Signalwege in der klinischen Immunologie

Das Immunsystem ist für die Unversehrtheit und das reibungslose Funktionieren des gesamten menschlichen Körpers unter Einbeziehung aller Organe verantwortlich. Daher ist die klinische Immunologie ein Fach, das nicht nur die Krankheiten der Immunschwäche, Hämatologie, Rheumatologie und Allergie umfasst, sondern ein Querschnittsfach, das alle Organsysteme von der Neurologie, Endokrinologie und Gastroenterologie bis hin zur Augenheilkunde, Kardiologie und Infektionskrankheiten einschließt, um nur einige zu nennen.
Jeder Patient hat sein eigenes Immunrepertoire – und aufgrund dieser Einzigartigkeit des Immunsystems jedes Patienten ist die personalisierte Medizin (auch Präzisionsmedizin genannt) eine Voraussetzung für die Behandlung von Patienten mit Störungen der Immunregulation. Klinische Immunologen müssen den Defekt des Immunsystems ihrer Patienten verstehen, bevor sie die beste Behandlung für ihren Patienten anbieten können. Wir glauben, dass es einen Unterschied macht, ob Ihr Patient eine TNF-, eine IFN- oder eine Th17-getriebene Immundysregulation hat.
Ähnlich wie die verschiedenen Bereiche der Medizin bewegt sich auch die klinische Immunologie über die Skalen der Biologie hinweg: vom Organ über Zellpopulationen bis hin zu einzelnen Zellen, von Zelloberflächenmarkern bis zur intrazellulären Signalübertragung, von Transkriptionsfaktoren über die epigenetische Regulation von Genen bis hin zur genetischen Prädisposition des einzelnen Patienten.
Über diese Skalen hinweg konzentriert sich diese Ausgabe von Trillium Immunologie auf einige wenige Signalwege, die in Immunzellen wichtig sind, und zeigt einige Achillesfersen auf, für die sich die aktuelle, aber auch die zukünftige Entwicklung von Medikamenten lohnen könnte:

  1. Der derzeitige Fokus der Immun-Checkpoint-Modulation liegt auf der Beeinflussung der entsprechenden Rezeptoren auf der Zelloberfläche, was sehr spezifisch und in der Tat erfolgreich ist. Es könnte aber auch die nachgeschaltete Signalmodulation in Betracht gezogen werden.
  2. Einer der wohl am besten untersuchten Signalwege beim Menschen ist der JAK-STAT-Signalweg. Small molecules, die mit diesem Signalweg interferieren, haben jedoch erst vor kurzem mit ihrem erfolgreichen Siegeszug in die Klinik begonnen: Mittlerweile sind schon vier JAK-Inhibitoren zugelassen, die in diesen wichtigen Zytokin-Signalweg eingreifen.
  3. Für den ähnlich gut untersuchten NFkB-Signalweg steht diese Translation in die Klinik noch aus. Obwohl die NFkB-Signalübertragung für fast alle Immunzellen von zentraler Bedeutung ist, sind nur sehr wenige Wirkstoffe bekannt, die in diesen wichtigen Si-
  4. gnalweg eingreifen.
  5. Ähnlich verhält es sich mit der selektiven Modulation der Chemokin-Signalübertragung. Obwohl für fast jedes wichtige Organsystem (einschließlich des zentralen Nervensystems, des kardiovaskulären, respiratorischen, metabolischen und urogenitalen Systems) Medikamente zugelassen sind, die auf G-Protein-gekoppelte Rezeptoren abzielen, gibt es nur wenige zugelassene Medikamente (z. B. Plerixafor und Maraviroc), die selektiv in die menschlichen G-Protein-gekoppelten Chemokin-Rezeptoren des Immunsystems eingreifen. So hemmt Plerixafor die Bindung von CXCL12 an den CXCR4-Rezeptor und mobilisiert dadurch Granulozyten in die Peripherie (ema.europa.eu/medicines/human/orphan-designations/eu304227), während Maraviroc den CCR5-Rezeptor blockiert und dadurch das CCR5-tropische HIV-1 stark unterdrückt (Latinovic OS et al. 2019, PMID: 31414081).
  6. Bei den Toll-like-Rezeptoren ändert sich das glücklicherweise auch langsam: Medikamente ähnlich wie Imiquimod halten gerade Einzug in die Kliniken und sind vielversprechende Angriffspunkte nicht nur für Virusinfektionen und Krebs, sondern auch für entzündliche Erkrankungen (Patel MC et al. 2014, PMID: 25620999).
  7. Dass das Inflammasom eine zentrale Rolle bei Entzündungen spielt und daher ein vorrangiges Ziel medizinischer Interventionen sein sollte, ist seit seiner Erstbeschreibung zu Beginn dieses Jahrhunderts durch den verstorbenen Jurg Tschopp klar. Dennoch stehen Medikamente, die spezifisch in die Bildung des Inflammasoms eingreifen, erst kurz vor dem Eintritt in die klinische Praxis (NALP3-Inhibitoren).

Diese Ausgabe von Trillium Immunologie macht jedoch deutlich, dass noch viel mehr immunologische Grundlagenforschung betrieben werden muss, bevor wir alle für Immunzellen wichtigen Signalwege vollständig verstehen. Nur ein detailliertes Wissen über die exakten biologischen Prozesse wird uns in die Lage versetzen, diese Erkenntnisse in die klinische Praxis umzusetzen, um unseren Patienten zu helfen. Eine der derzeit attraktivsten Möglichkeiten, zelluläre Signalwege zu beeinflussen, ist der Einsatz von Licht. Ein fantastischer Artikel von Wilfried Weber und Mitarbeitern rundet diese Ausgabe über „Signalwege in der klinischen Immunologie“ ab.
Bei der Lektüre dieser Artikel (die übrigens von jungen Studenten der Immunologie für Sie vorbereitet wurden) wünsche ich Ihnen viel Spaß und neue Erkenntnisse.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Bodo Grimbacher

 

Autor
Bodo Grimbacher
Sprecher des Arbeitskreises Klinische Immunologie (AKKI) der Deutschen Gesellschaft für Immunologie