köln.