Exzellenzinitiative: Eine Sackgasse für die Universitäten [1]
Sie dürfen sich Exzellenzuniversität nennen: die beiden Münchner Universitäten, die drei Berliner (FU, HU, TU) als Verbund, ferner die in Aachen, Bonn, Dresden, Hamburg, Heidelberg, Tübingen, Karlsruhe und Konstanz. Überraschungen sind ausgeblieben, Zweifel bestehen weiter.
Voraussetzungen
Nach dem Start zur Exzellenzstrategie waren von 63 Universitäten zunächst 195 Anträge auf Bewilligung eines Clusters eingegangen. Im September 2019 hat das zuständige Gremium (Wissenschaftsrat, Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern) entschieden, dass davon 57 Cluster von 34 Universitäten besonders gefördert werden, und zwar mit je drei bis fünf Millionen Euro jährlich. Im Endspurt um den Titel „Exzellenzuniversität“ befanden sich aber nur 17 Universitäten und zwei Verbünde. Voraussetzung nämlich war, dass eine Universität mindesten zwei Cluster gewonnen hatte, Verbünde benötigten drei. Sie konnten Anträge für die Verleihung des prestigeträchtigen Labels einreichen. Im Juli 2019 wurde entschieden, welche elf die begehrte Dekoration tragen dürfen.
Vorläufer
Bereits Anfang des Jahres 2004 hat die SPD mit der Forderung überrascht, Spitzenuniversitäten zu gründen bzw. auszumachen. Bund und Länder einigten sich schließlich darauf, „bis zu zehn“ Universitäten besonders zu fördern.
Der neue Wettbewerb wurde aufgeteilt in die drei Förderlinien „Exzellenzcluster“ (Förderung der Forschung eines Themenkomplexes), „Graduiertenschulen“ (Förderung von Doktoranden in einem breiten Wissenschaftsgebiet) und „Zukunftskonzepte“ (Entwicklung der Gesamtuniversität). Neun deutsche Universitäten sind zunächst als Sieger aus einem Wettbewerb hervorgegangen. Sie wurden in der Öffentlichkeit von Beginn an als „Eliteuniversitäten“ bezeichnet.
Schon 2006 wurden die beiden Münchner Universitäten und die in Karlsruhe in einer Art Vorab-Verfahren ausgewählt; im Herbst 2007 sind Aachen, Freiburg, Göttingen, Heidelberg, Konstanz, und die Freie Universität Berlin dazugekommen. Sie mussten je ein Exzellenzcluster und eine Graduiertenschule aufweisen, um dann mit einem guten Zukunftskonzept andere, die insoweit ebenfalls erfolgreich waren, zu übertrumpfen. Von den Endrundenteilnehmern beider Jahre waren nicht erfolgreich die Humboldt-Universität zu Berlin, Bochum, Bremen, Würzburg und Tübingen. Universitäten, die nicht die Endrunde erreicht hatten oder gar nicht in dieser dritten Förderlinie angetreten waren, konnten ebenfalls bewilligte Cluster und Schulen vorweisen.
Im Wissenschaftsbetrieb ist es gang und gäbe, dass Hochschulen mit Anträgen scheitern und andere Erfolg haben. Daran knüpfen sich regelmäßig aber nicht solche Effekte wie bei der Entscheidung über die Zukunftskonzepte. Es wirkte schon wie ein Fallbeil, wenn konkurrierende Einrichtungen in den erlauchten Kreis gelangten und ihnen in der Öffentlichkeit das Etikett „Elite“ angeheftet wurde, während andere insoweit leer ausgingen. Immerhin hatten (neben den in der Endrunde gescheiterten) elf weitere Universitäten sowohl ein Forschungscluster als auch eine Graduiertenschule bewilligt bekommen: Bielefeld, TU Berlin, Bonn, Darmstadt, Dresden, Erlangen, Gießen, Med. Hochschule Hannover, Kiel, Saarbrücken und Stuttgart. Weitere 12 waren wenigstens in einer der Förderlinien erfolgreich: Bayreuth, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Jena, Köln, Leipzig, Lübeck, Mainz, Mannheim, Münster, Ulm. Aber selbst Universitäten, die in den Listen mit Forschungsclustern und Graduiertenschulen nicht erschienen, zeichneten sich durch Schwerpunkte und zum Teil hervorragend vertretene Spezialdisziplinen mit weltweiter Anerkennung aus.
Zweifellos hat der Wettbewerb zu großen Anstrengungen in den Universitäten geführt und viele Kräfte mobilisiert. Der Erfolg allerdings war abhängig von der Qualität der Anträge, nicht von bereits erbrachter wissenschaftlicher Leistung. So hat denn der frühere Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Hubert Markl, das Verfahren gegeißelt, indem er davon sprach, dass die „zeitgeistschlüpfigsten Anträge“ honoriert worden seien. Die Folgen sind gravierend.
Die ersten beiden Förderstufen, Graduiertenschulen und Forschungscluster, passten in das bisherige System und waren grundsätzlich nicht zu kritisieren. Das Ärgernis bildeten die Zukunftskonzepte, an die der Exzellenzstatus geknüpft wurde.
Die neun mit dem Gütesiegel versehenen Universitäten lagen in fünf Bundesländern: Bayern (2), Baden-Württemberg (4), Nordrhein-Westfalen (1), Niedersachsen (1) und Berlin (1). Elf Länder waren leer ausgegangen.
Vergleiche
Im internationalen Vergleich ist es nicht nur das Geld, das den Unterschied ausmacht. Zu berücksichtigen ist neben der Finanzausstattung auch das Gesamtgefüge, in dem sich Universitäten bewegen. Will man vergleichbare Bedingungen schaffen, müssen die auserwählten deutschen Universitäten von einem Teil des Regelwerks befreit werden, in das sie eingezwängt sind. D. h. die Mitbestimmungsregelungen wären mindestens zu relativieren, die Kapazitätsvorschriften aufzuheben; die Universitäten müssten ihre Studierenden allein nach Leistungsaspekten auswählen dürfen und den Leitungen wäre eine Entscheidungskompetenz zu gewähren, wie die bewunderten Eliteuniversitäten des Auslands es vorsehen.
Daneben gibt es einen weiteren, gravierenden Unterschied: Die Mitglieder internationaler Spitzenuniversitäten sind stolz, dazu zu gehören. Hier aber hört man eher kritische Töne. Wissenschaftsbereiche, die nicht belohnt worden sind, fürchten Nachteile; Studierende äußern sich eher ablehnend: Der Lehre komme der Exzellenzstatus nicht zugute.
Verfahren wie zuvor
Auch die Fortführung der Exzellenzinitiative hat zu keiner Änderung des Verfahrens geführt. Aus dem Kreis der neun bis dahin in der Öffentlichkeit als Eliteuniversitäten bezeichneten Hohen Schulen sind im Juni 2012 drei eliminiert worden: Freiburg, Karlsruhe und Göttingen sind „abgestiegen“; sechs aus der ersten Runde galten weiter als Spitze: Aachen, Freie Universität Berlin, Heidelberg, Konstanz und die beiden Münchner Universitäten. In die höchste deutsche Universitätsklasse aufgestiegen sind die Humboldt-Universität zu Berlin, Bremen, Dresden, Köln und Tübingen.
Die nach der zweiten Entscheidungsrunde mit dem Gütesiegel versehenen elf Universitäten befanden sich in sechs Bundesländern: Baden-Württemberg (3), Bayern (2), Berlin (2), Nordrhein-Westfalen (2), Sachsen (1) Bremen (1) – die beiden letzten waren neu dazugekommen. Zehn Länder sind leer ausgegangen. Außer den Nord-Ländern Schleswig-Holstein und Hamburg sind die „neuen“ Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen, ferner Niedersachsen (nach dem Ausschluss von Göttingen), Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland „elitefreie Zonen“. Freundlicher als bei der Inaugenscheinnahme von nur der elf Sieger wurde der Eindruck, wenn man alle geförderten Universitäten betrachtete: 39 Universitäten aus 13 Bundesländern waren erfolgreich, 45 Graduiertenschulen und 43 Exzellenzcluster wurden insgesamt bewilligt. Neben den elf Exzellenz-Universitäten hatten sowohl eine Graduiertenschule als auch ein oder mehrere Cluster: die Absteiger und die in der Endrunde gescheiterten Bochum und Mainz, ferner Bielefeld, TU Berlin, Erlangen, Gießen, Kiel, Saarbrücken und Stuttgart. Ein oder mehrere Cluster hatten: Bonn, Chemnitz, Frankfurt/M, Hamburg, Med. Hochschule Hannover, Münster, Oldenburg und Würzburg. Mindestens eine Graduiertenschule weisen auf: Bamberg, Bayreuth, Darmstadt, Jena, Mannheim und Ulm. In sog. Ko-Sprecherschaft sind dabei: Düsseldorf und Regensburg. Die Universitäten in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind vollständig leer ausgegangen.
Die Auswahl in den abgelaufenen Runden trug deutliche Merkmale von Planwirtschaft, indem eine Anzahl vorgegeben wurde – „bis zu zwölf“ insgesamt und „höchstens fünf neue“. Vor allem war die Basis, auf der die jeweilige Entscheidung beruhte, viel zu schmal, um ein Urteil über eine Universität als Ganzes abzugeben.
Inzwischen gab es Versuche, sich von der Idee zu verabschieden, indem erklärt wurde, dass die dritte Förderlinie nicht fortgeführt werde. Bei den Elite-Titeln sei „eine Denkpause nötig“, so Prenzel nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des Wissenschaftsrats im Jahr 2014. In der Koalition auf Bundesebene wurden die Positionen für die Fortführung des Exzellenzwettbewerbs im Sommer 2015 abgesteckt: In der SPD hielt man nichts mehr von ganzen Exzellenz-Universitäten, Abgeordnete der Union wollten vier bis fünf Spitzenzentren.
Ungereimtheiten
Betrachtet man die in den verschiedenen Durchgängen mit Clustern oder Schools erfolgreichen Universitäten, so ergibt dies ein wechselndes Bild: Zum Teil konnten Vorhaben weitergeführt, manche mussten beendet werden, neue sind dazu gekommen. Daraus (und aus ansonsten bewilligten Drittmittel-Anträgen) kann auf Stärken und Qualität geschlossen werden. Die Abstände sind fließend und ständigen Positionsänderungen unterworfen. Wie will man erklären, dass z. B. Köln exzellent ist und Bonn sowie Münster demgegenüber nur in die 2. Liga gehören? Warum ist Freiburg plötzlich schlechter als Tübingen und war es zuvor umgekehrt und weshalb steht Göttingen hinter Bremen? Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortführen.
Nebenwirkungen
Die dritte Förderlinie kann folgenreiche negative Ergebnisse für das deutsche Hochschulwesen haben, weil sie eine sachlich nicht begründbare Differenzierung zwischen den Universitäten bedeutet und eine scharfe Trennlinie zieht. Es gibt Unterschiede von Fach zu Fach. Die Einordnung ganzer Universitäten nach Zukunftskonzepten ist der falsche Weg. Was den Hasardeuren der Hochschulpolitik in den 1970ern durch unreflektierte Reformen nicht gelungen ist, nämlich einen Teil der deutschen Universitäten auf Dauer zu beschädigen, geschieht mit einer über das Ziel hinausschießenden Förderpolitik und einem pseudo-wissenschaftlichen Verfahren. Unsinnige Gesetze kann man aufheben, mindestens novellieren oder revidieren. Die Nichtaufnahme in den Kreis der Exzellenz-Universitäten, schlimmer noch die Herabstufung, können negative Folgen auf Dauer haben.
Das deutsche Universitätssystem hat seinen weltweit guten Ruf dadurch erworben, dass an unterschiedlichen Orten Exzellentes geleistet wurde. Leuchttürme in der Provinz halten Zentralisten für ein Ergebnis von Kleinstaaterei, Befürworter für die segensreiche Konsequenz des Föderalismus. Dass es dennoch dazu kommt, dass sich an einigen Plätzen mehr hervorragende Wissenschaftler zusammenfinden als an anderen, ist kein Widerspruch. Dort, wo eine Reputation von Fachdisziplinen bzw. deren Vertretern besteht, ist der Anschluss an die international führenden Universitäten gegeben. Das hängt nicht von formalen Entscheidungen auf nationaler Ebene ab, wer „Spitze“ sein soll, sondern von der informellen Anerkennung durch die Scientific Community.
Kein Gremium hat Harvard oder Berkeley zur Eliteuniversität ernannt; sie sind es dank der an ihnen vertretenen Fächer und ihrer dort tätigen Wissenschaftler in einem über Jahrhunderte dauernden Prozess geworden. Die Zäsur des Exzellenzwettbewerbs führt dazu, dass vieles, was an nicht berücksichtigten Universitäten mit hoher Qualität aufgebaut worden ist, übergangen wird. Solche Wirkungen bedeuten auf jeden Fall (Kollateral-) Schäden.
Ranking
Beim Ranking von Universitäten, also dem Versuch, die Leistung zu messen, sind sich alle ernst zu nehmenden Experten einig, dass ein Urteil über ganze Universitäten nicht abgegeben werden kann, weil sie zu heterogen sind, was Größe, Fächervielfalt und Rahmenbedingungen angeht. Deshalb sind seriöse Aussagen allenfalls möglich, indem Fächer verglichen werden. Beim Exzellenzwettbewerb allerdings soll der Eindruck erweckt werden, man könne Universitäten als Ganze vergleichen und beurteilen. Die Folge ist einerseits, dass Fächer, die nur eine mittlere Qualität aufweisen, u. U. als Trittbrettfahrer einer sog. Elite-Universität mitreisen. Andererseits können besonders gut vertretene Fächer an Universitäten, die nicht das Exzellenz-Etikett tragen, an Bedeutung verlieren. Das gilt selbst dann, wenn sie in der Konkurrenz um Cluster und Schulen erfolgreich waren, aber nicht unter dem Dach einer Exzellenzuniversität angesiedelt sind.
Offizielle Zweifel
Der Wissenschaftsrat wollte mit der Vorlage der „Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems“ klammheimlich Abschied von den Zukunftskonzepten nehmen, die entscheidend für die Auswahl von elf Exzellenz-Universität waren. In einem Entwurf war deutlich ausgesprochen worden: Eine Hierarchisierung der Hochschulen sei unerlässlich. Neben zwei bis fünf Spitzenuniversitäten sollten 20 bis 25 forschungsstarke Institutionen das Bild bestimmen. Daneben müsse die Mehrheit in erster Linie Lehraufgaben wahrnehmen, um die anstehenden geburtenstarken Jahrgänge zu bedienen.
Mit einer solchen Richtungsänderung hätte der Wissenschaftsrat eine von ihm in den 1960er Jahren begangenen Fehlsteuerung korrigiert. Indem die Universitäten und nicht die Fachhochschulen massiv ausgebaut worden sind, hat man seinerzeit die Weichen falsch gestellt.
Die sog. Imboden-Kommission, bezeichnet nach ihrem Vorsitzenden, zur Evaluation der Exzellenzinitiative eingesetzt, hat in ihrer Bewertung vorgeschlagen, die dritte Förderlinie in der bisherigen Form nicht fortzuführen. Das bedeutete, dass Universitäten nicht mehr auf Grund mehr oder weniger vager Vorstellungen den Exzellenzstatus zugesprochen erhalten und in der Öffentlichkeit als Elite-Universitäten durchgehen. In Zukunft sollte auf der Basis erbrachter Leistungen ein Urteil gefällt werden. Gedacht sei an zehn Universitäten, die eine Exzellenzprämie erhalten könnten.
Politische Entscheidung
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz hat die Anregungen nicht berücksichtigt. Zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative, so der Vorschlag der GWK, sollten 385 Millionen Euro für zweimal sieben Jahre an Exzellenzcluster, 148 Millionen an acht bis elf dauerhaft geförderte Exzellenzuniversitäten vergeben werden. Für letzteres sollten sich nur Universitäten bewerben dürfen, die zuvor zwei neu bewilligte Cluster eingeworben hätten.
Statt die Exzellenzprämie von erbrachten Vorleistungen abhängig zu machen, wie die eigens zur Bewertung der bisherigen Initiative eingesetzten Kommission vorgeschlagen hat, sollte es beim Antragsverfahren bleiben. Zwar sollen auch bisherige Forschungsleistungen berücksichtigt werden, z. B. Drittmittel, Preise, Erfolge in bisherigen Runden der Exzellenzinitiative. Für die Erringung des Titels „Exzellenzuniversität“ sollten aber weiter Zukunftspläne herangezogen werden. In strategischen Gesamtkonzepten sollen sie sich zu ihrer Governance, Berufungsstrategie und ihrem institutionellen Reifegrad äußern. Damit bestand weiter die Befürchtung, dass die Zukunftskonzepte den Ausschlag geben und die erbrachten Leistungen nur als Nebenkriterium verwendet werden.
Im Juni 2016 haben die Ministerpräsidenten das von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz beschlossene Konzept im Wesentlichen übernommen. Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten haben sich darauf geeinigt, dass elf Universitäten den begehrten Titel „Exzellenzuniversität“ erreichen können. Nach sieben Jahren wird geprüft, ob sie tatsächlich „Spitzenleistungen“ erbracht haben. Ist das der Fall, behalten sie den Status. Daneben können vier weitere Universitäten die hohen Weihen zugesprochen bekommen. Bisher war in der Diskussion, dass neue nur in den erlauchten Kreis gelangen können, wenn bisherige Titelhalter absteigen.
In der Öffentlichkeit wird der Eindruck vermittelt, zwischen den „Elite-Universitäten“ und dem „Rest“ bestehe eine Zäsur. Bedenkt man, dass die Entscheidungen für mindestens sieben Jahre gelten, wobei viel schon jetzt dafür spricht, dass die Förderung in den meisten Fällen noch einmal um dieselbe Zeit verlängert werden wird, so werden die Weichen mit der anstehenden Körung von elf auf Dauer gestellt.
Mit der Exzellenzinitiative sollte der Abstand der deutschen Hohen Schulen vor allem zu US-amerikanischer Eliteuniversitäten verringert werden; an ein Aufholen war hinsichtlich der finanziellen Ausstattung ohnehin nicht zu denken.
Im Ergebnis wird das Gegenteil eintreten: Dem deutschen Universitätssystem, das aus historischen Gründen und wegen der föderalen Struktur der Bundesrepublik keine „Leuchttürme“ nur an wenigen Orten ausweist, sondern an vielen Plätzen fachlich Hervorragendes zu bieten hat, wird Schaden zugefügt. Schon die Auswahl der elf wird eine Zäsur bedeuten, die, wie die Vergangenheit gezeigt hat, mehr als Zweifel aufkommen lässt.
Eine Differenzierung, sogar Hierarchisierung des deutschen Universitätssystems ist zwar unerlässlich, weil es mit über 80 staatlichen Universitäten zu viele gibt und nicht alle das Niveau von Forschungsuniversitäten haben. Diesen Fehler beim Ausbau und bei den Neugründungen kann man aber nicht durch eine neuerliche Fehlentscheidung korrigieren. Richtig wäre es, Qualität dort zu belohnen und zu fördern, wo sie nachweislich vorhanden ist. Das ist an den Universitäten in unterschiedlichem Maß der Fall, mit Sicherheit aber nicht auf elf beschränkt.
Legt man den Maßstab an, dass Leistungen in der Vergangenheit maßgebend sein sollen und klammert die seinerzeit für den Exzellenzstatus entscheidenden Zukunftskonzepte aus, zeigt dies den schwankenden Boden der früheren Entscheidung über Exzellenz.
In eine entsprechende Konkurrenz gehören mehr als elf deutsche Universitäten. Man kommt leicht auf etwa 25 (plus zwei bis fünf), wie vom Wissenschaftsrat zwischenzeitlich in die Diskussion gebracht, die alle das Zeug zur Spitze haben. Einige unter ihnen mögen „spitzer“ als andere sein; sie heben sich aber nicht so deutlich ab, als dass eine Zäsur nach elf Auserwählten vorgenommen werden dürfte. Dies hat auch Dieter Imboden sehr deutlich betont, als er in einem Spiegel-Interview erklärte, dass aufgrund von Anträgen allein (für die Anerkennung als „Exzellenzuniversität“) man die Besten nicht von den Guten unterscheiden könne. Mit der Exzellenzstrategie bleibt das deutsche Hochschulsystem weiterhin verkorkst.
Fehlerbereinigung
In gewisser Weise bedeutet der Exzellenzwettbewerb mit seinen Konsequenzen die Korrektur eines Anfangsfehlers zu Beginn der Reformen: Die Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen verteilen sich mit rund 1,75 Millionen zu ca. 930.000 im Verhältnis 2/3 zu 1/3. Besser wäre eine umgekehrte Relation.
Indem seinerzeit die Universitäten und nicht die Fachhochschulen massiv ausgebaut wurden, hat man den ersten Fehler gemacht. Damit war vorgegeben, dass die Universitäten vor allem für das Gros der Studienberechtigten Plätze bereithalten müssen. Konsequent war dann zwar, muss aber als zweiter Fehler registriert werden, dass auch die Universitäten Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor“ anbieten müssen. Der dritte Fehler ist, dass die Fachhochschulen auch Master-Abschlüsse offerieren. Richtig wäre gewesen, mit Beginn der Expansion die Fachhochschulen auszubauen und dort, und nur dort, als ersten berufsqualifizierenden Abschluss den Bachelor vorzusehen. Indem auch die Universitäten diesen Abschluss ermöglichen, der die Antwort auf das Anwachsen der Studierendenzahl ist, wurde die klassische Universität mit ihrem Bildungskonzept verabschiedet. Das bedeutete, wie gelegentlich flapsig, aber zutreffend bemerkt wird, „Opas Universität ist tot“.
Nachdem man gemerkt hatte, dass die Massenuniversität dazu geeignet war, den Wissenschaftsstandort Deutschland zu gefährden, verfiel man auf die Idee der Exzellenzinitiative. Dabei erweist sich die dritte Förderlinie, die Honorierung von Zukunftskonzepten, als mittlerweile Fehler Nr. 4. Durch das Hochjubeln ganzer Einrichtungen zu Elite-Universitäten, obwohl nur höchst selektiv Aussagen über die Qualität getroffen worden sind, gelingt es an solchen Institutionen auch Durchschnittlichem, in besserem Licht zu erscheinen, und gerät zugleich Besseres an anderen Orten ins Abseits.
Die Exzellenzstrategie ist für die begünstigten Universitäten eine angenehme, gern wahrgenommene zusätzliche Finanzierungsquelle. Der große Wurf ist sie nicht. Und schon gar nicht ist sie dazu geeignet, den Abstand zu den ausländischen Spitzenuniversitäten merklich zu verringern. Für das deutsche Hochschulsystem führt sie zu einer nicht gerechtfertigten Differenzierung, deren Nachteile nicht durch Vorteile aufgewogen wird.
[1] Zur Reform der Hochschulen s. Turner, Hochschulreformen – Eine unendliche Geschichte seit den 1950er Jahren, 381 Seiten, Duncker & Humblot, 2018.
[2] Der 1935 in Ostpreußen geborene George Turner studierte Rechtswissenschaft. 1960 promovierte er an der Universität Göttingen. Nach der Assistenten- und Dozententätigkeit von 1963 bis 1970 an der TU Clausthal war er von 1970 bis 1986 Präsident der Universität Hohenheim, zwei Amtsperioden (1979–83) Präsident der Rektorenkonferenz und von 1986 bis 1989 parteiloser Senator für Wissenschaft und Forschung in (West-) Berlin, anschließend bis 2000 ordentlicher Professor an seiner früheren Wirkungsstätte, der Universität Hohenheim, und zugleich Gastprofessor an der Humboldt-Universität. Daneben meldete er sich weiter in zahlreichen Veröffentlichungen zu hochschulpolitischen Fragen zu Wort.