Sonderforschungsbereich TRR259 – Aortenerkrankungen
Hintergrund
Die Aorta ist ein wichtiges, großes und komplexes Organ, welches aus der Aortenklappe und den verschiedenen Anteilen der thorakalen und abdominellen Aorta besteht. Die Aorta zeichnet sich durch eine unterschiedliche molekulare und zelluläre Komposition in ihren verschiedenen Abschnitten aus. Darüber hinaus ist sie in ihren Subkompartimenten unterschiedlichen zellulären, chemischen und mechanischen Stressfaktoren ausgesetzt. Diese Charakteristika, ebenso wie eine bislang schlecht verstandene genetische Grundlage und nur teilweise bekannte exogene Faktoren, führen zur Erkrankung der Aorta. Dies beinhaltet die Degeneration der Aortenklappe, die vorwiegend zu einer Aortenklappenstenose führt. Außerdem entstehen im Bereich der thorakalen wie auch der abdominellen Aorta Aneurysmata und Dissektionen. Diese Krankheitsbilder sind zum einen durch eine hohe Prävalenz charakterisiert, sodass in Deutschland von mehr als einer Million betroffenen Patienten ausgegangen werden kann. Zum anderen besteht eine hohe Morbiditätslast und unglücklicherweise eine hohe Sterblichkeit mit Mortalitätsraten bis 50 % pro Tag nach Ausbruch der Erkrankung. Leider sind die molekularen und zellulären Grundlagen dieser Erkrankungen weitgehend unbekannt; damit bestehen auch bis heute keine Möglichkeiten, diese Aortenerkrankungen frühzeitig zu behandeln und in ihrer vollen Ausprägung zu verhindern. Bis vor Kurzem gab es weltweit zu diesem drängenden medizinischen Problem keine koordinierten Forschungsverbünde.
Der im Sommer 2019 bewilligte Sonderforschungsbereich TRR259 widmet sich eben dieser Fragestellung an den Standorten in Bonn, Köln und Düsseldorf in einzigartiger Weise und wird in den kommenden Förderperioden versuchen, die molekularen und zellulären Grundlagen der Aortenerkrankungen zu erforschen.
Für die Aortenklappenstenose ist bislang bekannt, dass es sich nicht nur um eine degenerative altersabhängige Erkrankung handelt. Der Krankheitsprozess wird initiiert durch eine Schädigung des Endothels sowie die Anheftung und Einwanderung von Makrophagen und T-Zellen. Hierfür sind neben genetischen Ursachen auch physikalisch-mechanische Gegebenheiten wichtig, ebenso wie exogene Faktoren wie beispielsweise Cholesterinkristalle. Im weiteren Verlauf der Erkrankung entstehen innerhalb des Klappengewebes Entzündungsherde, die zu einem Umbau der interstitiellen Klappenzellen und der Extrazellulärmatrix führen. Dies wiederum führt über Proliferationen, Apoptose und Nekroptose zu Verkalkungen und schließlich zur Verdickung des Klappengewebes und zur Einengung der Aortenklappe. Die grundlegenden kausalen Mechanismen sind allerdings weitgehend ungeklärt (Abb. 1).
Die Aortenwanderkrankungen teilen mit der Aortenklappenstenose wesentliche pathobiologische Grundlagen und Vorgänge. Am Anfang stehen Endothelzellschädigung und frühe entzündliche Aktivität durch zirkulierende Zellen an den Endothelzellen und schließlich in der Aortenwand. Dies ist ebenfalls mit einem Umbau des Interstitiums und insbesondere der Extrazellulärmatrix verbunden, was wiederum zu einer Schwächung der Aortenwand führt und mit einer Dissektion oder aneurysmatischen Ausweitung einhergehen kann. Ob diesen Vorgängen initial Endothelzellschäden, Veränderungen in den entzündlichen Zellen oder Aberrationen in der Extrazellulärmatrix zugrunde liegen, und ob diese Vorgänge durch genetische Grundlagen oder durch weitere exogene Faktoren beeinflusst werden, ist weitgehend unklar (Abb. 2).
Hypothesen
Die verschiedenen Aortenerkrankungen, wie Aortenklappenstenose oder Aortenaneurysmata, sind durch gemeinsame pathophysiologische Grundlagen verbunden. Die enge Interaktion zwischen residenten Strukturen inklusive Endothel- und Interstitiumszellen sowie der Extrazellulärmatrix mit nicht residenten, zirkulierenden inflammatorischen und nicht-inflammatorischen Zellen führt zur Entwicklung der Aortenerkrankungen. Hierfür sind spezifische Mediatoren und spezialisierte immunaktive Zellen essenziell. Die Identifikation von kausalen molekularen Mechanismen wird dazu führen, dass Aortenerkrankungen verhindert werden können.
Arbeitsprogramm
Der Sonderforschungsbereich TRR259 wird sich in der ersten Förderperiode insbesondere mit den mechanistischen Ursachen der Aortenerkrankungen mithilfe von Zellkultur und Tiermodellen beschäftigen. Parallel hierzu werden die genetischen Grundlagen der korrespondierenden Erkrankungen am Patienten aufgeklärt. Im Verlauf der weiteren Förderperioden ist eine Translation der mechanistischen Erkenntnisse im Großtierexperiment, sowie zu einem späteren Zeitpunkt in Patienten, geplant (Abb. 3).
Innerhalb der Projekte werden wir uns detailliert mit den residenten Strukturen und deren Pathologien auf Ebene der Endothelzellen, der interstitiellen Zellen und der verschiedenen Komponenten der extrazellulären Matrix sowohl in der Aortenklappe wie auch der thorakalen und abdominellen Aorta beschäftigen. Dies inkludiert auch die Analyse der lokoregionalen Unterschiede bei den unterschiedlichen Aortenerkrankungen auf Einzelzellniveau. Hinzu kommt die genaue Analyse der nicht residenten Faktoren, die zu den Aortenerkrankungen beitragen. Hierzu gehören in allererster Linie verschiedenste immunaktive Zellen, rote Blutkörperchen, Blutplättchen und Fettzellen. In diesem Zusammenhang interessieren uns insbesondere auch Signalwege zwischen diesen verschiedenen zellulären Kompartimenten inklusive Mikrovesikel, verschiedene Zytokine und insbesondere die Nukleinsäure-vermittelte Inflammation.
Umrahmt werden alle diese Untersuchungen auf Zell- und Kleintierebene von umfassenden genetischen Analysen bei betroffenen Patienten mit den verschiedenen Formen der Aortenerkrankungen. (Abb. 4).
Grundlage des TRR259 ist die bereits seit Jahren etablierte Entwicklung der sehr komplexen Tiermodelle zur Analyse der Entwicklung der Aortenklappenstenose wie auch der Entwicklung von Aortendissektionen und Aortenaneurysmata sowie deren detaillierte Charakterisierung via hochauflösbarem Ultraschall, Mikro-CT und Kleintier-MRT.
Perspektiven
Wir erhoffen uns zum einen ein genaues Verständnis der Grundlagen der Aortenerkrankungen durch die Identifikation von grundlegenden Mechanismen in Zellkultur- und Tiermodellexperimenten. Die Tiermodellversuche finden im Rahmen der zu testenden Krankheitsmodelle und in multiplen genetisch veränderten Mauslinien statt, um kausale Zusammenhänge zu erkennen. Der Sonderforschungsbereich TRR259 wird diese identifizierten Mechanismen in Großtierexperimente translatieren. Zudem werden die somit identifizierten Mechanismen ebenso wie die Erkenntnisse aus den genomweiten Untersuchungen dazu genutzt, um die Möglichkeit der klinischen Translation zu überprüfen, da ultimativ die präventive Behandlung der Aortenerkrankungen das Ziel ist.