Beim Ovarialkarzinom besteht großer Bedarf an neuen, wirksameren Therapie­möglichkeiten. Für Patientinnen mit einem Platin-sensitiven Rezidiv mit BRCA-Mutation (entweder in der Keimbahn oder im Tumor) steht ab Juni mit Olaparib der erste PARP-Inhibitor (PARP = Poly-ADP-Ribose-Polymerase) als zielgerichtete Erhaltungstherapie zur Verfügung. In der Zulassungsstudie bewirkte Olaparib eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens von median 4,3 Monaten unter Placebo auf 11,2 Monate [1].

 

In Deutschland erkranken jährlich etwa 7.500 Frauen an einem Ovarialkarzinom [2], von denen ungefähr 70% binnen drei Jahren nach der primären Chemotherapie ein Rezidiv erleiden. Fünf Jahre nach der Diagnose leben noch etwa 42% der Patientinnen [2]. Das Erkrankungsrisiko für ein Ovarialkarzinom wird durch Mutationen der Tumorsuppressor-Gene BRCA1 bzw. BRCA2 (BRCA = breast cancer susceptibility gene) auf 40–60% bzw. 10–20% erhöht [3–6]. Etwa zwei von drei Tumoren weisen den aggressiveren „high grade“ serösen histologischen Subtyp auf [7, 8].
Der Wirkung von PARP-Inhibitoren liegen Defekte in DNA-Reparaturmechanismen zugrunde, die mit Mutationen im BRCA1- und BRCA2-Gen assoziiert sind, so Andreas du Bois, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie, Kliniken Essen-Mitte. Indem man den PARP-Komplex hemmt, schaltet man einen wesentlichen Reparaturmechanismus für Einzelstrang-Brüche in der DNA der Tumorzelle aus – es kann dadurch leichter zu Doppelstrangbrüchen bei der Zellteilung kommen, die in gesunden Zellen repariert werden können, nicht so leicht jedoch in Tumorzellen mit Mutationen in BRCA1 oder BRCA2. Es kommt in diesen Zellen zu genomischer Instabilität und in der Folge zur Apoptose [9, 10].

Senkung des Progressions­risikos

Zugelassen wurde Olaparib (LynparzaTM) als erster PARP-Inhibitor zur Erhaltungstherapie für Patientinnen mit einem Platin-sensitiven Rezidiv eines „high grade“ serösen epithelialen Ovarial-, Eileiter- oder primären Peritonealkarzinoms mit BRCA-Mutation (in der Keimbahn und/oder somatisch), die auf eine Platin-basierte Chemotherapie vollständig oder partiell angesprochen haben [11]. In der Phase-III-Studie, die zur Zulassung führte, konnte eine Erhaltungstherapie mit Olaparib die progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) von Patientinnen mit Ovarialkarzinom und BRCA-Mutation von median 4,3 Monaten unter Placebo auf 11,2 Monate verlängern (Hazard Ratio 0,18; 95%-Konfidenzintervall 0,10–0,31; p < 0,0001; [1]).
„Eine Hazard Ratio von 0,18, also eine Risikoreduktion von über 80 Prozent, haben wir noch mit keiner Sub­stanz beim rezidivierten Ovarialkarzinom gesehen“, so du Bois. Darüber hinaus konnte die Zeit bis zur nächsten Folgetherapie (TFST) signifikant von 6,3 auf 15,6 Monate und die Zeit bis zur zweiten nachfolgenden Therapie (TSST) signifikant von 15,2 auf 23,8 Monate verlängert werden. Die mediane Gesamtüberlebenszeit der Patientinnen mit BRCA-Mutation verlängerte sich durch Olaparib im Vergleich zu Placebo von 31,9 auf 34,9 Monate.
Die Verträglichkeit von Olaparib ist gut: Die häufigsten Nebenwirkungen, die aber selten zum Therapieabbruch führen, sind leichte bis mittelschwere Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Dyspepsie, Erschöpfung, Kopfschmerzen, Dysgeusie, verminderter Appetit, Schwindel, Anämie, Neutropenie, Lymphopenie, erhöhtes mittleres korpuskuläres Volumen und erhöhte Kreatinin-Werte [1].

Lebensqualität bleibt erhalten

In einer Subgruppenanalyse konnte außerdem gezeigt werden, dass Olaparib die Lebensqualität der Patientinnen im Vergleich zu Placebo nicht beeinträchtigt: Sie war bei 55,6% aller Patientinnen unter Olaparib und bei 49,1% der mit Placebo behandelten Patientinnen nach sechs Monaten unverändert, bei 27% versus 20,8% verbesserte sie sich [12].

Positiver BRCA-Test vorausgesetzt

Die Zulassung von Olaparib gilt für Patientinnen mit einer nachgewiesenen BRCA1- oder BRCA2-Mutation [2]. Solche Mutationen lassen sich durch einen molekulargenetischen Test an Blut- oder Tumorgewebe nachweisen, so du Bois. Er sollte idealerweise bereits bei Diagnosestellung durchgeführt werden, um alle therapeutischen Optionen beim Ovarialkarzinom möglichst frühzeitig berücksichtigen zu können.
In einem umfangreichen Studienprogramm wird Olaparib derzeit einerseits in Phase-III-Studien in der Primärtherapie des Ovarialkarzinoms, andererseits auch in anderen Indikationen wie zum Beispiel Brust-, Pankreas- und Magenkrebs untersucht.

jfg

 

Literatur
1. Ledermann J et al. Olaparib maintenance therapy in patients with platinum-sensitive relapsed serous ovarian cancer: A preplanned retrospective analysis of outcomes by BRCA status in a randomised phase 2 trial. Lancet Oncol 2014; 15: 852-61.
2. Robert Koch-Institut. Krebs in Deutschland 2009/2010. 9. Ausgabe (2013).
3. Malander S et al. One in 10 ovarian cancer patients carry germ line BRCA1 or BRCA2 mutations: Results of a prospective study in Southern Sweden. Eur J Cancer 2004; 40: 422–8.
4. Majdak EJ et al. Prevalence and clinical correlations of BRCA1/BRCA2 unclassified variant carriers among unselected primary ovarian cancer cases - preliminary report. Eur J Cancer 2005; 41: 143–50.
5. Alsop K et al. BRCA mutation frequency and patterns of treatment response in BRCA mutation-positive women with ovarian cancer: A report from the Australian Ovarian Cancer Study Group. J Clin Oncol 2012; 30: 2654–63.
6. Mavaddat N et al. Cancer risks for BRCA1 and BRCA2 mutation carriers: results from prospective analysis of EMBRACE. J Natl Cancer Inst 2013; 105: 812–22.
7. Wang ZC et al. Profiles of genomic instability in high-grade serous ovarian cancer predict treatment outcome. Clin Cancer Res 2012; 18: 5806-15.
8. Levanon K et al. New insights into the pathogenesis of serous ovarian cancer and its clinical impact. J Clin Oncol 2008; 26: 5284-93.
9. Chen A. PARP inhibitors: it´s role in treatment of cancer. Chin J Cancer 2011; 30: 463-71.
10. Fong PC et al. Poly(ADP)-Ribose Polymerase Inhibition: Frequent Durable Responses in BRCA Carrier Ovarian Cancer Correlating With Platinum-Free Interval. J Clin Oncol 2010; 28: 2512-9.
11. LynparzaTM Fachinformation, Stand: Dezember 2014.
12. Ledermann J et al. Health-related quality of life (HRQoL) during olaparib maintenance therapy in patients with platinum-sensitive relapsed serous ovarian cancer (PSR SOC) and a BRCA mutation (BRCAm). Ann Oncol 2014; 25 (S4): ESMO 2014, Abstract #885PD.

Launch-Pressekonferenz „Erste zielgerichtete Erhaltungstherapie für Patientinnen mit BRCA-mutiertem Ovarialkarzinom. Markteinführung des PARP-Inhibitors Lynparza™“ am 18.5.2015 in Frankfurt/Main, veranstaltet von AstraZeneca.