Wir freuen uns, Ihnen in dieser Aufgabe von Trillium Krebsmedizin den aktuellen Standard und neue Entwicklungen bei den myelodysplastischen Neoplasien (MDS) und der akuten myeloischen Leukämie (AML) geben zu dürfen. Beide Erkrankungen haben ihren Prävalenz-Peak im höheren Lebensalter und erlangen angesichts der steigenden Lebenserwartung zunehmend an Bedeutung in der klinischen Praxis. Sowohl MDS als auch AML weisen jedoch im Vergleich zu anderen hämatologischen Erkrankungen weiterhin eine enttäuschende Langzeitprognose auf, denn trotz der vielen neu zugelassenen Medikamente können wir die Erkrankung nur bei einer Minderheit von Patienten heilen.
Die Hämatologie nimmt eine Vorreiterrolle in der Präzisionsmedizin ein, indem sie gezielte Therapieansätze entwickelt, die direkt auf molekulare Veränderungen der Erkrankung abzielen. Den Beginn markierte die chronische myeloische Leukämie (CML), bei der Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Imatinib, Dasatinib und Nilotinib eine präzise und effektive Therapie ermöglichen. Auch bei der akuten Promyelozyten-Leukämie (APL) hat der gezielte Einsatz von Arsentrioxid und ATRA die Behandlung grundlegend verändert und die Heilungsrate deutlich gesteigert.
Meilensteine der Therapie
In der AML setzen neu zugelassene zielgerichtete Substanzen weitere Meilensteine. Venetoclax in Kombination mit hypomethylierenden Substanzen hat sich bereits als effektive Therapieoption bewährt und trägt zu einer verbesserten Prognose bei nicht fitten Patienten bei. Kürzlich hat Quizartinib die Zulassung für die Behandlung von FLT3-ITD-mutierter AML erhalten und erweitert das therapeutische Spektrum, das etablierte FLT3-Inhibitoren wie Midostaurin und Gilteritinib umfasst. IDH-Inhibitoren wie Ivosidenib und Enasidenib erlauben in Kombination mit Azacitidin eine zielgerichtete Erstlinientherapie für Betroffene mit IDH-mutierter AML, die für intensive Therapien nicht geeignet sind. Gleichzeitig erleichtert die orale hypomethylierende Substanz Decitabin-Cedazuridin die praktische Anwendung und eröffnet Perspektiven für vollständig orale Kombinationstherapien.
Diese Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Praxen, nicht universitären Einrichtungen und der Universitätsmedizin, um gemeinsam die bestmögliche Therapie auszuwählen. Nur durch eine hohe Teilnahme in klinischen Studien werden wir bei der Heterogenität der Erkrankung ausreichende Patientenzahlen erreichen, um den Fortschritt einer Substanz sicher beurteilen zu können.
Bei den Myelodysplasien können wir durch die Zulassung von Luspatercept insbesondere die anämische Komponente der MDS-Zytopenie günstig beeinflussen, während in klinischer Entwicklung befindliche antiinflammatorische Ansätze Anlass zur Hoffnung auf eine generell krankheitsmodifizierende Behandlung geben.
Die allogene Stammzelltransplantation (alloSZT) stellt in vielen Fällen die einzige kurative Option dar, allerdings nur für jüngere oder fitte ältere Patienten ohne signifikante Komorbiditäten. Besonders erfolgreich ist die alloSZT bei Patienten in erster Remission ohne messbare Resterkrankung. Seit mehr als 20 Jahren ist bekannt, dass der antileukämische Effekt der alloSZT maßgeblich durch die adoptiv transferierten T-Zellen des Spendenden vermittelt wird. Es liegt daher nahe – aufbauend auf den Erfolgen bispezifischer T-Zell-rekrutierender Antikörper und CAR-T-Zellen –, diese Therapieplattform auch bei der AML umzusetzen.
Neue Therapiekonzepte
Trotz des Rückenwinds durch die alloSZT und den Erfolgen der CD19-CAR-T-Zell-Therapie bei der B-Vorläufer-ALL sowie anderen B-Zell-Lymphomen konnten die ersten Phase-I/II-Studien mit bispezifischen Antikörpern und/oder CAR-T-Zellen bei der AML keine lang anhaltenden Remissionen erzielen. Wir zeigen Ihnen spannende neue Therapiekonzepte in diesem Bereich auf, die in frühen Phase-I-Studien geprüft werden. Diese Therapiekonzepte sollten ähnlich wie die alloSZT früh in der Krankheitsentwicklung eingesetzt werden, idealerweise zu einem Zeitpunkt mit niedriger Leukämielast.
Wir hoffen, dass die Beiträge zu intensiven und weniger intensiven Therapieansätzen für AML und MDS sowie unsere Einblicke in die Entwicklungen der Immuntherapien Sie in Ihrem Alltag unterstützen und Ihnen zugleich einen Überblick über die aktuellen Fortschritte bei der AML bieten.