Flexibilität trotz zunehmender Standardisierung

Automatisierte Nukleinsäure-Extraktion

Möglichst reine Nukleinsäuren in hoher Ausbeute sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche DNA- und RNA-Analytik in Routine und Forschung. Wir vergleichen neun Systeme zur automatisierten Lyse, Extraktion und Isolierung in Tabellenform und beschreiben ihre Eignung für unterschiedliche Anwendungen und Prozessanforderungen.
Schlüsselwörter:  Nukleinsäureextraktion, Automation, Ausbeute, Kontaminationsschutz

 Tabelle: Stand-alone Systeme für die automatisierte Nukleinsäure-Extraktion

 Für die Lyse von Zellen sowie die Extraktion und Isolierung von Nukleinsäuren haben sich in den letzten Jahren Standards herauskristallisiert, die in wissenschaftlichen wie auch klinischen Laboren einen hohen Grad an Automatisierung ermöglichen. Die Produktinformationen auf der nächsten Doppelseite sowie die tabellarische Übersicht auf den Seiten 34 und 35 spiegeln diese Konsolidierung der Grundprinzipien wider, zeigen aber auch Unterschiede auf, die bei der Entscheidung für ein bestimmtes System durchaus ausschlag­gebend sein können.
So erfolgt die Lyse der Zellen heute in der Regel chemisch, wird aber weiterhin auch mechanisch oder thermisch unterstützt. Für die Bindung und Elution der Nuklein­säuren haben sich im automatisierten Betrieb Magnetpartikel durchgesetzt, aber auch die im manuellen Labor verbreitete Festphasen-Extraktion kommt zum Einsatz. Deutlich erkennbar ist schließlich eine Tendenz zu Universal-Protokollen, die sich für eine Vielzahl von Probenmaterialien und Zielnukleinsäuren eignen, aber weiterhin werden auch spezielle Protokolle für spezielle Fragestellungen benötigt.
Das Hauptziel der nachgeschalteten Analytik ist und bleibt die Amplifikation und Detektion von Nukleinsäuren aus Mikroorganismen und menschlichen Zellen (Onkologie, Humangenetik). Für die medizinische Diagnostik sind vor allem die Geräte von Hain, Promega und Qiagen schon lange im Markt vertreten, beispielsweise zum Screening auf multiresistente Keime im Krankenhaus. Allerdings rücken zunehmend auch analytische Ziele in den Fokus des Interesses, zum Beispiel zirkulierende freie Nukleinsäuren, Mikro-RNA oder mitochondriale DNA.
Damit verbunden sind steigende Anforderungen an die Ausbeute. Große Mengen möglichst geringfügig degradierter Nukleinsäuren benötigt man für die Mutationsanalyse aus FFPE-Gewebe und frei zirkulierender DNA aus dem Blut (Liquid Biopsy) sowie für die Bestimmung von Mikro-RNA aus Zellen und Körperflüssigkeiten. Das gilt insbesondere dann, wenn die Nuklein­säuren anschließend mit Hochdurchsatztechniken sequenziert werden sollen. Geht es allerdings um den Nachweis von Infektionserregern, die normalerweise gar nicht oder nur in minimaler Kopienzahl in der Probe vorhanden sind, dann sind quantitative Angaben zur Ausbeute natürlich problematisch und hängen stark vom Grad der Infektion ab; deshalb wurden hierzu an einigen Stellen in der Tabelle keine Angaben gemacht.

Lyse- und Extraktionsprinzipien
Das Probenmaterial für eine Nukleinsäureextraktion kann sehr vielfältig sein: Abstriche, Blut, Buffy Coat, Bakterien- oder generell Zellkulturen, FFPE-Material, Sputum oder Stuhl gehören zum Standard, aber auch ganze Zecken oder forensische Materialen wie etwa Haare – nahezu alles ist möglich.
Zu den Chemikalien für den Zellaufschluss finden sich in der Tabelle differenzierte Angaben, zum Beispiel Zugabe von Enzymen, Salzen (nur PerkinElmer) oder auch pH-Wert-Änderung (DiaSorin). Alle Geräte verfügen ferner über einen Thermoblock oder Inkubator für die Zufuhr von Wärme, etwa bei Stratec, Abbott oder dem QiaCube von Qiagen; beim Maxwell von Promega unterstützt Wärme die Elution der Nukleinsäuren. Eine zusätzliche mechanische Unterstützung der Zelllyse bieten Maxwell und QiaCube.
Für die eigentliche Bindung und Isolierung der Nukleinsäuren kommen mittlerweile in fast allen vorgestellten Geräten Magnetpartikel zum Einsatz, bei DiaSorin in Verbindung mit einem pH-Wechsel. Der QiaCube setzt dagegen die Spin-Column-Technologie ein.

Hoher Automationsgrad
Alle hier vorgestellten Geräte kann man als Vollautomaten bezeichnen, wobei es angesichts der Komplexität der Arbeitsabläufe natürlich Unterschiede im Grad der Umsetzung gibt. So werden bei den Geräten von Hain und DiaSorin zum Beispiel die Probenröhrchen manuell vorbereitet und die Pipettenspitzen von Hand aufgesteckt. Die eigentliche Nukleinsäureextraktion läuft dann aber ohne weitere manuelle Eingriffe ab. Da Pipettenspitze und Pumpenaufsatz jeweils ein geschlossenes System bilden, ist eine Kontamination von außen im automatischen Betrieb praktisch ausgeschlossen.
Abbott, DiaSorin, Stratec und Qiagen (QIACube, QIASymphony) setzen als Frontend einen Liquid Handler ein; bei PerkinElmer ist dieses Modul optional, sodass die entsprechenden Pipettierschritte auch manuell durchgeführt werden können. Darauf abgestimmt sind natürlich verschiedene Techniken zur Verhinderung von Kontaminationen, wie zum Beispiel gefüllte Pipettenspitzen (Abbott und Stratec), Pipettenspitzen mit Luftpolster (QiaSymphony) oder verschiedene Arten von Tropfenfängern wie etwa ein Droplet Catcher bei Stratec oder Drop Cover bei PerkinElmer. Eine kontaminationssichere Alternative zum Liquid Handling sind die vorpipettierten Einmal-Kassetten des Maxwell-Systems von Promega und des EZ1 von Qiagen. Dieser absolute Schutz bedingt allerdings eine geringere Flexibilität bei den Probenvolumina.
Wer auf besonders hohe Probenvolumina bzw. die daraus resultierenden hohen Ausbeuten an Nukleinsäure wert legt, sollte sich für ein Liquid-Handling-System entscheiden. Liaison IXT (DiaSorin) und QiaSymphony (Qiagen) können Probenvolumina bis zu 1.000, Stratec bis zu 4.000 und PerkinElmer sogar bis zu 10.000 µl verarbeiten. Die Ausbeute beträgt beim InviGenius von Stratec bis zu 50 µg aus 2 ml Blut (25 ng/µl). DiaSorin und Abbott geben Werte um die 100, PerkinElmer bis zu 250 ng pro µl an – natürlich immer in Abhängigkeit von Probe und Protokoll.
Zwei Hersteller präsentieren speziell ihre Kombinationen aus Extraktion und qPCR. Siemens bietet für das VERSANT kPCR-System ein großes und stetig wachsendes Portfolio molekulardiagnostisch-infektio­logischer Tests an (siehe unten). Für die RoboGene-Hepatitiskits von Analytik Jena  ist der gesamte Workflow CE-IVD-zertifiziert.

Software verbindet
Das Bindeglied zwischen Gerät, Kit und Anwender ist –  wie bei allen Automationssystemen – der Computer. Für das Monitoring und die Steuerung der vielfältigen Teilprozesse am Bildschirm setzen fast alle Hersteller vorinstallierte Protokolle bzw. Protokoll-Chipkarten ein. Auch ein barcodegestütztes Probentracking wird in aller Regel angeboten.
Zunehmend bedeutsamer – vor allem in der klinischen Routine – wird der Datenaustausch mit einem Labor-Informations-(Management-)System (LIS, LIMS). Bei Stratec und Qiagen (EZ1) erfolgt sie unidirektional bzw. über CSV-Files; die Geräte von PerkinElmer, Abbott und Promega sowie der QiaCube und QiaSymphony kommunizieren bidirektional mit dem LIS. Beim Maxwell von Promega und beim EZ1 von Qiagen lassen sich mithilfe der Software auch mehrere Geräte miteinander koppeln und können so gemeinsam über einen einzigen PC angesteuert werden.

Ausblick

Unser Systemvergleich zeigt, dass die Nukleinsäureextraktion inzwischen zu den ausgereiften Techniken im Labor gehört, die gut automatisierbar sind. Alle vorgestellten Geräte setzen auf bewährte Grundprinzipien und unterscheiden sich vor allem in Anwendungsdetails, die allerdings für Kaufentscheidungen durchaus bedeutsam sind.
Den größten Fortschritt stellen wohl die immer höheren Ausbeuten an hochreiner DNA und RNA dar, die das Feld für anspruchsvolle Anwendungen wie etwa die Hochdurchsatzsequenzierung bereiten. Insbesondere die Möglichkeit, auf diese Weise winzige Mengen zellfreier Nukleinsäuren aus Blut, Urin und anderen Körperflüssigkeiten zu isolieren, verspricht neue Impulse für Forschung und Routine, vor allem in der Onkologie und  Pränataldiagnostik.  

Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion
gabriele.egert[at]trillium[dot]de