Immunonkologie: Bei vielen Tumorentitäten im klinischen Test

Die Immuncheckpoint-Inhibitoren sind dabei, einen Großteil der Onkologie zu erobern: Außer einer Reihe von – ziemlich unspezifisch wirkenden – Zytostatika gibt es wohl kaum eine Klasse von Medikamenten, die bei so vielen verschiedenen Tumorentitäten so deutlichen Nutzen bringt. In einem Symposium im Rahmen der DGHO-Jahrestagung ging es im Kontext der Checkpoint-Inhibition denn auch um so unterschiedliche Krankheitsbilder wie Melanom, Lungentumoren, Nierenzellkarzinom und Lymphome.

Beim Melanom ist die immunologische Reaktivität am längsten bekannt. Die Gabe von Interferon und Interleukin 2 wurde in zahlreichen Studienansätzen getestet – mit sehr bescheidenen Erfolgen. Erst die genauere Kenntnis der immunologischen Mechanismen, die die Aktivität von T-Lymphozyten bremsen (v. a. um Autoimmunreaktionen zu verhindern), hat in jüngster Zeit zu wirklichen Erfolgen geführt.
Ipilimumab war der erste Schritt auf diesem Weg mit langfristigen Ansprech- und womöglich Heilungsraten von rund 20% beim metastasierten Melanom, wie sie zuvor nicht vorstellbar waren. Sogar Hirnmetastasen sprachen auf den Antikörper an, der allerdings den Nachteil ziemlich häufiger Nebenwirkungen hat, vor allem teils schwerer Autoimmunreaktionen gegen Gastrointestinaltrakt, Haut, Nervensystem und endokrine Organe. Hat der behandelnde Arzt allerdings ausreichende Erfahrung im Management solcher Nebenwirkungen, so sind sie gut beherrschbar, so Prof. Stephan Grabbe, Mainz. Analysen zeigen, dass eine konsequente Behandlung der Toxizitäten, gegebenenfalls mit Steroiden, die therapiefreie Zeit für den Patienten deutlich verlängert, insbesondere weil dann die komplette Ipilimumab-Therapie (vier Infusionen) gegeben werden kann: Das beeinflusst entscheidend die Überlebenschancen der Patienten.
Besser verträglich als Ipilimumab und vermutlich auch noch wirksamer ist der PD-1-Antikörper Nivolumab, mit dem nach drei Jahren noch 41% der Patienten mit metastasiertem Melanom am Leben sind. Die Nachbeobachtungszeiten mit Nivolumab sind noch nicht so lang, aber bereits jetzt zeichnet sich aus den genannten Gründen ab, so Grabbe, dass der PD-1- den CTLA-4-Antikörper in der Erstlinientherapie verdrängen wird. Die Frage, ob eine Kombination beider Substanzen die Ergebnisse noch verbessern kann, wurde durch eine Phase-III-Studie teilweise bejaht: Das progressionsfreie Überleben war unter der Kombination länger als unter Nivolumab alleine und sehr viel länger als unter der alleinigen Ipilimumab-Therapie. Allerdings zeigte sich bei genauem Hinsehen, dass dieser Vorteil nur für Patienten galt, deren Tumoren keine Expression des PD-1-Liganden PD-L1 zeigten: Hier scheint Ipilimumab einen zusätzlichen Nutzen zu bringen, während bei PD-L1-negativen Tumoren kein Unterschied zu sehen war. Ansprechraten von 53–61% und 2-Jahres-Überlebensraten von 88% sprechen dafür, so Grabbe, dass die Kombination von CTLA-4- und PD-1-Antikörper die Zukunft der Therapie des fortgeschrittenen Melanoms sein wird, wobei PD-L1-exprimierende Tumoren möglicherweise mit einer Monotherapie mit einem PD-1-Inhibitor auskommen werden.

NSCLC: Wirksam auch bezüglich Lebensqualität

Auch beim fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) waren die therapeutischen Optionen bislang sehr eingeschränkt. In der CheckMate-017-Studie wurden Patienten mit NSCLC mit plattenepithelialer Histologie randomisiert, entweder Nivolumab oder den alten Standard Docetaxel zu erhalten, so Prof. Martin Schuler, Essen. Die Gesamtüberlebensraten unter dem PD-1-Inhibitor waren sowohl nach einem (42% vs. 24%) als auch nach zwei Jahren (28% vs. 13%) deutlich überlegen (Hazard Ratio 0,62; p = 0,0004) – bei beinahe vernachlässigbaren Raten an Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher (7% vs. 57% unter Docetaxel) und entsprechend deutlich verbesserter Lebensqualität. Aufgrund dieser Daten ist Nivolumab auch bereits zur Behandlung des Plattenepithelkarzinoms der Lunge nach vorheriger Chemotherapie zugelassen. Die Ergebnisse der CheckMate-057-Studie deuten darauf hin, dass Nivolumab auch bei nicht-plattenepithelialer Histologie ähnlich wirksam ist.

Nierenzellkarzinom: "Treatment beyond progression"?

Die jüngst beim Europäischen Krebskongress in Wien vorgestellte CheckMate-025-Studie zeigte, dass Nivolumab auch beim vorbehandelten Nierenzellkarzinom hochwirksam ist, so Dr. Friedrich Overkamp, Hamburg: Es konnte gegenüber dem mTOR-Inhibitor Everolimus die Gesamtüberlebenszeit von median 19,6 auf 25,0 Monate signifikant verlängern (HR 0,73; p = 0,0018). Etwa die Hälfte der Patienten zeigte ein Ansprechen, das bei den meisten bereits länger als ein Jahr anhält. Es sieht so aus, als ob eine Behandlung mit Nivolumab über eine Progression hinaus ebenfalls das Überleben gegenüber denen verlängern könnte, bei denen die Therapie bei Progression eingestellt wurde. In der Phase-III-Studie CheckMate-214 wird Nivolumab in Kombination mit Ipilimumab beim fortgeschrittenen klarzelligen Nierenzellkarzinom gegenüber dem antiangiogenen Tyrosinkinaseinhibitor Sunitinib getestet.

Vor allem das Hodgkin-Lymphom spricht an

In einer Phase-I-Studie mit verschiedenen Formen von Lymphomen konnte Nivolumab schließlich insbesondere beim Hodgkin-Lymphom mit Ansprechraten von über 85% aufwarten (mit 26% Komplettremissionen); bei Non-Hodgkin-Lymphomen lagen die Raten bei bis zu 40%. Viele der Remissionen sind lang anhaltend, aber auch hier wird sich die Frage nach sinnvollen Kombinationen stellen, um die Wirksamkeit noch zu verstärken, so Prof. Martin Dreyling, München.

Josef Gulden


Satellitensymposium „Immunonkologie – Wir schreiben Geschichte: Solide Tumoren und hämatologische Erkrankungen“ im Rahmen der DGHO-Jahrestagung am 10.10.2015 in Basel, unterstützt von Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA, München.