DGHO 2014
Die Neutropenie-Prophylaxe mit rekombinanten G-CSF-Präparaten ist oft unverzichtbar, um eine potenziell kurative myelotoxische Chemotherapie bei vertretbarem Risiko für den Patienten wie geplant durchführen zu können. In einer Zulassungsstudie bei Patientinnen mit Mammakarzinom hat sich Lipegfilgrastim, die letzte Neuentwicklung auf diesem Gebiet, als vergleichbar effektiv erwiesen wie Pegfilgrastim.
Wie Theodor Dingermann, Institut für pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt, erklärte, wird Lipegfilgrastim (Lonquex®) in einem komplexen zweistufigen Prozess durch enzymatische Glykopegylierung hergestellt. Die Glykopolyethylenglykol-Kette sitzt in dem rekombinanten Molekül genau dort, wo auch das native G-CSF-Molekül glykosyliert ist, nämlich am Threonin 134 in der Mitte der Polypeptidkette. Damit wird das Molekül für Elastasen schlechter angreifbar als das z. B. bei dem auf chemischem Weg am N-Terminus pegylierten Pegfilgrastim der Fall ist. Dies bedeutet eine bessere Bioverfügbarkeit.
Sowohl Lipegfilgrastim als auch Pegfilgrastim werden in einer Dosis von 6 mg einmal pro Zyklus subkutan gespritzt. Eine Phase-II-Studie hat gezeigt [1], dass sich die absolute Neutrophilenzahl mit Lipegfilgrastim im Vergleich zu Pegfilgrastim signifikant schneller erholt. Zur Zulassung führte insbesondere eine Studie, in der Lipegfilgrastim bei 202 mit Doxorubicin und Docetaxel behandelten Brustkrebs-Patientinnen mit Pegfilgrastim verglichen wurde [2]. Im primären Endpunkt, der Dauer der schweren Neutropenie im ersten Zyklus, erwies sich Lipegfilgrastim als nicht unterlegen, erklärte Hartmut Link, Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern.
Auch bei NSCLC wirksam
Untersucht wurde Lipegfilgrastim auch in einer placebokontrollierten Studie bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom, die eine Chemotherapie mit Cisplatin und Etoposid bekamen [1]. Dieses Chemotherapieprotokoll ist mit einem Risiko von 10–20% für eine febrile Neutropenie (FN) verbunden. Tatsächlich entwickelten in der Placebogruppe 5,6%, in der Lipegfilgrastimgruppe nur 2,3% der Patienten im ersten Zyklus eine febrile Neutropenie. Der Unterschied war nicht signifikant. Eine Post-hoc-Analyse bei Patienten über 65 Jahren, für die leitliniengemäß eine G-CSF-Prophylaxe empfohlen wird, fand jedoch sehr wohl einen signifikanten Unterschied von 13,3% versus 0,0% (p = 0,0064).
Dieses Ergebnis unterstreicht auch die Sinnhaftigkeit der EORTC-Leitlinien-Empfehlung [3], nach der bei einem FN-Risiko von10–20% nur dann eine primäre G-CSF-Prophylaxe indiziert ist, wenn zusätzliche Risikofaktoren hinzukommen. Generell sollte G-CSF bei einem FN-Risiko über 20% gegeben werden, damit der Patient vor Neutropenie-Komplikationen geschützt wird und die Chemotherapie möglichst ohne Abstriche durchgeführt werden kann. Das gilt zumindest, wenn es sich um eine potentiell kurative Chemotherapie handelt.
Dr. Angelika Bischoff
Literatur
1. Fachinformation Lonquex April 2014.
2. Bondarenko et al.: BMC Cancer 2013; 13: 386
3. 3. Aapro MS et al.: Eur J Cancer 2011; 47: 8-32
Satellitensymposium „Supportiv-Therapie: Ein essentielles Instrument für den Onkologen“ bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO), Hamburg, 10. Oktober 2014.