Anti-inflammatorische Therapien bei kardiovaskulären Erkrankungen

Das Gebiet der Immunologie hat in der kardiovaskulären Medizin in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen; in diesem Artikel möchten wir insbesondere aktuelle Daten präsentieren. Anti-inflammatorische Therapien kommen bei akuten und rezidivierenden Perikarditiden und bestimmten Formen der Myokarditis zum Einsatz. Interessanterweise gibt es nun im Bereich der Prävention atherosklerotischer Gefäßerkrankungen große klinische Studienprogramme mit immun-modulierenden Therapien. Wir werden unter anderem über die Ergebnisse der CANTOS-Studie (Canakinumab Anti-Inflammatory Thrombosis Outcomes Study), der CIRT-Studie (Cardiovascular Inflammation Reduction Trial) und der COLCOT-Studie (Colchicine Cardiovascular Outcomes Trial) als immun-modulierende Therapie-Studien bei Patienten mit atherosklerotischer Gefäßerkrankung berichten. Im Bereich inflammatorischer Perikard-Erkrankungen berichten wir über das „International Registry of Anakinra for Pericarditis (IRAP)“ bei Patienten mit Colchicin-resistenter, Steroid-abhängiger rezidivierender Perikarditis. Zusätzlich diskutieren wir bezüglich inflammatorischer myokardialer Erkrankungen die einzige Multicenter-Studie für die Riesenzellmyokarditis (Giant Cell Myocarditis Treatment Trial) und geben ein Update zur Therapie der myokardialen Sarkoidose sowie zum Management chronisch inflammatorischer Kardiomyopathien.

Schlüsselwörter: Anti-inflammatorische Therapien, Atherosklerose, akute und rezidivierende Perikarditis, Riesenzellmyokarditis, Sarkoidose, inflammatorische Kardiomyopathie

Immun-modulierende Therapie bei atherosklerotischen Gefäß­erkrankungen

Zahlreiche experimentelle Studien haben auf die Bedeutung der angeborenen und erworbenen Immunität für die Entwicklung und Progression der Atherosklerose hingewiesen. In den letzten zwei Jahren konnten nun erstmals zwei große klinische Studienprogramme zeigen, dass eine Immunmodulation durch eine Interleukin-1β-Antikörper-Therapie (CANTOS-Studie) beziehungsweise durch Colchicin (COLCOT-Studie) die klinische Progression bei Patienten mit atherosklerotischer Gefäßerkrankung und einem akuten Koronarsyndrom reduzieren kann.

Canakinumab Anti-Inflammatory Thrombosis Outcomes Study (CANTOS)

In der CANTOS-Studie wurde eine spezifische anti-inflammatorische Therapie mittels Canakinumab, einem monoklonalen Antikörper, der Interleukin-1β blockiert, getestet. Canakinumab wurde bei Patienten mit Herzinfarkt in der Vorgeschichte und erhöhten hsCRP-Werten (hochsensitives C-reaktives Protein, > 2 mg/l) im Serum getestet [1]. Die CANTOS-Studie zeigte Superiorität von Canakinumab (150 mg) gegenüber Placebo in Bezug auf Prävention von kardialen Ereignissen. Die Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder Canakinumab 50 mg (n = 2.170), Canakinumab 150 mg (n = 2.284), Canakinumab 300 mg (n = 2.263) oder Placebo (n = 3.344). Das Medikament wurde alle drei Monate subkutan appliziert. Die mittlere Follow-up-Zeit betrug 3,7 Jahre und das mittlere Alter 61 Jahre. Der Frauen­anteil betrug 26 %. Patienten wurden von der Studie ausgeschlossen, wenn sie an chronischen oder wiederkehrenden Infektionen litten, ein hohes Risiko für Tuberkulose oder HIV hatten, Krebs in der Vorgeschichte, in immunkompromittiertem Zustand waren und/oder unter systemischer Anwendung von anti-inflammatorischen Medikamenten. Als primäre Ereignisse der Studie zählten Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursache, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Davon traten 4,11 pro 100 Personenjahre bei der Gruppe mit 50 mg auf, 3,86 in der 150 mg-Gruppe, 3,9 in der 300 mg-Gruppe und 4,5 pro 100 Personenjahre in der Placebo-Gruppe (p = 0,02 für 150 mg gegenüber Placebo). Bei den sekundären Ereignissen wurde eine dosis­abhängige Reduktion von hsCRP durch Canakinumab beobachtet (p < 0,001 für alle Gruppen gegenüber Placebo). Tödliche Infektionen oder Sepsis zeigten sich in 0,31 pro 100 Personenjahre in der kombinierten Canakinumab-Gruppe gegenüber 0,18 pro 100 Personenjahre in der Placebo-Gruppe (p = 0,02). Patienten, in welchen hsCRP trotz Behandlung bei ≥ 2 mg/l lag, zeigten auch keine Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse. Zusätzlich hatte Canakinumab einen modulierenden Effekt auf Interleukin-6, was ebenso mit einer Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse verbunden war.
Zusammenfassend führte die Behandlung mit Canakinumab 150 mg subkutan alle drei Monate bei Patienten nach Herzinfarkt und anhaltend erhöhtem hsCRP (> 2 mg/l) zu einer Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse über eine mittlere Zeitspanne von 3,7 Jahren. Canakinumab war trotz Ausschluss von Patienten mit chronischen oder rezidivierenden Infekten mit einem leicht höheren Risiko für schwerwiegende Infektionen und/oder Sepsis assoziiert.

Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT)

Die CIRT-Studie hat gezeigt, dass niedrig-dosiertes Methotrexat weder inflammatorische Marker (IL-1β, IL-6, hsCRP) noch kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit bekannter koronarer Herzerkrankung, Diabetes und/oder metabolischem Syndrom reduziert [2].
In der CIRT-Studie wurden Patienten 1 : 1 randomisiert und erhielten entweder niedrig-dosiert Methotrexat 15–20 mg wöchentlich (n = 1.716) oder Placebo (n = 1.695). Die Methotrexatdosis wurde basierend auf Laborwerten und Symptomen im Verlauf angepasst.
Der primäre Endpunkt waren schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikationen, welche in der niedrig-dosierten Methotrexatgruppe vergleichbar wie in der Kontrollgruppe bei 3,4 pro 100 Personenjahre auftraten (Hazard Ratio 1,01, 95 % confidence interval 0,82–1,25, p = 0,91). Methotrexat veränderte nicht die Blutwerte für Interleukin-1β, Interleukin-6 oder hsCRP. Patienten unter Methotrexatbehandlung hatten mehr Infektionen (62 % gegenüber 56 %, p = 0,004).
Zusammenfassend zeigte diese Studie keinen Effekt auf inflammatorische Parameter und kardiovaskuläre Ereignisse, führte aber zu Nebenwirkungen als Folge der Immunsuppression. Im Gegensatz zur CANTOS-Studie war eine residuale Entzündung keine Bedingung zur Teilnahme an der Studie. Eine optimale Patientenselektion sowie vor allem die Auswahl eines geeigneten anti-inflammatorischen Therapieprinzips wird somit einen kritischen Punkt für den zukünftigen Einsatz immun-modulierender Therapien bei Patienten mit atherosklerotischer Gefäßerkrankung darstellen.  

Colchicine Cardiovascular Outcomes Trial (COLCOT)

COLCOT ist eine weitere, gerade abgeschlossene Studie zur immun-modulierenden Therapie bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt (innerhalb von 30 Tagen), welche auf dem AHA-Kongress im November 2019 erstmals präsentiert wurde [3]. Die Patienten (n = 4.745) erhielten entweder niedrig-dosiertes Colchicin (0,5 mg einmal täglich) oder Placebo. Der primäre Endpunkt (für kardiovaskuläre Ereignisse) wurde signifikant weniger (5,5 %) bei Patienten in der Colchicin-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe (7,1 %; p = 0,02) beobachtet. Unter Colchicin-Therapie wurde häufiger eine Pneumonie berichtet (0,9 % vs. 0,4 %; p = 0,03). Eine Reihe weiterer Studien zur Evaluation des Effekts von Colchicin bei Patienten mit atherosklerotischen Gefäßerkrankungen laufen aktuell (u. a. LoDoCo2-Studie mit > 5.000 Patienten mit chronischer koronarer Herzerkrankung, CLEAR-SYNERGY-Studie mit > 4.000 Patienten nach ST-Hebungs-Myokardinfarkt).

Studie Medikament Ergebnis
CANTOS
Patienten nach akutem Myokard-
infarkt mit erhöhtem CRP
Canakinumab
(monoklonaler Interleukin-1β-Antikörper)
Positiv – signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse
UAW: Leichte Zunahme des Risikos einer tödlichen Infektion
COLCOT
Patienten nach akutem Myokardinfarkt
Colchicin
(niedrig dosiert)
Positiv – signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse
UAW: Leichte Zunahme des Pneumonie-Risikos
CIRT
Patienten mit atherosklerotischer Gefäßerkrankung (kein erhöhtes CRP als Einschlusskriterium)
Methotrexat Negativ – keine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse

Therapie von akuter und rezidivierender Perikarditis

Akute Perikarditis

Bei der akuten idiopathischen Perikarditis werden in der Regel hochdosiertes Aspirin (1,5–4 g täglich) oder andere nicht-steroidale anti-inflammatorische Sub­stanzen (NSAID; z. B. Ibuprofen 400–800 mg 3–4 x täglich) als First-Line-Therapie für 10–14 Tage eingesetzt, was im Wesentlichen auf Beobachtungsstudien basiert. Eine zusätzliche Colchicin-Therapie (0,5 mg 2 x täglich für drei Monate) konnte die Rate von Rezidiven reduzieren (ICAP-Studie [4]; COPE-Studie: Rezidiv-Rate 10,7 % versus 32,3 %; p = 0,004 [5]), und wird deshalb zusätzlich empfohlen [6], neben einer Vermeidung stärkerer körperlicher Anstrengung. Eine Corticoid-Therapie wird nicht als First-Line-Therapie empfohlen, sondern nur als Reserve-Option (z. B. bei NSAID-Intoleranz oder Therapieversagen) und sollte bei der akuten idiopathischen Perikarditis möglichst vermieden werden [6, 7]. Bei bis zu einem Drittel der Patienten wird eine myokardiale Beteiligung (insbesondere aufgrund erhöhter kardialer Biomarker, d. h. Troponin) beobachtet [6, 7].

Rezidivierende Perikarditis

Bei einem Rezidiv der idiopathischen Perikarditis wurde insbesondere unter der zusätzlichen Therapie mit Colchicin eine Reduktion erneuter Episoden beobachtet (CORE-, CORP- und CORP-2-Studie). Eine kleine randomisierte Studie wies auf eine mögliche Reduktion der Rezidivrate unter einer Anakinra-Therapie bei Colchicin-resistenten, Steroid-abhängigen Patienten hin (The Anakinra – Treatment of Recurrent Idiopathic Pericarditis; AIRTRIP-Studie [8]).
Eine aktuelle Registerstudie hat bei Colchicin-resistenten Patienten den Einfluss einer Anakinra-Therapie weiter evaluiert: Die IRAP-Studie (International Registry of Anakinra for Pericarditis) war die bisher größte internationale Studie zur Untersuchung des Effektes von Anakinra bei der rezidivierenden Colchicin-resistenten, Steroid-abhängigen Perikarditis. Es wurden insgesamt 224 Patienten mit Anakinra behandelt. Nach einer mittleren Behandlungszeit von sechs Monaten mit Anakinra 100 mg subkutan täglich wurden die Perikarditisrezidivrate um das 6-Fache, Besuche in der Notaufnahme um das 11-Fache und Hospitalisierungen um das 7-Fache reduziert. Kortikosteroidbedarf wurde durch Anakinra von 80 % auf 27 % reduziert (p = 0,001). Es gab keine schweren Nebenwirkungen. Die niedrigste Rezidivrate wurde beobachtet, wenn ein Behandlungsschema > 3 Monate und langsames Ausschleichen > 3 Monate durchgeführt wurde. Die Daten hierzu wurden am Meeting der European Society of Cardio­logy in Paris 2019 präsentiert und kürzlich publiziert [9].

Therapie bei Myokarditis

Bestimmte Formen der Myokarditis, wie die Riesenzellmyokarditis, die klinisch-relevante kardiale Sarkoidose oder die eosinophile Myokarditis, bedürfen in jedem Fall einer immun-modulierenden Therapie.

Giant Cell Myocarditis Trial

Riesenzellmyokarditis ist eine sehr seltene Erkrankung, welche häufig einen dramatischen klinischen Verlauf nimmt. Die sehr niedrige Inzidenz der Erkrankung führte dazu, dass es bisher keine großen randomisierten Studien gab. Aufgrund der Schwere der Erkrankung ist ein Placebo-Arm aus ethischer Sicht nicht möglich. Die Giant Cell Myocarditis Treatment Trial-Studie war die einzige prospektive Multicenter-Studie, welche Immunsuppression u. a. mit Steroiden und Cyclo­sporin bei Patienten mit akuter Riesenzellmyokarditis testete [10]. Von 1999–2005 erhielten 11 Patienten hochdosiert Steroide und Cyclosporin und 9 Patienten Muromonab-CD3. Die mittlere Zeit von Symptombeginn bis Präsentation im Krankenhaus waren 27 ± 33 Tage. Während einjähriger Behandlung verstarb ein Patient an re­spiratorischen Komplikationen und zwei Patienten erhielten ein Herztransplantat. Wiederholte Myokardbiopsien bestätigten den Erfolg der Therapie durch Reduktion von Nekrose, Entzündung und der Zahl der Riesenzellen (p = 0,001). Ein Patient verstarb an den Folgen eines Rezidivs der Riesenzellmyokarditis nach Beendigung der Immunsuppression, was dazu führte, dass die meisten Spezialisten ihre Patienten mit zumindest einem Immunsuppressivum auf Dauer behandeln.

Therapie der Sarkoidose

Die First-Line-Therapie der klinisch-relevanten kardialen Sarkoidose ist die Kortikosteroidtherapie [11]. Zusätzlich kann von Beginn an oder erst im späteren Verlauf ein Medikament der Gruppe der Disease Modifying Antirheumatic Drugs verwendet werden, um die Nebenwirkungen der Kortikosteroiddauertherapie zu reduzieren. Disease Modifying Antirheumatic Drugs wie Methotrexat [12] und Mycophenolat werden bei Sarkoidose häufig angewandt. Eine Studie bei Patienten (n = 25) mit kardialer Sarkoidose evaluierte kürzlich retrospektiv die Ergebnisse der Prednisolontherapie in Kombination mit Mycophenolat. Es zeigte sich hierunter eine Besserung der linksven­trikulären Pumpfunktion und eine Abnahme der myokardialen FDG-Anreicherung. Die Daten wurden am Meeting der Heart Failure Society of America 2018 vorgestellt. Als Second-Line-Therapie können auch Biologika (TNFα-Blocker) verwendet werden. Aufgrund der niedrigen Inzidenz der Sarkoidose basieren auch hier unsere Therapien primär auf Daten aus Fallserien und retrospektiven Studien.

Immunsuppression bei chronisch inflammatorischer Kardiomyopathie

Die Immunsuppression bei chronisch inflammatorischer Kardiomyopathie muss weiter untersucht werden. Während bei Riesenzellmyokarditis, eosinophiler Myokarditis und kardialer Sarkoidose der Nutzen der Immunsuppression als eta­bliert angesehen wird, divergieren bei chronisch lymphozytärer Myokarditis die Expertenmeinungen zum optimalen Management, und die klinischen Daten hierzu sind noch limitiert. Die aktuellste umfassende Studie hierzu stellt eine Registerstudie von Merken und Kollegen dar, in welcher retrospektiv der Nutzen von Immunsuppression bei inflammatorischer Kardiomyopathie evaluiert wurde [13]. Die Studie hat getestet, ob Immunsuppression zusätzlich zur Behandlung mit Standard-Herzinsuffizienztherapie die Herzfunktion und Langzeitprognose bessert. Das Register umfasste Daten von 209 Patienten mit inflammatorischer Kardiomyopathie. Diese wurde diagnostiziert, wenn in der Histologie der Myokardbiopsie ≥ 14 infiltrierende inflamma­torische Zellen/mm2 detektierbar waren. Insgesamt erhielten 110 Patienten (53 %) Immunsuppression und 99 (47 %) nur Standardherzinsuffizienztherapie. Nach einer mittleren Follow-up-Periode von 31 Monaten (15–47 Monate) führte Immunsuppression zu verbesserten Out­comes, einschließlich Transplant-freies Überleben und verbesserter linksventrikulärer Pumpfunktion nach 12 Monaten (12,2 % gegenüber 7,3 %, p = 0,04). Während die Beobachtungsstudie durch ihren retrospektiven Charakter limitiert ist, zeigt sie, dass größere multizentrische Studien in diesem Bereich notwendig sind, um den möglichen Nutzen einer Immunsuppression bei chronisch inflammatorischer Kardiomyopathie zu prüfen. Aktuell kann eine Immunsuppression als Second-Line-Therapie insbesondere bei ausbleibender Besserung mit Standardherzinsuffizienztherapie erwogen werden, vorausgesetzt, dass keine aktive Infektion mit Viren oder anderen Erregern vorliegt. 

Autoren
Dr. Bettina Heidecker
Prof. Dr. Ulf Landmesser
CharitéCentrum 11 für Herz-, Kreislauf- und Gefäßmedizin
Medizinische Klinik für Kardiologie CBF
Aus der Rubrik