Neueste Erkenntnisse zur Tumorbiologie und -immunologie durch translationale Forschung im Feld neuer immunonkologischer Therapieverfahren
Aus der Klinischen Forschung
Key Facts
- Die Immunonkologie (IO) hat sich als 5. Therapiesäule moderner Krebstherapie etabliert.
- Translationale Forschungsprojekte im Feld der IO haben einen enormen Wissenszuwachs zur Komplexität der Tumor-Mikroumgebung beigetragen und werden IO-Therapien weiter verbessern.
- Verbesserte Biomarker sind notwendig, um das Therapieansprechen auf Immuntherapien besser vorhersagen zu können.
Einleitung
Die Verleihung des Nobelpreises für Medizin im Oktober 2018 an T. Honjo und J. P. Allison zeigt die Bedeutung der Erfolge dieser beiden Ausnahmeforscher als grundsteinlegende Wissenschaftler im Feld immunonkologischer Therapieverfahren. Ihre Forschungsarbeiten haben dazu geführt, dass sich die IO sowohl als neuartige Therapiesäule entwickeln konnte, als auch die herkömmlichen Therapieprinzipien in der Onkologie – wie Operation, Radio-, Chemo- und gezielte Krebstherapie (eng. targeted therapy) – ergänzt. Die Checkpoint-Antikörper gegen CTLA-4 und PD1/PD-L1 sind die Vorreiter dieser neuen Therapiemodalität. Klinisch translationale Forschungsprojekte sind dabei von höchster Relevanz, um Resistenzentwicklungen und das Ansprechen von Patienten auf diese neuen Therapeutika besser vorhersagen zu können, um damit immunonkologische Therapieverfahren optimieren zu können. Wenn man die Ansprechraten quer über die vielen Tumor-Entitäten betrachtet, profitieren derzeit immer noch nur relativ wenige Patienten wirklich nachhaltig und langzeitig von o. g. Therapeutika. Warum in bisher klinisch aussichtslosen Situationen einzelne Patienten unter der Gabe von Checkpoint-Antikörpern über Jahre profitieren, ist ebenfalls nicht ausreichend verstanden. Die Beobachtung gibt aber Anlass zur Hoffnung, über ein besseres Verständnis und die Vorhersage des klinischen Nutzens insgesamt die Therapien weiter entwickeln zu können, um letztlich mehr Patienten mit Tumorerkrankungen langfristig besser helfen zu können.
Diskussion
CTLA-4/CD86 und PD-1/PD-L1 sind endogene Liganden-/Rezeptor-Paare, welche die Aktivierung von T-Zellen limitieren. Passend hierzu entwickeln PD-1-defiziente Mäuse Autoimmunität. Diese Erkenntnis und vorklinische Experimente haben schlussendlich zur klinischen Entwicklung der Checkpoint-Antikörper (bekannteste Beispiele: Ipilimumab blockiert CTLA-4, Nivolumab und Pembrolizumab blockieren PD-1, Atezolizumab blockiert PD-L1) geführt. Zugelassen sind diese Antikörper zur Behandlung des metastasierten Melanoms, Bronchial- und Nierenzell-Karzinoms sowie von Kopf-Hals-Tumoren [1–3]. Die Wirksamkeit ist aber auch bei vielen anderen Tumorarten, wie Mismatch(MM)-Repair-defizientes Kolorektal-Karzinom, Ovarial-Karzinom und Morbus Hodgkin, gezeigt worden. Langzeitdaten beispielsweise von Patienten mit metastasiertem malignem Melanom unter Ipilimumab-Therapie zeigen ein Plateau der Überlebenskurve bei zirka 20%, sodass hier trotz der initial aus früherer Sicht infausten klinischen Situation zwei von zehn Patienten langzeitig von einer immunaktivierenden Therapie profitieren. In der Kombination von CTLA-4 und PD-1-Blockade zeigen die Langzeitdaten sogar fast 60% Gesamtüberleben nach drei Jahren [4]. Eventuell können mit diesen Therapeutika in dieser Situation Langzeit-Heilungen im metastasierten Stadium der genannten Erkrankungen erreicht werden. Es ist eminent wichtig zu verstehen, welche Mechanismen in genau diesen Patienten ausgelöst werden (können), um diese starke Anti-Tumor-Immunantwort induzieren zu können. Ebenfalls wird es von zentraler Bedeutung sein, in translationalen Forschungsarbeiten herauszukristallisieren, welche Prädiktoren (Biomarker) ein Therapieansprechen bzw. -versagen vorhersagen können. Hier sind bereits einige sehr spannende Arbeiten aus dem translationalen Bereich publiziert worden, die hier kurz besprochen werden sollen.
Die klinische Beobachtung, dass Raucher auf PD-1-blockierende Antikörper besser ansprechen, hat viele klinisch tätigen Onkologen überrascht, vor allem, da bisher immer die Raucher prognostisch als schlechter eingestuft wurden. In einer herausragenden Arbeit konnte in einem klinisch translationalen Programm durch die Sequenzierung des Genoms der Raucher und Nicht-Raucher gezeigt werden, dass langjähriger Tabakkonsum offensichtlich eine viel höhere genetische Heterogenität/Mutationslast in den Tumoren induziert, die dann wiederum immunologisch sichtbare Neo-Epitope generiert [5]. Diese werden je nach HLA-Hintergrund des jeweiligen Individuums in unterschiedlicher Affinität dem Immunsystem präsentiert und damit T-Zellantworten generiert. Raucher haben also eine viel höhere „immunologische Sichtbarkeit“ ihrer Tumoren. Dies spiegelt sich auch in einer erhöhten Frequenz präformierter Tumor-Antigen-spezifischer T-Zellen in rauchenden Patienten wider, die durch die Checkpoint-Antikörper zur Immunreaktion gegen die (vermehrt mutierten) Tumorzellen reagieren können. Diese Beobachtung wird auch durch Daten aus dem kolorektalen Karzinom gestützt. Hier sprechen vor allem jene Patienten mit Mismatch(MM)-Repair-Defizienz an. Durch die MM-Repair-Defizienz sind auch hier die Tumoren besonders reich an Mutationen, die zu den oben genannten T-Zellantworten führen. Strategien, welche vor einer Checkpoint-Antikörper-Therapie die Mutationslast erhöhen und damit zur Formationen einer endogenen Immunreaktion gegen den Tumor führen, werden bereits angedacht [6]. Die Strahlentherapie wäre beispielsweise dafür bekannt, Mutationen in Gewebe induzieren zu können.
Die Beobachtung, dass die Immunogenität des Tumors auch über das Infiltrationsmuster der Immunzellen entscheidet, und man neben der Immunogenität auch versuchen kann, sogenannte „hot tumors“ zu generieren, zeigen Daten der Kombination eines onkolytischen Virus (talimogene laherparepvec) mit PD-1-Blockade [7]. Hierbei zeigte sich beim metastasierten Melanom eine objektive Ansprechrate von 62% und eine komplette Remissions(CR)-Rate in einem Drittel der Patienten. Dabei hatten ansprechende Patienten eine höhere Interferon-Signatur als Ausdruck einer erhöhten CD8+-T-Zell-Infiltration, die von einer erhöhten PD-L1-Expression begleitet war. Diese Daten suggerieren, dass bei lokal zugänglichen Tumoren eine Kombination mit onkolytischen Viren ein gutes Adjuvans einer verbesserten PD-1/PD-L1-gezielten Therapie sein kann. Hierbei sind natürlich auch zielgerichtetere Strategien, wie beispielsweise die Applikation von RIG-I-Agonisten [8] oder Aktivierung von STING-Agonisten [9] mittels zyklischer Dinukleotide, denkbar und in präklinischen Modellen bereits getestet.
Die systemische Immunität ist aber auch maßgeblich durch das gastrointestinale Mikrobiom determiniert. Es zeigte sich bereits 2015 in präklinischen Arbeiten, dass die mikrobielle Flora einen essenziellen Faktor für die Effektivität von Checkpoint-Antikörpern darstellt [10]. In der weiteren Folge wurde dann definiert, dass es bestimmte GI-Mikrobiom-Signaturen gibt, die eindeutig mit einer schlechteren anti-tumoralen Immunantwort assoziiert sind (z. B. hoher Anteil an Bacteroidales) [11, 12]. Interessanterweise kann man in durch Antibiotika dekontaminierten Mäusen nach Transfer des Mikrobioms aus Patienten, die zum einen auf Checkpoint-Antikörper angesprochen oder nicht respondiert haben, auch in den Tieren das Ansprechen im Humansystem kopieren. Zudem zeigte sich, dass Patienten, die 2 Monate vor bis 4 Wochen nach Start einer Checkpoint-Antikörper Therapie Antibiotika erhalten haben, deutlich schlechter auf die Immuntherapie ansprechen, und die mediane Progressions-freie Zeit erheblich kürzer sowie der Anteil an Patienten, die eine Progression haben, auch deutlich geringer ist. Diese Daten legen nahe, dass eine prospektive Bestimmung und evtl. auch Modifikation des GI-Mikrobioms eine Möglichkeit darstellen könnte, die Checkpoint-Antikörper-Therapie effektiver zu gestalten [13]. Ein zusätzlicher Aspekt sind metabolische Veränderungen. Eine kürzlich publizierte Arbeit konnte beispielsweise zeigen, dass genetische Veränderungen im Harnstoff-Metabolismus zu einer erhöhten Anzahl an Mutationen führen, indem die Pyrimidin-/Purin-Ratio verändert wird, die wiederum die Mutationsrate deutlich steigert [14]. Jene Pateinten mit Veränderungen des Tumor-Metabolismus haben auch ein signifikant besseres Ansprechen auf Immuncheckpoint-Antikörper-Therapien. Die exaktere Charakterisierung des Immun- sowie des Tumor-Metabolismus vor und unter Therapie, auch mit dem Ziel, dort sogenannte „metabolic vulnerabilities“ zu identifizieren, ist ein zentrales Forschungsfeld zur Verbesserung vorhandener Therapien.
Der letzte wichtige und durch eine Reihe an translationalen Publikationen gestützte Punkt ist die Frage, inwieweit das Expressions-Niveau des PD-1-Liganden (PD-L1) im Tumorgewebe das Ansprechen auf Checkpoint-Antikörper vorhersagt. Hier haben eine Vielzahl an Studien den Nachweis erbracht, dass die Menge an PD-L1 im Tumorgewebe durchaus mit der Ansprechwahrscheinlichkeit auf die Therapie korreliert, dass dies aber kein eindeutig diskriminierendes Bild liefert, sodass einzelne Patienten mit sehr niedriger bis zu gar keiner PD-L1-Expression ebenfalls von einer PD-1-blockierenden Therapie profitiert haben. Zudem besteht bisher kein Konsensus bezüglich der Antikörper und der Auswertungsalgorithmen der PD-L1-Expression, weshalb die Ergebnisse unterschiedlicher Studien oft nicht ausreichend miteinander vergleichbar sind. Hier ist sicher eine bessere Standardisierung unter den Pathologen notwendig, um die Bedeutung der PD-L1-Expression für die klinische Praxis besser zu definieren. Erste Bestrebungen haben zum Beispiel den „Combined Positive Score“ (CPS) entwickelt, der eine relativ hohe Vorhersagekraft bez. des Ansprechens ermöglicht. Mit dem CPS konnten neun von elf Respondern identifiziert werden; die Inter-Observer-Variabilität ist gering [15]. Es ist essenziell, dass global angewendete Scores etabliert werden, vor allem um Studien- und Behandlungsergebnisse untereinander vergleichen zu können. Die Expression von PD-L1/L2 im Tumorgewebe wird aber nur einen Teil des Wirkmechanismus erklären, da die Liganden auch für das T-Zell-Priming im Lymphknoten im Bereich der sogenannten immunologischen Synapse verantwortlich sind, die Antigen-präsentierende Zellen mit T-Zellen verbindet und zur Aktivierung der T-Zellen führt. Aus diesem Grund wurde neben dem CPS ein IC-Score entwickelt, der nicht nur die Expression von PD-L1 auf Tumoren, sondern auch auf Tumor-infiltrierenden Immunzellen integriert und graduiert.
Resümee
In der Immunonkologie verbinden sich Grundlagenforschung mit klinischer Arbeit in einer erstaunlich dynamischen Art und Weise. Daraus haben sich eine Vielzahl an Erkenntnissen zur Tumorbiologie, Tumorimmunologie und vor allem genetischen Heterogenität von Malignomen ergeben. Diese werden dazu beitragen, Behandlungsstrategien zu verfeinern, z. B. durch eine verbesserte Vorhersage des potenziellen Therapienutzens. Letztlich geht es darum, die vielfältigen individuellen Faktoren des Tumors (z. B. Mutationslast, PD-L1/L2-Expression, zusätzliche Mutationen etc.) und des Patienten inkl. dessen Immunsystems (z. B. präformierte T-Zellfrequenzen, Mikrobiom des Darmes etc.) zu erfassen, um im Sinne der personalisierten Präzisionsmedizin diese neuen Therapeutika gezielter einsetzen zu können und/oder durch Manipulation dieser Faktoren die Therapieergebnisse zu verbessern.