Hoffnung auf Heilung
Editorial
Wer die großen internationalen Kongresse der Hämato-Onkologie1 verfolgt, dem fallen vor allem zwei Leitmotive auf: die wachsende Bedeutung der „MRD2-Negativität“ als Prognosefaktor und die Hoffnung auf Heilung bei Erkrankungen, die bisher als unheilbar galten.
Beide Aspekte sind eng miteinander verknüpft und führen dazu, dass die Labormedizin bei Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle dieser Erkrankungen nun eine weit größere Rolle spielt als bisher. Mit unserem Schwerpunkt Hämatologie wollen wir das Augenmerk auf dieses hoch aktuelle Arbeitsfeld richten: Es geht um die Bestimmung der minimalen Resterkrankung (MRD), also um die Frage, wie lange die Zahl der Tumorzellen durch eine Therapie unter der Nachweisgrenze gehalten werden kann. Die Definition der MRD hängt somit von der Sensitivität der Analytik ab. Diese liegt dank molekulardiagnostischer Verfahren heute bei 10-4 bis 10-6, d. h. bei einer malignen Zelle unter bis zu einer Million normaler Leukozyten. Beim Mikroskop ist es nur eine unter 100.
Studien zeigen, dass die Prognose bei chronischer lymphatischer (CLL) und akuter myeloischer Leukämie (AML), zunehmend auch beim Multiplen Myelom (MM) von diesem Parameter abhängt. Durch neue Wirkstoffe wie etwa Venetoclax in Kombination mit Rituximab lässt sich die Remissionsdauer z. B. bei der rezidivierten CLL so weit verlängern, dass viele Hämatologen bereits auf Heilung hoffen: Nach einer Laufzeit von knapp drei Jahren bestand in der MURANO-Studie eine einmal erreichte MRD-Negativität bei rund 80% der Patienten weiter, während sie unter der Standardtherapie in allen Fällen verloren gegangen war.
Ein weiteres interessantes Arbeitsgebiet in der Onkologie tut sich durch den Nachweis spezifischer Biomarker auf, die vor der Verordnung bestimmter Medikamente bestimmt werden müssen (Companion Diagnostics, S. 188). Im Fall von Venetoclax bei der CLL ist dies derzeit eine Deletion auf dem kurzen Arm von Chromosom 17 oder eine Mutation des anti-apoptotischen TP53-Gens. Bei der AML mit ihren breit gefächerten Treibermutationen spricht allerdings vieles dafür, anstelle der PCR gleich ein Sequenzierkit für die mehr als 50 infrage kommenden Gene einzusetzen (S. 194).
Es ist noch nicht ausgemacht, welches medizinische Fachgebiet sich künftig dieser nicht ganz einfachen Analytik annehmen wird. Derzeit haben die Hämato-Onkologen noch die Nase vorn (S. 196), während sich onkologisch weniger bewanderte Labormediziner noch mit einigen Begrifflichkeiten vertraut machen müssen. So schrieb uns ein Leser zur letzten Ausgabe von Trillium Diagnostik, in der wir die ALK3-Überexpression beim NSCLC4 thematisierten, mit einem Augenzwinkern: „Diese Artikel strotzen nur so von Abkürzungen; die ALK-Überexpression wird überhaupt nicht erklärt. Ich habe auch manchmal eine ALK-Überexpression; die geht aber wieder weg.“
Wir hoffen, dass dieses Heft möglichst viele Labormediziner mit der neuen Thematik vertraut macht, damit sie gemeinsam mit den Kollegen aus der Onkologie und Pathologie die „Hoffnung auf Heilung“ Wirklichkeit werden lassen können.