Um sich für den Diebstahl des Feuers durch Prometheus zu rächen, ließ Zeus Pandora aus Lehm schaffen und schenkte ihr eine unheilvolle Büchse. Voller Neugier öffnete Pandora den Deckel. Da entwichen Krankheit, Tod und alle sonstigen Übel dieser Welt.
Stehen Pandomics, Panoromics, Multiomics – oder wie auch immer man die Mega-Datensammlungen aus der neuen Werkzeugkiste der Molekularbiologen nennen mag – womöglich ebenfalls für eine Art unheilvoller Neugier? Oder ist die Hoffnung berechtigt, dass aus der Zusammenführung von Genomics, Epigenomics, Proteomics, Metabolomics und der vielen weiteren „Omics“ etwas Neues, Großes entsteht?
Viel Aufwand für wenig Effekt?
Genomweite Assoziationsstudien gibt es bereits unzählige. Konkret geht es dabei um die Analyse von Millionen von Mutationen bei oftmals Tausenden von Patienten. Sie förderten viele Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und SNPs (single nucleotide polymorphisms, gesprochen wie „Snips“) zutage. Erbkrankheiten mit starken Assoziationen wurden bestätigt, aber die waren in der Regel schon vorher bekannt. Und die meisten neuen Assoziationen erwiesen sich als statistisch so schwach, dass selbst die Kombination von mehreren hundert Genen nur einen geringen Prozentsatz der Hereditabilität erklären konnten. Beispiel Körpergröße: 180 gut validierte Genloci erklären gerade einmal zehn Prozent der genetisch bedingten Variabilität.
Proof of Principle gelungen
Erste Versuche, die Ergebnisse aus zwei Welten zu kombinieren zeigen allerdings, dass der Multi-Omics-Ansatz prinzipiell funktioniert: Eine schwedische Arbeitsgruppe bewies 2013, dass genetische Varianten die Eiweißzusammensetzung des Blutplasmas beeinflussen. Wow, das wäre aber auch schlimm gewesen, wenn das Proteom vom Genom völlig unbeeindruckt geblieben wäre. Den Autoren gebührt vor allem Anerkennung für ihre gewaltige Arbeit: Mehr als 1.000 Proteinschnipsel (tryptische Peptide) von mehr als 1.000 Individuen wurden massenspektrometrisch quantifiziert. Man erhielt also über eine Million Laborwerte, die mit den SNPs dieser Personen korreliert wurden.
Medizinische Konsequenzen
Was kam heraus? Etwa 20 Prozent aller Peptide unterlagen genetischen Einflüssen; am besten korrelierten die Plasmaspiegel von Komplement C3 und α2-Makroglobulin mit bestimmten SNPs; Haptoglobin wurde von drei verschiedenen SNPs reguliert, und und und... eine lange, wissenschaftlich sicher interessante Liste. Doch die medizinischen Konsequenzen herauszufiltern dürfte Heerscharen von Doktoranden beschäftigen.
Als wegweisend gilt auch die erste Darstellung mehrerer Omics-Welten bei einer einzelnen Person (Cell 2012; 148:1293). Nicht wie bisher Tausende von Individuen mit Tausenden von SNPs, sondern 6,5 Terabyte Genom-, Transkriptom-, Proteom-, Metabolom- und Mikrobiom-Daten von einem Mann namens Michael Snyder (einem Genetiker der Stanford University, USA). Das „Snyderom“ sollte belegen, dass uns eine Kombination von Genotyp und (biochemischem) Phänotyp dem Ziel der individualisierten Medizin näher bringt als das Genom allein. Unter anderem fand sich ein Zusammenhang zwischen Virusinfektionen und erhöhten Glukosespiegeln bei genetischer Diabetesprädisposition.
Bis zur diagnostischen Anwendung ist es noch ein weiter Weg. Radiologen bieten zwar bereits Gesundheitschecks mit Ganzkörper-MRT und -PET („Radiomics“) an, doch die produzieren viele unklare Zufallsbefunde, die sich nach aufwändigen Folgeuntersuchungen oft als harmlos herausstellen. Krankmachend ist häufig nur die Angst, krank zu sein. Sollte man da den Deckel der Büchse nicht lieber geschlossen halten?
Prof. Dr. Rudolf Gruber
Mitglied der Redaktion