Fortschritte bei seltenen hämatologischen Erkrankungen

Die meisten malignen hämatologischen Erkrankung sind im Vergleich zu den „großen“ soliden Tumoren selten, aber auch gibt noch seltenere Entitäten – bei denen gleichwohl in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte erzielt wurden: zum Beispiel bei der akuten myeloischen Leukämie, beim Mantelzell-Lymphom und beim Morbus Waldenström.

Alter und Zytogenetik sind die stärksten Prädiktoren für die Heilungschancen bei einer akuten myeloischen Leukämie (AML), so PD Dr. Christoph Röllig, Dresden. Während man bei jüngeren und fitten Patienten auch bei hohem oder intermediärem Risiko durch eine intensive Chemotherapie und gegebenenfalls eine allogene Stammzelltransplantation durchaus Heilungen erreichen kann, schwinden die Aussichten darauf mit zunehmendem Alter immer mehr. Hier ist das Therapieziel eine Überlebensverlängerung, und dazu bieten die neuen epigenetisch wirksamen Medikamente mit hypomethylierendem Mechanismus – Decitabin und Azacitidin – gute Chancen: So konnte Decitabin (Dacogen®) in einem solchen Patientenkollektiv im Vergleich zu einer konventionellen Therapie die Gesamtüberlebenszeiten von median 5,0 auf 7,7 Monate signifikant verlängern (Hazard Ratio 0,82; p = 0,037; [1]).
Hypomethylierende Substanzen zeigen ein verzögertes Ansprechen, so Röllig – daher gilt es auf jeden Fall zu beachten, dass man die Therapie auch bei ausbleibendem Ansprechen nicht zu früh absetzt. Zeigt sich ein Ansprechen, ist eine Dauertherapie bis zum Progress angezeigt, denn nach dem Absetzen stellt sich sehr schnell wieder ein Progress ein [2]. Tritt nach der Therapie mit einer hypomethylierenden Substanz ein Rezidiv auf, so ist es nicht sinnvoll, auf das jeweils andere Medikament umzusteigen; vielmehr ist dann niedrig dosiertes Cytarabin, orales Melphalan oder die Aufnahme in eine klinische Studie angezeigt.

Mantelzell-Lymphom

Im Jahr 2014 wurden in Deutschland insgesamt 727 Mantelzell-Lymphome diagnostiziert. Die langfristige Prognose dieser damit ziemlich seltenen Erkrankung ist die schlechteste von allen Lymphomen, so Prof. Georg Hess, Mainz, und hängt weniger vom Alter als vielmehr vom vorab bestimmbaren Risiko anhand des MIPI-c-Scores ab.
Für Patienten im Rezidiv steht seit Kurzem der BTK-Inhibitor Ibrutinib (Imbruvica®) zur Verfügung, der jüngst in einer randomisierten Vergleichsstudie des European Mantle Cell Lymphoma Network gegenüber dem ebenfalls für die rezidivierte Situation zugelassenen mTOR-Inhibitor Temsirolimus eine Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um 57% bewirkte (HR 0,43; p < 0,0001; [3, 4]).
Beim Gesamtüberleben ist der Unterschied mit einer HR von 0,76 bemerkenswert, aber noch nicht signifikant – was auch am Cross-over etwa eines Viertels der Patienten im Temsirolimus-Arm in den Ibrutinib-Arm liegen mag. Untersucht werden derzeit beim Mantelzell-Lymphom auch Kombinationen von Ibrutinib mit Chemo- bzw. Chemoimmuntherapien.

Morbus Waldenström

Der Morbus Waldenström ist eine der seltensten hämatologischen Erkrankungen überhaupt; dennoch zeichnet sich hier mittlerweile eine weitere Untergliederung anhand von molekulargenetischen Markern ab. Standard in der Erstlinie ist derzeit eine Immunchemotherapie mit Rituximab, aber in letzter Zeit findet eine zunehmende Abwendung von der Chemotherapie statt, so Prof. Christian Buske, Ulm. In der rezidivierten oder refraktären Situation hat sich hier ebenfalls eine Monotherapie mit Ibrutinib mit einer Gesamtansprechrate von 90,5% empfohlen [5]. Allerdings scheint das Ansprechen vom Mutationsstatus der beiden Gene MYD88 und CXCR4 abzuhängen.
Das European Waldenström´s Macro­globulinemia Consortium vergleicht derzeit in einer Phase-III-Studie bei vorbehandelten Patienten eine prolongierte Rituximab-Therapie mit einer Kombination aus dem Antikörper und Ibrutinib. Die ESMO-Leitlinie zum Morbus Waldenström sieht Ibrutinib derweil schon in der Erstlinie vor, wenn ein Patient nicht für eine Chemoimmuntherapie infrage kommt [6].

Josef Gulden

Literatur
1. Kantarjian H et al. J Clin Oncol 2012; 30: 2670-7.
2.Cabrero M et al. Leuk Res 2015; 39: 520-4.
3.  Rule S et al. ASH 2015, Abstract #469.
4. Dreyling M et al. Lancet 2016; 387: 770-8.
5. Treon S et al. N Engl J Med 2015; 372: 1430-40.
6. Buske C et al. Ann Oncol 2013; 24 (Suppl 6): vi155-9.

 

Satellitensymposium „Seltene Entitäten in der Hämatologie“ beim 32. Deutschen Krebskongress am 25.2.2016 in Berlin, unterstützt von Janssen-Cilag GmbH, Neuss.