Tumoren des Urogenitalsystems

ASCO 2015

Prostata-, Nieren- und Blasentumoren sind die bei Weitem häufigsten urologischen Tumoren und daher auch im Programm der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) jeweils prominent vertreten. In diesem Jahr gab es in Chicago unter anderem eine Bestätigung des Vorteils der frühen Chemotherapie beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom sowie neue, vielversprechende Daten zur Therapie von Blasen- und Nierenkarzinom mit Checkpoint-Inhibitoren.

Prostatakarzinom

 

Bestätigung für frühe Chemohormontherapie

Beim ASCO-Kongress im vergangenen Jahr waren die ersten Ergebnisse der CHAARTED-Studie vorgestellt worden: Dort hatte die Zugabe von Docetaxel zur Androgendeprivations-Therapie bei Patienten mit neu diagnostiziertem, hormonsensiblem und metastasiertem Prostatakarzinom die Gesamtüberlebenszeit hochsignifikant um mehr als ein Jahr verlängert (von median 44 auf 57,6 Monate; Hazard Ratio 0,61; p = 0,0003; [1]). Beim diesjährigen Kongress präsentierte nun Nicholas James, Coventry, die Resultate der britischen STAMPEDE-Studie, die in die gleiche Richtung zielte [2]: 2.962 Patienten mit lokal fortgeschrittenen Hochrisiko- oder metastasierten Tumoren wurden in einen von vier Armen randomisiert: Im Kontrollarm erhielten sie den „Standard of Care“, d. h. eine auf mindestens drei Jahre angelegte Androgendeprivations-Therapie, Patienten ohne Fernmetastasierung konnten zusätzlich bestrahlt werden. In den experimentellen Armen wurde außerdem Docetaxel (sechs dreiwöchige Zyklen
à 75 mg/m2 plus 10 mg/d Prednisolon), Zoledronsäure (4 mg während der Chemotherapie alle drei und danach alle vier Wochen bis zu zwei Jahre lang) bzw. eine Kombination beider Substanzen gegeben.
Primärer Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben, und hier konnte die Chemotherapie bereits in der Gesamtkohorte überzeugen: Patienten, die Docetaxel erhalten hatten, überlebten median 77 Monate lang und damit zehn Monate länger als diejenigen mit alleiniger Standardtherapie (67 Monate; HR 0,76; 95%-Konfidenzintervall 0,63–0,91; p = 0,003). Die Gruppe, die zusätzlich zur Hormontherapie Docetaxel plus Zoledronsäure bekommen hatte, schnitt mit einer Hazard Ratio von 0,81
(p = 0,020) ähnlich gut ab, aber Zoledron­säure alleine brachte gegenüber der Standardbehandlung keinen sichtbaren Vorteil (HR 0,93; p = 0,437). Besonders stark profitierten von der Chemotherapie die Patienten, die zu Beginn bereits Fernmetastasen aufgewiesen hatten (M1): Bei ihnen war die Überlebensverlängerung mit median 22 Monaten (65 versus 43 Monate) mehr als doppelt so lang wie im Gesamtkollektiv (HR 0,73; 95%-KI 0,59–0,89; p = 0,002).
Damit gibt es mittlerweile drei randomisierte Phase-III-Studien zu dieser Fragestellung, von denen lediglich eine (GETUG-15, [3]) ein nicht signifikantes Resultat erbracht hatte, so Ian Tannock, Toronto, in seiner Diskussion des Vortrags von James. Eine vorläufige gepoolte Analyse aller drei Studien, die er präsentierte, ergibt mit einer Hazard Ratio von 0,74 (p = 0,003) einen eindeutigen Vorteil für die kombinierte Hormonchemotherapie als initiale Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Männern mit metastasiertem Hochrisiko-Prostatakarzinom, insbesondere denjenigen, die schon bei Diagnose oder kurz danach Fernmetastasen aufweisen, sollte man deshalb, so seine Empfehlung, zusätzlich zur Hormonbehandlung sechs Zyklen Docetaxel anbieten, sofern sie dafür fit genug sind. Der Arbeitskreis Onkologie (AKO) und die Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie (AUO) in der Deutschen Krebsgesellschaft haben sich diese Empfehlung in einer gemeinsamen Stellungnahme bereits zu eigen gemacht

Lokalisiertes Prostatakarzinom: Noch keine frühe Chemotherapie

Beim lokalisierten Hochrisiko-Prostatakarzinom sind Bestrahlung und nachfolgende Hormontherapie Standard. Auch hier stellt sich die Frage nach einem Zusatznutzen einer Chemotherapie, aber die Antwort darauf ist nach Vorstellung der ersten Daten der Studie 0521 der Radiation Therapy Oncology Group (RTOG) noch nicht eindeutig [4]: In dieser randomisierten Studie waren 562 auswertbare Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom und Hochrisiko-Merkmalen (Gleason 7–8, jedes T-Stadium, PSA > 20 ng/ml oder Gleason 8, ≥ T2, PSA beliebig oder Gleason 9–10, jedes T, jeder PSA-Wert) mit einer Strahlen- und einer zweijährigen Hormontherapie behandelt worden, und die Hälfte von ihnen hatte außerdem sechs Zyklen Docetaxel plus Prednison erhalten. Der primäre Endpunkt war hier genau spezifiziert: Es sollte eine Verbesserung der Überlebensraten nach vier Jahren von 86% auf 93% durch die Chemotherapie nachgewiesen werden, und zwar mit einer Hazard Ratio von höchstens 0,49, d. h. einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um mindestens 51%.
Dieses Kalkül ging zumindest bei der ersten Analyse, die Howard Sandler, Los Angeles, in Chicago vorstellte, noch nicht auf: Die 4-Jahres-Überlebensrate von 93% im experimentellen Arm wurde zwar tatsächlich erreicht, aber diejenige im Kontrollarm war mit 89% höher als vorgesehen. Das war zwar mit einer Hazard Ratio von 0,70 und einem p-Wert von 0,04 signifikant, aber weil das vorgegebene Studienziel einer Hazard Ratio von 0,49 nicht erreicht wurde, muss die Studie formal zunächst als negativ angesehen werden. Tannock zufolge kann man daher Männern mit lokalisiertem, nicht metastasiertem Prostatakarzinom, deren Erkrankung strahlentherapeutisch behandelt wird, derzeit kein Docetaxel zusätzlich zur Hormontherapie empfehlen. Dieser Ansatz muss nach einer längeren Nachbeobachtungszeit der Studie noch einmal überprüft werden.

Welche Tumoren sind resistent gegen Abirateron und Enzalutamid?

Wenn Patienten mit Prostatakarzinom gegen die Antiandrogene Abirateron oder Enzalutamid resistent werden, ist nicht wirklich klar, was in den Tumoren vor sich geht. Ein zunehmender Anteil dieser Patienten entwickelt einen neuroendokrinen Typ des Prostatakarzinoms. Das West Coast Prostate Cancer Dream Team (WCDT) will dieser Entwicklung auf den Grund gehen, indem bei insgesamt 300 Patienten mit solchen Resistenzen Biopsien von Metastasen gewonnen und sowohl histologisch als auch molekularbiologisch untersucht werden. In Chicago konnte Eric Small, San Francisco, die pathologischen Ergebnisse für die ersten hundert Biopsien vorstellen [5]: Die klassische kleinzellige neuroendokrine Form des Prostatakarzinoms konnte in 13% der Gewebeproben identifiziert werden, ein Adenokarzinom in 35%. Darüber hinaus fand sich bei 26% der Patienten ein intermediäres atypisches Karzinom, das sich histologisch klar von diesen beiden Typen unterschied. Die übrigen 26% der Proben wiesen gemischte Histologien auf oder waren nicht klassifizierbar.
Es gab keine Hinweise darauf, so Small, dass bestimmte Histologien sich an bestimmten Lokalisationen (Lymphknoten, Knochen, Leber) häufen, aber die Prognose scheint für diese Subtypen sehr unterschiedlich zu sein: Während für die Patienten mit Adenokarzinomen die mediane Überlebenszeit ab dem Zeitpunkt der Biopsie-Entnahme noch nicht erreicht ist, liegt sie bei denjenigen mit intermediärer Histologie bei 11,9 und bei denen mit der neuroendokrinen Form bei lediglich 6,6 Monaten
(p = 0,027; p = 0,041).
Neben dem bekannten neuroendokrinen Typ ist damit eine weitere Form des Prostatakarzinoms identifiziert, die aggressiv wächst und das Überleben der Patienten ähnlich verkürzt wie das neuroendokrine Karzinom. Zusammen machen diese beiden Varianten etwa 40% aller Proben aus und stellen damit die größte (und möglicherweise noch wachsende) Subgruppe von Prostatakarzinomen dar, die potenziell gegen Abirateron und Enzalutamid Resistenzen aufweisen.

Blasenkarzinom

Frühe Daten für PD-1-Inhibitor beim metastasierten Blasenkarzinom

m ist meist bereits bei Diagnose metastasiert und hat deshalb auch nach radikaler Zystektomie eine ausgesprochen schlechte Prognose, die in den letzten 20 Jahren kaum verbessert werden konnte. Große Hoffnungsträger sind hier seit Kurzem die bei vielen Tumorentitäten geprüften immunonkologischen Therapien, v. a. mit Checkpoint-Inhibitoren. Immun-Checkpoints sind Mechanismen, mit denen sich der Körper gegen Angriffe des Immunsystems auf körpereigene Gewebe schützt: Einem Rezeptor auf T-Lymphozyten (z. B. PD-1 – „Programmed Death 1“) stehen Liganden auf Zellen vieler Gewebe gegenüber (beispielsweise PD-L1). Bindet PD-1 an einen solchen Liganden, so führt das zu einer Hemmung der Vermehrung und Aktivierung der T-Zellen, die dadurch keine Autoimmunreaktionen auslösen können.
Zahlreiche Tumoren – die zum Teil eigentlich hochgradig immunogen wären – machen sich das zunutze, indem sie ebenfalls diese Liganden exprimieren und so den immunologischen Angriff unterlaufen. Derzeit wird eine ganze Reihe von Antikörpern gegen PD-1 und auch gegen PD-L1 – sogenannte Checkpoint-Inhibitoren – in klinischen Studien bei vielen verschiedenen Tumorentitäten geprüft. Damit soll die Hemmung der T-Zelle umgangen und deren Aggressivität gegenüber den Tumorzellen gesteigert werden. Erste Zulassungen für das maligne Melanom sind vor Kurzem erfolgt, und in Chicago wurden frühe Daten aus zwei Phase-I-Studien zum Blasenkarzinom präsentiert:
Der PD-1-Antikörper Pembrolizumab, in den USA bereits seit Herbst 2014 zur Behandlung des mit dem CTLA-4-Antikörper Ipilimumab vorbehandelten Melanoms zugelassen, wurde in der Phase-Ib-Studie KEYNOTE-012 bei 33 Patienten mit rezidiviertem, metastasiertem oder persistierendem Urothelkarzinom von Blase, Nierenbecken, Ureter oder Urethra getestet [6]. Gut die Hälfte der Patienten, so Elizabeth Plimack, Philadelphia, hatte mindestens zwei, jeder dritte mindestens drei Vor­therapien hinter sich, 60% waren adjuvant oder neoadjuvant behandelt worden. Zwei von drei Patienten wiesen viszerale oder Knochenmetastasen auf. Sie erhielten Pembrolizumab in einer Dosierung von 10 mg/kg alle zwei Wochen bis zum Eintritt einer kompletten Remission, einer Progression oder inakzeptabler Toxizität.
Von 25 auswertbaren Patienten zeigten 16 eine Verkleinerung der Ziel-Läsion, die bei acht von ihnen die
RECIST-Kriterien für eine Remission erfüllte; drei dieser Remissionen waren radiologisch sogar komplett, d. h. der Tumor war vollständig verschwunden. Die mediane Überlebenszeit lag für sämtliche Patienten bei 13 Monaten, also etwa doppelt so hoch wie in vergleichbaren historischen Kohorten unter konventionellen Therapien. Grad-3/4-Toxizitäten traten bei fünf Patienten (15%) auf und waren damit seltener als mit dem ersten Checkpoint-Inhibitor Ipilimumab, der beim Melanom angewendet wird.

Hinweise auf Wirksamkeit auch für PD-L1-Inhibitor

Auf der anderen Seite des PD-1/PD-L1-Checkpoint-Mechanismus, nämlich am PD-L1-Liganden greift Atezolizumab an. In einer Phase-Ia-Studie wurden 92 Patienten mit Urothelkarzinom mit 15 mg/kg oder 1.200 mg dieses Antikörpers alle drei Wochen behandelt [7]. Beinahe zwei Drittel von ihnen hatten wenigstens zwei Vortherapien erhalten, so Daniel Petrylak, New Haven, 42% hatten höchstens drei Monate nach ihrer letzten Chemotherapie einer erneuten Behandlung bedurft. 41% der Patienten wiesen eine glomeruläre Fil­trationsrate von weniger als 60 ml/min auf.

Das Ansprechen hing bei einer medianen Nachbeboachtungszeit von 12–14 Monaten von der immunhistochemisch bestimmten Expression von PD-L1 im Tumorgewebe ab: Bei Patienten mit starker Expression (IHC 2–3) fielen sowohl progressionsfreies als auch Gesamtüberleben deutlich besser aus als bei schwacher Expression (IHC 0–1; s. Tab. 1). Aber auch die Patienten mit IHC 0–1 schnitten deutlich besser ab, als das aufgrund der Erfahrungen mit historischen Kontrollen zu erwarten gewesen wäre. Grad-3/4-Nebenwirkungen traten lediglich bei sieben Patienten (8%) auf, darunter ein Fall von Asthenie und zweimal erhöhte AST-Werte.
Diese vielversprechenden Ergebnisse waren Anlass für eine Phase-III-Studie (GO 29294), die weltweit an 213 Zentren durchgeführt wird und für Deutschland vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München aus koordiniert wird [8].

Nierenzellkarzinom

PD-1-Inhibitor beim metastasierten Nierenzellkarzinom

 

Das Nierenzellkarzinom gilt als relativ stark immunogener Tumor, weshalb in der Vergangenheit vielfach – mit sehr mäßigem Erfolg – Behandlungsstrategien mit Interferon und Interleukin 2 erprobt wurden. Es liegt auf der Hand, dass hier ebenfalls eine Chance für das Prinzip der Checkpoint-Inhibition gesehen wird. In einer Phase-I-Studie wurden deshalb 67 Patienten mit klarzelligem metastasiertem Nierenzellkarzinom, die bereits ein bis drei Vor­therapien erhalten hatten (darunter auch anti-angiogene Medikamente) und gegen die letzte refraktär gewesen waren, mit dem PD-1-Antikörper Nivolumab in verschiedenen Dosierungen (0,3, 2,0 bzw. 10,0 mg/kg alle drei Wochen) behandelt [9]; in einem vierten Arm erhielten 24 nicht vorbehandelte Patienten die 10 mg-Dosis. Primärer Endpunkt war die pharmakodynamische Aktivität des Antikörpers auf Tumor-infiltrierende T-Zellen und Chemokine im Serum, sekundärer Endpunkt vor allem Anti-Tumor-Aktivität, Sicherheit und Verträglichkeit.
Diese Aktivität war beachtlich und dosisabhängig, so Toni Choueiri, Boston: In der Gruppe mit 0,3 mg/kg lag die mediane Überlebenszeit bei 16,4 Monaten, in der 10 mg/kg-Gruppe der vorbehandelten Patienten sogar bei 25,2 Monaten; bei den neu diagnostizierten Patienten ist der Medianwert noch nicht erreicht. Das Ansprechen scheint auch hier von der Stärke der PD-L1-Expression im Tumor abzuhängen, jedoch in geringerem Ausmaß. Denn auch bei schwacher Expression war der Antikörper wirksam: Patienten, in deren Tumoren mindestens 5% der Zellmembranen in mindestens einer Biopsie PD-L1 exprimierten, haben den Medianwert ihrer Überlebenszeit noch nicht erreicht, aber auch die übrigen überlebten median immerhin 23,4 Monate (die nicht vorbehandelten sogar 33,3 Monate; s. Tab. 2). Genexpressionsanalysen weisen darauf hin, so Choueiri, dass das Ansprechen auf Nivolumab durch infiltrierende, aktivierte Immunzellen vermittelt wird.

Neuer Multikinaseinhibitor in Kombination hochwirksam

In den letzten zehn Jahren war die Therapie des Nierenzellkarzinoms vor allem durch die Zulassung einer ganzen Reihe von Tyrosinkinaseinhibitoren bestimmt, die insbesondere gegen den Rezeptor für vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) gerichtet, von denen einige aber auch Multikinaseinhibitoren sind. Um die Wirksamkeit zu verbessern, wurden Kombinationen zweier Substanzen getestet, aber dabei stieg die Toxizität teilweise stark an. Lenvatinib ist ein neuer Multikinase­inhibitor, der bereits zur Therapie des Radiojod-refraktären Schilddrüsenkarzinoms zugelassen ist. Er hemmt zahlreiche Rezeptor-Tyrosinkinasen, die meisten davon mit höherer Affinität als Sorafenib und Sunitinib [10]. In einer Phase-II-Studie, deren erste Resultate Robert Motzer, New York, vorstellte, wurde es bei Patienten mit einer vorangegangenen gegen VEGF gerichteten Therapie randomisiert mit Everolimus verglichen und außerdem in einem dritten Arm mit dem mTOR-Inhibitor kombiniert [11]:
Als Monotherapie wurden Lenvatinib mit 24 mg/d und Everolimus mit
10 mg/d gegeben, in der Kombination wurden beide Dosierungen reduziert (Lenvatinib auf 18 mg/d, Everolimus auf 5 mg/d). Eingeschlossen wurden pro Arm rund 50 Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenzellkarzinom, bei denen die Therapie mit einem Hemmstoff des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) oder seiner Rezeptoren versagt hatte. Unter der Annahme, dass das progressionsfreie Überleben unter Everolimus bei median fünf Monaten liegen würde, wurde als primärer Endpunkt eine Verlängerung dieses Zeitraums um 50% angepeilt.
Lenvatinib war Everolimus vor allem bei Ansprechen und progressionsfreiem Überleben deutlich überlegen, aber besonders eindrucksvoll sind die Ergebnisse im Kombinationsarm mit einer Gesamtansprechrate von 43%, einer medianen progressionsfreien Überlebenszeit von 14,6 und einer medianen Gesamtüberlebenszeit von mehr als zwei Jahren (Tab. 3); der Unterschied gegenüber der Everolimus-Monotherapie ist in jedem Fall signifikant. Die Toxizität war auch im Kombinationsarm erträglich – vermutlich wegen der reduzierten Dosierung. Die Frage, ob wir noch einen weiteren Tyrosinkinaseinhibitor für das Nierenzellkarzinom brauchen, wird man wohl dann positiv beantworten können, wenn diese Kombination das halten wird, was diese Phase-II-Daten versprechen; eine Phase-III-Studie ist geplant. Eine ganz andere Frage, die sich nicht mit diesen Studien beantworten lässt, ist, ob die Kosten einer solchen Kombinationstherapie, sollte sie einmal zugelassen werden, vertretbar sind.

Differierende Ergebnisse beim nicht-klarzelligen RCC

Die meisten klinischen Daten und Behandlungsalgorithmen, die wir bisher zum Nierenzellkarzinom haben, betreffen streng genommen nur den klarzelligen histologischen Typ, weil er der häufigste ist und damit auch in den bisherigen Studien am prominentesten, wenn nicht sogar ausschließlich vertreten war. In einer nordamerikanisch-britischen Phase-II-Studie unter Leitung von Andrew Armstrong von der Duke University in Durham wurden nun randomisiert Everolimus (n = 57) und Sunitinib (n = 51) bei Patienten mit unbehandeltem metastasiertem Nierenzellkarzinom von dezidiert nicht-klarzelliger Histologie verglichen [12]. Darunter waren papilläre, chromophobe und sarkomatoide Tumoren sowie solche von nicht klassifizierter Histologie.
Beim primären Endpunkt pogressionsfreies Überleben war im gesamten Kollektiv Sunitinib mit median 8,3 vs. 5,6 Monaten überlegen (HR 1,41;
p = 0,16). Weil die Grenze zur Signifikanz vorab bei einem p-Wert von 0,20 festgelegt worden war, wird der Unterschied als signifikant eingeschätzt. Auch beim Gesamtüberleben deutet sich mit median 32 vs. 13 Monaten ein Vorteil für Sunitinib an; mit einer Hazard Ratio von 1,12 und einem p-Wert im log-rank-Test von 0,60 war dieser Unterschied jedoch nicht signifikant.
Weil die Patienten bezüglich Histologie und MSKCC-Risikoklassifikation stratifiziert worden waren, ergibt sich bei genauerem Hinsehen ein etwas differenzierteres Bild (Tab. 4): Patienten mit niedrigem und intermediärem MSKCC-Risiko sowie diejenigen mit papillärer und nicht klassifizierter Histologie schienen tatsächlich mehr von Sunitinib zu profitieren, während sich für die Hochrisiko-Gruppe und für die chromophoben Karzinome eher ein Vorteil für den mTOR-Inhibitor abzuzeichnen scheint. Diese bisher größte klinische Studie zu nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinomen ist damit zugleich die erste, die Hinweise auf eine Subgruppe von Patienten mit einer besonderen Sensitivität gegenüber einer mTOR-Inhibition gibt. Auch das müsste in weiteren  Studien validiert  werden.

Adjuvante Therapie: Bisher kein Wirksamkeitsnachweis

Die aktuelle Onkopedia-Leitlinie zum Nierenzellkarzinom gibt keine Empfehlung zu einer adjuvanten Therapie außerhalb klinischer Studien, weil die bisherige Datenlage dazu nicht ausreichend ist. Die ASSURE-Studie (Adjuvant Sorafenib or Sunitinib for Unfavorable Renal Carcinoma) war die erste randomisierte Studie mit neuen Substanzen zur adjuvanten Therapie, die unter Federführung der Eastern Cooperative Oncology Group (E2805) im Jahr 2006 gestartet worden war [13]. 1.943 Patienten nach Nephrektomie wurden auf eine einjährige Behandlung mit Sorafenib (zweimal 400 mg/d), Sunitinib (50 mg/d) oder Placebo randomisiert. Nachdem sich diese Dosierungen als zu toxisch erwiesen hatten, wurden sie auf 37,5 mg/d für Sunitinib und einmal 400 mg/d für Sorafenib reduziert. Dadurch konnten die Abbruchraten signifikant reduziert werden, wie Naomi Haas, Philadelphia, berichtete, aber leider war weder beim krankheitsfreien (primärer Endpunkt) noch beim Gesamtüberleben nach fünf Jahren ein signifikanter Unterschied einer der beiden aktiven Substanzen gegenüber Placebo nachweisbar. Eine signifikante Differenz fand sich hingegen zwischen den Geschlechtern: Frauen schnitten beim krankheitsfreien Überleben mit median 83 Monaten deutlich besser ab als Männer (62,1 Monate; p = 0,002).
Derzeit laufen neben der ASSURE-Studie noch mindestens fünf weitere große randomisierte Studien, in denen Sorafenib, Sunitinib, Pazopanib, Everolimus bzw. Axitinib jeweils in der adjuvanten Situation gegen Placebo getestet werden. Bis auf die Sorafenib-Studie rekrutieren aber alle noch aktiv, sodass es noch geraume Zeit dauern wird, bis wir belastbare Aussagen zu Sinn oder Unsinn adjuvanter Therapien beim Nierenzellkarzinom haben werden.

Literatur
1. Sweeney C et al. J Clin Oncol 2014; 32 (15S): 3s (ASCO 2014, Abstract #LBA2).
2. James ND et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 269s (ASCO 2015, Abstract #5001).
3. Gravis G et al. Lancet Oncol 2013; 14: 149-58.
4. Sandler H et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 269s (ASCO 2015, Abstract #LBA5002).
5. Small EJ et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 269s (ASCO 2015, Abstract #5003).
6. Plimack ER et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 247s (ASCO 2015, Abstract #4502).
7. Petrylak DP et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 247s (ASCO 2015, Abstract #4501).
8. clinicaltrials.gov/ct2/show/study/NCT02302807.
9. Choueiri TK et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 247s (ASCO 2015, Abstract #4500).
10. Tohyama O et al. J Thyroid Res 2014; 2014: 638747.
11. Motzer R et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 248s (ASCO 2015, Abstract #4506).
12. Armstrong AJ et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 248s (ASCO 2015, Abstract #4507).
13. Haas NB et al. J Clin Oncol 2015; 33 (15S): 249s (ASCO 2015, Abstract #4508).

Professor Dr. med. Jürgen E. Gschwend

Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie

Klinikum rechts der Isar der

Technischen Universität München

Ismaninger Straße 22

81675 München

+49 89 4140 2521 oder -2522

+49 89 4140 4843

 


Artikel als PDF downloaden.