NAT-Workflow: Innovation, Implementation, Konsolidierung ...

Tabelle: Komplettsysteme Nukleinsäuretestung

Tabelle: Assayportfolio

 

Seit der Erfindung der PCR durch Kary Mullis in den 1980er-Jahren sind die Nukleinsäure-Amplifikationsmethoden eine Erfolgsgeschichte mit rasanter Entwicklung. Die Methoden werden kontinuierlich in alle Richtungen und für jeden Zweck weiterentwickelt. Dabei kommen u. a. Techniken der Automation, der Miniaturisierung, der Mikrofluidik und der Künstlichen Intelligenz zur Anwendung, um Systeme für jeden Bedarf, für jede Laborgröße und auch für den Point of Care (POC) zu konstruieren.

Nach der Coronavirus-Pandemie ist es jetzt an der Zeit zu konsolidieren, nach neuen Entwicklungen Ausschau zu halten und diese letztendlich umzusetzen. Allerdings lässt sich die Realität in der Regel nicht so leicht in ein Schema pressen. Während wir diese Produktübersicht zusammenstellen, steigen die SARS-CoV-2-Zahlen mit den neuen Varianten bereits wieder an.

 

Systeme für jeden Bedarf

Während der Pandemie haben zahlreiche bereits bekannte und auch neue internationale Hersteller auf dem deutschen Markt Fuß gefasst, sodass eine Vielzahl an Systemen zur Verfügung steht. Die Coronavirus-Pandemie ist mittlerweile offiziell beendet, die Hersteller haben gut verdient und auch die Zukunft sieht hinsichtich der Verdienstmöglichkeiten gut aus. Jetzt benötigen sie Zeit für die Weiterentwicklung der Systeme und die Entwicklung neuer Assays.

POC-Geräte benötigen lediglich zwei getrennte Bauteile: Das erste ist ein Steuer­gerät, das zusätzlich über eine Heiz- und Kühlfunktion sowie den Detektor enthält. Die Steuereinheit sorgt dafür, dass die notwendigen Bedingungen, z. B. die Temperaturzyklen, eingehalten und die Bildung der Amplifikate in Echtzeit verfolgt werden können. Als zweite Komponente werden Test- oder erregerspezifische Kartuschen benötigt, die bereits alle Reagenzien in voneinander getrennten Kompartimenten beinhalten. Die Reaktion wird durch die Zugabe der Patientenprobe und die gezielte Durchmischung der Reagenzien gestartet. Die gesamte PCR-Analyse ist nach 15 bis 20 Minuten abgeschlossen. Die gebrauchte Kartusche bleibt als einziger Abfall zurück, wenn man von den Materialien für die Probengewinnung und die Beimpfung der Kartusche absieht.

 

Von modular bis integriert ...

In der vorliegenden Tabelle lässt sich die Entwicklung eines modularen NAT-Workflows mit teilweise manuellen Arbeitsschritten hin zu einem integrierten System ohne manuelle Eingriffe sehr gut nachvollziehen. Der Begriff modular kann allerdings sehr unterschiedlich interpretiert werden. Die modularen Systeme können z. B. aus deutlich voneinander getrennten Komponenten und/oder Gerätschaften bestehen, bei denen der Transfer von der Probenvorbereitung zur Amplifikation/Detektion manuell erfolgt. Es handelt sich um bewährte, zuverlässige Systemkomponenten wie Liquid Handler und PCR-Cycler; der manuelle Zwischenschritt ist in der Regel wenig zeitintensiv. Letztendlich entscheidet die Situation im jeweiligen Labor über die optimale Geräte­konstellation. So können z. B. die ökonomischen und räumlichen Bedingungen vor Ort genauso mitentscheidend sein wie die Personalsituation. Der modulare Vollautomat hat eine ganz andere Entwicklung genommen: Das System ist bereits seit vielen Jahren als modulares System, das noch einen manuellen Eingriff erforderte, auf dem Markt. Während der Pandemie wurde es um einige Bauteile ergänzt, beispielsweise um einen Roboterarm, eine Plattenversieglung und die erforderliche Steuerungssoftware, sodass es nun ein Vollautomat ist.

Die Bezeichnung „modulares System“ kann auch einen anderen Hintergrund haben: Das System in Spalte 3 wird vom Hersteller als modular bezeichnet, weil es aus drei unterschiedlichen Modulen zusammengesetzt sein kann, die verschieden miteinander kombiniert werden können. Ein Modul ist für die Probenvorbereitung zuständig, die beiden anderen werden für den Nachweis unterschiedlicher Erregergruppen, z. B. HPV, eingesetzt und können je nach Bedarf unterschiedlich miteinander kombiniert werden.

Die integrierten Systeme unterscheiden sich in erster Linie durch das angebotene Assayportfolio, ihren Probendurchsatz, ihren Platzbedarf und zahlreiche individuelle Besonderheiten.

 

Kontaminationen

Besonders in der Molekularbiologie sind Kontrollen im Hinblick auf die Kontaminationsgefahr und Konformität mit den aktuellen Vorgaben der Rili-BÄK zwingend erforderlich. Kontaminationen können als Kreuzkontaminationen oder durch eingeschleppte Nukleinsäuren von Fremdorganismen entstehen. Diese werden genauso amplifiziert wie die Ziel-Nukleinsäuren und machen die Ergebnisse unbrauchbar. Als fatale Konsequenz werden auf diese Weise unerkannt falsch-positive Befunde generiert. Deshalb wurden von Beginn an die verschiedensten Kontrollmechanismen miteinander kombiniert, um Kontaminationen zu verhindern. In den ersten Jahrzehnten war sogar eine räumliche Trennung von der Sample Preparation, dem Assaysetup und der eigentlichen Amplifikation vorgeschrieben. Mittlerweile erfolgt die räumliche Trennung auf sehr kleinem Raum, zum Beispiel auf die Kompartimente einer kleinen Kartusche reduziert. Die Trennung muss natürlich nach wie vor eingehalten und entsprechend streng kontrolliert werden.

Grundsätzlich wird zwischen exogenen und Kreuzkontaminationen unterschieden [1]. Exogene Kontaminationen können im Verlauf des gesamten Workflows Sample Preparation/Amplification/Detection inklusive der möglicherweise externen Probengewinnung eingeschleppt werden. Von 2007 bis 2009 machte ein Mordfall auf sich aufmerksam, weil die Verdächtige – es wurde DNA einer weiblichen Person gefunden – scheinbar neben einem Polizistenmord in Heilbronn auch noch für mehrere andere Kriminaltaten verantwortlich sein sollte. Allerdings handelte es sich nicht um Täter-DNA, sondern um DNA der Mitarbeiterin eines Verpackungsunternehmens, die das Abstrichbesteck mit ihrer eigenen DNA kontaminiert hatte.

Kreuzkontaminationen entstehen durch den Eintrag von Nukleinsäuren oder Amplifikationsprodukten der jeweiligen Zielorganismen aus zuvor untersuchtem „positivem“ Probenmaterial von einem Reaktionsansatz zum nächsten oder durch Verschleppung von positiven Amplifikationsprodukten vorhergehender Assays (Carry-over). Viele verschiedene Maßnahmen tragen zur Vermeidung von Kontaminationen bei: Natürlich ist da zuerst die strikte räumliche Trennung zu nennen, die allerdings mittlerweile dank der Mikrofluidik oder anderer Miniaturisierungstechniken auf kleinstem Raum stattfindet. Aber auch die gestopften Pipettenspitzen zur Vermeidung von Aerosolen während des Pipettierens oder UV-Licht während der Geräteleerlaufzeiten zählen zu den Schutzmaßnahmen vor Kontaminationen. Auch die sogenannte MAD (Monitored Air Displacement) kann zumindest zur Verminderung von Aerosolen beitragen.

 

Kontrollmaßnahmen

In Anbetracht der zuvor geschilderten Kontaminationsgefahr ist es nicht erstaunlich, dass es eine Vielzahl von Kontrollmaßnahmen gibt. Ideal ist eine Gesamtprozesskontrolle, die bereits vor der Aufreinigung der Nukleinsäuren zugesetzt wird, sämtliche Prozessschritte durchläuft und nach Abschluss des Workflows noch nachweisbar ist. Auf diese Weise können zudem auch mögliche Inhibitionsereignisse der PCR-Reaktion erkannt werden. In der Regel werden eine Negativ- und eine Positivkontrolle als interne Kontrollen mitgeführt. Ein Hersteller setzt je eine Negativ- und eine Positivkontrolle pro Lauf ein. Darüber hinaus liegt es im Ermessen des Anwenders, in regelmäßigen Abständen externe, unabhängige Qualitätskontrollen einzusetzen, um die Methoden zu überwachen. Auch Ringversuche tragen zur Methodensicherheit bei.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch der Einsatz von UDG, einer Uracil-DNA-Glykosylase, die eigentlich Bestandteil eines Basenexzisionsreparatursystems ist, und hier vor dem Start der Amplifikationsreaktion durch Zugabe der Patientenprobe zur Entfernung eventuell vorhandener Kreuzkontaminationen eingesetzt wird.

 

Weitere Sicherheitsmaßnahmen

Wer auch mit anderen Vollautomaten vertraut ist, kennt Begriffe wie Anti­droplet-Control (ADC), Clot Detection (CD),
Liquid Level Detection (LLD) oder Total Aspirate Dispense Monitoring (TADM). Das sind Kontrollmechanismen, die in zahlreichen Vollautomaten das Pipettieren von Flüssigkeiten überwachen. Bei Systemen, die zum HPV-Screening eingesetzt werden, kann noch eine weitere Kontrollreaktion eingesetzt werden, die sicherstellt, dass der Abstrich, aus dem auf HPV untersucht wird, tatsächlich ausreichende Mengen von humanen Epithelzellen enthält.

 

Besondere NAT-Verfahren

Ein System vereint zwei verschiedene NAT-Verfahren unter einem Gerätedach: Das ist zum einen die klassische Real-time PCR und zum anderen ein isothermes Amplifikationsverfahren, die Transcription-Mediated Amplification (TMA), die u. a. zum Nachweis von HPV eingesetzt wird. Das Prinzip beruht auf der isothermen Amplifikation von rRNA-Sequenzen durch eine reverse Transkriptase mit anschließender Hybridisierung unter Einsatz von passenden Oligonukleotid-Primern.

Eine zweistufige PCR mit sogenannten nested primers sorgt dafür, dass von Anfang an nur wenige unspezifische Amplifikate gebildet werden und dadurch die Sensitivität auch für Multiplex-Reaktionen hoch bleibt.

 

Besondere Einsatzgebiete

Ein Gerät wurde speziell für das HPV-Screening konzipiert, das im Rahmen des Programms zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs aus Abstrichproben von Frauen ab 35 Jahren stattfindet [2]. Dazu werden durch einen Abstrich vom Gebärmutterhals Zellen gewonnen, die sowohl auf zytologische Veränderungen als auch auf HPV-Viren untersucht werden.

Für die zwei Geräte wird ein besonderes Abnahmebesteck verwendet, das „selfsampling“ im „At-Home-Setting“ erlaubt. Dieses Setting wird allerdings in Deutschland noch nicht eingesetzt. Studien haben jedoch gezeigt, dass die Ergebnisse dieser Selbst-Probennahme mit den Probennahmen durch Gynäkolog:innen vergleichbar sind [3]. Ähnliches gilt auch für Urinproben. Dazu kommt der Vorteil, dass Patientinnen mit eingeschränktem Zugang zur Gesundheitsversorgung besser erreicht werden.

 

Den Überblick behalten

Der technische Fortschritt generell und insbesondere Methoden wie die Künstliche Intelligenz befeuern die Weiterentwicklung der Analytik. Da ist es einerseits wichtig, den Fortschritt im Blick zu behalten und gleichzeitig die eigenen Prozesse immer wieder zu konsolidieren. Dabei sollten auch immer die Kosten im Blick behalten werden. Als Probleme, mit denen die Labore aktuell konfrontiert sind, sind stark schwankende Probenaufkommen, Personalmangel und ein hoher Kosten- und Innovationsdruck zu nennen.

Dr. Gabriele Egert
Dr. Kristin von Heyking
Mitglieder der Redaktion
Prof. Dr. Udo Reischl
Mitglied des Fachbeirates