Das Mammakarzinom, das ist in den letzten Jahrzehnten immer klarer geworden, ist sehr früh schon eine systemische Erkrankung. Deshalb muss man bei der Erstbehandlung meist auch mit klinisch noch nicht nachweisbaren „Mikro“-Metastasen rechnen, die über den lokoregionären Bereich hinausgehen und wohl auf eine frühzeitige okkulte Disseminierung von Tumorzellen aus dem Primarius zurückzuführen sind. Das heißt, dass Tumorzellen in frühesten Stadien den Primärtumor verlassen und über die Blutbahn in sekundäre Organe gelangen. Dort können sie über Jahre ruhen, weshalb man sie auch als "dormant cells“ bezeichnet. Nicht klar ist nach wie vor, welche dieser disseminierten Tumorzellen (DTCs) das Potenzial besitzen, aus dem „Dormancy-Zustand" zu Metastasen heranzuwachsen und durch welche Signale dieser Prozess ausgelöst wird. Arbeiten in Tiermodellen lassen vermuten, dass Zellen, um zu manifesten Metastasen auswachsen zu können, Stammzellcharakter haben müssen.
Das derzeit sensitivste und am besten validierte Standardverfahren zum Nachweis disseminierter Tumorzellen ist der immunzytochemische Nachweis Zytokeratin (CK)-positiver Zellen, so Oliver Hoffmann, Essen. In einer Metaanalyse mit zehn Jahren Nachbeobachtungszeit konnte die negative prognostische Relevanz der DTCs in Knochenmarks-Aspiraten von Patientinnen mit Mammakarzinom, die zum Zeitpunkt der Operation des Primärtumors keine Fernmetastasen gehabt hatten, gezeigt werden. Der Knochenmarkstatus hat offenbar eine signifikante prognostische Aussagekraft für rezidivfreies und Fernmetastasen-freies Überleben sowie für das Gesamtüberleben.
In einer multivariaten Analyse konnte gezeigt werden, dass Tumorzellen auch mehrere Jahre nach Therapie im Knochenmark persistieren und dann einen unabhängigen prognostischen Faktor für metastasenfreies und Brustkrebs-spezifisches Überleben darstellen. Knochenmarkuntersuchungen auf DTCs werden in der Universitätsfrauenklinik Essen bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom seit 1998 durchgeführt, so Hoffmann. Die 5-Jahres-Überlebensrate der im Zeitraum von 1998–2003 untersuchten Patientinnen lag in einer vorläufigen Zwischenauswertung bei über 80%, unabhängig vom Knochenmarkstatus. Das könnte laut Hoffmann daran liegen, dass alle Patientinnen mit dem Nachweis von DTCs die Therapieempfehlung zur adjuvanten Einnahme von Clodronat erhalten. Grundlage dafür ist die Studie von Diel et al., die zeigte, dass die Einnahme von Clodronat das Gesamtüberleben von Hochrisiko-Patientinnen signifikant verbesserte [1]. Bisphosphonate eignen sich, davon ist Hoffmann überzeugt, nicht nur zur Therapie des ossär metastasierten Mammakarzinoms, sondern auch zur primären Prophylaxe von Metastasen.
Josef Gulden
Literatur
1. Diel IJ et al. Reduction in new metastases in breast cancer with adjuvant clodronate treatment. N Engl J Med 1998; 339: 357-63.
Fachpresse-Workshop der POMME-med GmbH am 18. Dezember 2014 in München.