Für die Erstlinientherapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) bei typischen älteren Patienten mit Begleiterkrankungen gibt es eine neue therapeutische Option: Die europäische Zulassungsbehörde EMA hat im Juli dieses Jahres den monoklonalen Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab (GA101, GazyvaroTM) zur Behandlung solcher Patienten in Kombination mit Chlorambucil zugelassen – aufgrund der Daten der CLL11-Studie der Deutschen CLL-Studiengruppe (GCLLSG).
Obinutuzumab ist ein neuartiger monoklonaler Typ-II-Antikörper, der durch Modifikation spezifischer Zuckermoleküle (Glycoengineering) eine bessere Wechselwirkung mit körpereigenen Immunzellen zeigt. Er löst einerseits durch Bindung an das Antigen CD20 auf den Lymphom-Zellen direkt deren Tod aus, zum anderen stimuliert er durch Antikörper-abhängige zelluläre Zytotoxizität (ADCC) Immunzellen, die ebenfalls die Lymphom-Zellen bekämpfen. Als weltweit erstem Medikament erkannte die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA Obinutuzumab den Status „Therapiedurchbruch“ (Breakthrough Therapy) zu.
In der durch die GCLLSG initiierten internationalen Phase-III-Studie CLL11 wurden 781 unbehandelte ältere CLL-Patienten mit Begleiterkrankungen in drei Arme randomisiert: Sie erhielten alle Chlorambucil (bis dato der Standard bei diesen Patienten) und in zwei Armen zusätzlich einen Anti-CD20-Antikörper – entweder Rituximab oder Obinutuzumab. Dadurch sollte die Frage beantwortet werden, ob eine Chemoimmuntherapie aus Chlorambucil und Obinutuzumab nicht nur Chlorambucil alleine, sondern auch der Kombination aus Rituximab und Chlorambucil überlegen ist. Dies geschah in der Stage-2-Analyse, in der 333 Patienten unter Obinutuzumab plus Chlorambucil mit 330 Patienten unter Rituximab plus Chlorambucil verglichen wurden, so Dr. Valentin Goede, Köln. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, zentrale sekundäre Endpunkte die Gesamtansprechrate und der Anteil der Patienten ohne minimale Resterkrankung (MRD) .
Unter der Kombination aus Obinutuzumab und Chlorambucil war nicht nur die Gesamtansprechrate signifikant höher als unter Rituximab und Chlorambucil (78% vs. 65%), sondern es beeindruckte vor allem die Qualität des Ansprechens, so Goede: Unter dem neuartigen Antikörper fand sich eine dreifach höhere Rate an Komplettremissionen (20,7% vs. 7%), und der Anteil von Patienten ohne minimale Resterkrankung wurde durch Obinutuzumab mehr als verzehnfacht (37,3% vs. 3,3%). Auch beim primären Endpunkt progressionsfreies Überleben war Obinutuzumab dem Rituximab signifkant überlegen (26,7 vs. 16,3 Monaten, Hazard Ratio 0,39; p < 0,001).
Die Chemoimmuntherapie mit Obinutuzumab und Chlorambucil war gut verträglich: Bezüglich Neutropenien und Infektionen zeigte sich kein klinisch relevanter Unterschied zur Kombination aus Rituximab und Chlorambucil. Nur bei der ersten Gabe wurden häufiger infusionsbedingte Reaktionen vom Grad 3-4 beobachtet, die aber gut gemanagt werden konnten, so Goede. Zu erklären sind sie möglicherweise durch die höhere Wirksamkeit des Typ-II-Antikörpers. Laut Michael Hallek, Gründer und Leiter der GCLLSG, „zeigt sich die Therapie mit Obinutuzumab damit der mit Rituximab hochsignifikant überlegen und wird sich als neuer Standard bei diesen älteren CLL-Patienten mit Begleiterkrankungen etablieren.“
Josef Gulden
Pressekonferenz „Exzellenter Antikörper aus Deutschland: EU-Zulassung für Ganzyvaro“ am 16. September 2014 in Penzberg, veranstaltet von Roche AG, Grenzach-Wyhlen.