Die Zahl der Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) nimmt weltweit rapide zu, weil die Einführung der ABL-Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) ihre Lebenserwartung praktisch normalisiert hat. Das nächste Ziel der Hämatologen bei dieser Erkrankung, das nun in kontrollierten klinischen Studien verfolgt wird, ist die therapiefreie Remission (TFR) für möglichst viele Patienten, d. h. die Möglichkeit, die Therapie abzusetzen und dennoch die Leukämie langfristig kontrollieren zu können.

Dass dieses Ziel prinzipiell erreichbar ist, zeigen bereits seit einigen Jahren die Ergebnisse der französischen Phase-II-Studie STIM 1: Hier hatten hundert Patienten, die mit Imatinib eine tiefe molekulare Remission erreicht hatten, dieses abgesetzt, und 40% von ihnen waren dennoch median 55 Monate später noch in einer tiefen molekularen Remission [1, 2]; in der australischen TWISTER-Studie lag der Anteil mit 47% noch etwas höher [3]. Eine anhaltende tiefe molekulare Remission (MR4,5, d. h. BCR-ABL ≤ 0,0032% nach dem Internationalen Standard), die zumindest vor einer Progression der CML zu weiter fortgeschrittenen Stadien schützt [4], ist weiterhin Voraussetzung für die Aufnahme in Absetzstudien.
Eine solche tiefe molekulare Remission erzielt man am besten mit Zweitgenerations-TKI wie Nilotinib (Tasigna®), wie die 5-Jahres-Daten der ENESTnd-Studie zeigen, die Timothy Hughes, Adelaide, beim EHA-Kongress präsentierte [5]: In der Studie waren Patienten mit neu diagnostizierter CML in der chronischen Phase randomisiert entweder mit Imatinib oder mit dem Zweitgenerations-TKI Nilotinib behandelt worden. Nach fünf Jahren Therapie mit zweimal täglich 300 mg Nilotinib hatten 54% der Patienten eine MR4,5 erzielt, im Kontrollarm unter Imatinib lediglich 31%. Dabei war eine BCR-ABL-Konzentration von ≤ 1% bereits nach drei Monaten Therapie prädiktiv für das Erreichen einer MR4,5; auch sie war unter zweimal 300 mg/d Nilotinib deutlich häufiger als unter Imatinib (56% vs. 16%). Drei neue Fälle von Progressionen zur akzelerierten Phase bzw. Blastenkrise traten im fünften Jahr auf, einer im Nilotinib-300mg- und einer im Imatinib-Arm, aber in allen Fällen hatten die Patienten vorher die Therapie beendet.

Studien zur therapiefreien Remission

In der Praxis wird nach wie vor empfohlen, TKI für eine unbegrenzte Zeitdauer einzunehmen. Ziel der CML-Forscher ist jedoch die therapiefreie Remission, d. h. die Möglichkeit, die Therapie zu beenden, ohne dass die Krankheit wiederkehrt, wie das in der STIM-1-Studie bei immerhin 40% der Patienten gelungen zu sein scheint. Bis auf Weiteres wird eine solche Beendigung jedoch ausschließlich im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien empfohlen. Voraussetzung für den Einschluss in eine solche Studie ist in jedem Fall das Erreichen und Halten einer MR4,5 für mehrere Jahre. François Xavier Mahon, Bordeaux, hatte beim ASCO-Kongress in in Chicago einen Überblick über den Stand von vier solchen zurzeit aktiven Studien aus dem ENEST-Studienprogramm mit Nilotinib gegeben: ENESTfreedom, ENESTop, ENESTgoal und ENESTpath (s. Tab. 1, [6]):

Alle Patienten, die in die therapiefreie Phase eintreten, werden über weitere zwei bis vier Jahre zunächst eng-, später weitmaschiger auf ihre BCR-ABL-Konzentrationen untersucht. Patienten, die eine bestimmte Remissionstiefe nicht halten können (s. untere Zeile der Tabelle), nehmen wieder Nilotinib ein. Die Hoffnung ist, so Mahon, dass einem erheblichen Anteil dieser Patienten dies auf Dauer erspart bleiben wird.

Josef Gulden

Literatur
1. Mahon FX et al. Lancet Oncol. 2010; 11: 1029-35.
2. Mahon FX et al. Blood. 2013; 122 (abstract #255).
3. Ross DM, et al. Blood. 2013; 122: 515-22.
4. Hehlmann R et al. J Clin Oncol 2014; 32: 415-23.
5. Hughes T et al. EHA 2013, Abstract #S677.
6. Mahon FX et al. J Clin Oncol 2014; 32 (15S): 475s (ASCO 2014, Abstract #TPS7124).


19th Congress of the European Hematology Association (EHA), 12.-15.6.2014 in Mailand.