Antigen-spezifische T-Zellen für die Diagnostik und Therapie von Immunkrankheiten

Neue Techniken

Antigen-spezifische T-Helferzellen (Th-Zellen) sind die zentralen Regulatoren adaptiver Immunantworten, die schützende Immunität gegen spezifische Pathogene vermitteln, aber auch Immunpathologien, wie Allergie oder Autoimmunität, verursachen können. Damit eignen sie sich als hochspezifische diagnostische Sensoren oder therapeutische Werkzeuge. Allerdings sind die wenigen Antigen-spezifischen Th-Zellen in vielen klinisch relevanten Situationen schwer nachweisbar und oft schlecht charakterisiert. Neue zytometrische Technologien erlauben es nun, T-Zellen des Menschen gegen praktisch jedes Antigen zu identifizieren und damit die zelluläre Basis von Immunität, Toleranz oder Immunpathologien beim Menschen präzise zu charakterisieren. Dies stellt eine wichtige Voraussetzung dar für die Entwicklung spezifischer Immundiagnostika und -therapien sowie die personalisierte Medizin.

Einleitung

Adaptive Immunantworten bilden einen wirkungsvollen und hochspezifischen Schutz gegen Pathogene. Richtet sich die Immunantwort aber gegen harmlose Antigene oder werden ungeeignete oder zu starke Abwehrreaktionen aktiviert, resultieren daraus Immunpathologien wie beispielsweise Allergien, Autoimmunität oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED). Bei der Entscheidung für eine richtige oder ungeeignete Immunantwort, leisten Antigen-spezifische T-Helferzellen (Th-Zellen) als zentrale Regulatoren adaptiver Immun­antworten einen wichtigen Beitrag. Sie erkennen spezifische Antigene und können dann sehr unterschiedliche Effektorfunktionen ausüben, um eine an das jeweilige Antigen angepasste Immunreaktion zu steuern. Diese können von protektiver Immunität bis zu Toleranz reichen, wohingegen eine Fehlregulation zu Immunpathologien führen kann. Aufgrund dieser zentralen Funktion stellen Antigen-spezifische T-Zellen krankheitsspezifische und empfindliche Sensoren für den persönlichen „Immunstatus“ eines Patienten dar. Antigen-spezifische Therapien und Diagnostik werden bereits seit Langem genutzt, beispielsweise bei Impfungen und Hyposensibilisierung gegen Allergien oder der Infektions- und Allergiediagnostik, z. B. durch den Tuberkulintest, „IFN-γ Release Assays“ (IGRA) (siehe unten) oder Allergie-Hauttests. Auch die modernen Immuntherapien gegen Tumoren mit „Checkpoint-Inhibitoren“ oder die adoptive T-Zelltherapie basieren auf der Wirkung Tumor-spezifischer T-Zellen (siehe Berichte Trillium Immunologie Band 1, Heft 1, 2017).
Allerdings sind die derzeit klinisch angewandten Verfahren, um Antigen-spezifische Immunität zu messen, oft ungenau und beruhen meist auf der indirekten Bestimmung der Immunreaktion und nicht der eigentlich ursächlichen Immunzellen. Das erschwert die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze, da häufig exakte immunologische Korrelate fehlen. Daher ist es von grundlegendem Interesse, die Zellen, die für Protektion oder Immunpathologie verantwortlich sind, identifizieren zu können und ihre spezifischen Eigenschaften für eine präzisere Diagnostik und Therapieentwicklung zu nutzen.

Analyse Antigen-spezifischer T-Zellen

Der Nachweis Antigen-spezifischer T-Zellen ist allerdings eine technologische Herausforderung [1, 2]: T-Zellen einer bestimmten Spezifität sind selten und daher schwer aufzuspüren (meist < 0,1% der gesamten T-Zellen im Blut). Zudem sind die Antigene oft nicht genau definiert, wie bei vielen Autoimmunkrankheiten, oder sehr divers, beispielsweise im Fall komplexer Pathogene, wie Bakterien, Pilzen oder Parasiten. Zudem kann der T-Zell-Antigenrezeptor nicht direkt mit Fluoreszenz-markiertem Antigen angefärbt werden, da er nur mit niedriger Affinität an einen Komplex aus dem eigentlichen antigenen Peptid und körpereigenen MHC-/HLA-Molekülen an der Zell­oberfläche bindet. Daher beruht der Nachweis Antigen-spezifischer T-Zellen oft auf der Amplifikation der spezifischen Zellen durch In-vitro-Stimulation mit dem Antigen und anschließender Analyse der Effektorfunktionen, wie Proliferation, Zytokinproduktion oder Zytotoxizität. Lange In-vitro-Stimulation induziert jedoch massive Veränderungen in der Frequenz und dem Phänotyp der Zellen oder es wird je nach Parameter nur ein Teil der spezifischen Zellen erfasst. Erst die Entwicklung rekombinanter löslicher Peptid-MHC (pMHC)-Multimere [3] gestattete durch multivalente Bindung erstmals die direkte „Antigen-spezifische Färbung“ des T-Zellrezeptors und revolutionierte den Nachweis spezifischer T-Zellen. Allerdings können pMHC-Multi­mere nur für eine begrenzte Zahl gut definierter Peptid-/MHC-Komplexe generiert werden, die hauptsächlich für die von CD8-T-Zellen erkannten MHC-Klasse-I-Moleküle bekannt sind. MHC-Klasse-II-Multimere für den Nachweis Antigen-spezifischer CD4-Th-Zellen sind nur in Ausnahmefällen verfügbar. Aufgrund des hohen Polymorphismus der MHC Gene und des komplexen Proteoms vieler Pathogene sind häufig die Antigene in vielen klinisch relevanten Situationen ungenau definiert. Dies betrifft auch in besonderem Maße Antigene, die Toleranz induzieren. Hier ist darüber hinaus auch der funktionelle Nachweis nicht oder nur eingeschränkt möglich, weil eindeutige „tolerogene“ Effektorfunktionen fehlen oder T-Zellen sogar spezifisch deaktiviert (anerg) sind. Dies wird besonders deutlich bei den sogenannten regulatorischen T-Zellen (Tregs) die maßgeblich an der Aufrechterhaltung der immunologischen Toleranz gegen harmlose Fremd- und Autoantigene verantwortlich sind [4, 5]. Trotz dieser zentralen Funktion wurde erst kürzlich eine erste Charakterisierung humaner Treg-Antworten gegen verschiedene Umweltantigene beschrieben ([6] und siehe unten). Dagegen sind die Autoantigene, die Treg erkennen, um Autoimmunität zu verhindern, weiterhin unbekannt.

Nachweisverfahren für Antigen-spezifische konventionelle und regulatorische T-Zellen

Einen universelleren Nachweis von Antigen-spezifischen T-Zellen ermöglichen T-Zellaktivierungsmarker, die schnell nach Antigenkontakt auf allen aktivierten T-Zellen nachweisbar werden. In den letzten Jahren wurden verschiedene Verfahren beschrieben, die jedoch unterschiedliche Kinetik und Spezifität für aktivierte T-Zellsubpopulationen besitzen (Übersicht in [1]). Vor allem die Moleküle CD154 und CD137 haben sich als hochspezifische Marker bewährt, die bereits 5–7 Stunden nach Antigenaktivierung angeschaltet werden und in diesem Zeitfenster selektiv auf aktivierten konventionellen (CD154) [7, 8] oder regulatorischen Th-Zellen (CD137) [9] nachweisbar sind (siehe Abb. 1). Hiermit kann zumindest der gesamte Antigen-reaktive Teil der Th-Zell­population gegen jedes beliebige Antigen erfasst werden, ohne den Zellphänotyp aufgrund der kurzen Stimulationsdauer wesentlich zu verändern.

Erhöhte Nachweissensitivität durch magnetische Anreicherung seltener T-Zellen

Aufgrund der meist sehr niedrigen Frequenzen ist eine  quantitative Voranreicherung der Zielzellen notwendig, z. B. mittels magnetischer Zellseparation, die eine schnelle Prozessierung großer Zellproben (10e6-10e9) ermöglicht [10, 11]. Voraussetzung für die magnetische Anreicherung ist eine hohe Spezifität des Sortiermarkers. So können Antigenspezifische T-Zellen über Peptid-MHC-Te­tramer [12–14], oder Aktivierungsmarker [15–17] angereichert und anschließend per Durchflusszytometrie detailliert analysiert werden. Im Folgenden werden exem­plarisch einige Anwendungsbeispiele gezeigt, welche das Potenzial der Antigen-spezifischen T-Zellanalyse aufzeigen (siehe Abb. 2).

Diagnostik von Infektionskrankheiten

Im Bereich der Infektionskrankheiten werden typischerweise mikrobiologische Nachweise der Erreger genutzt oder spezifische Antikörper im Blut. Allerdings ist der Erregernachweis nicht immer hinreichend, beispielsweise, wenn zwischen harmloser Besiedelung und aktiver Infektion entschieden werden muss. In anderen Fällen ist der Erregernachweis nicht schnell genug oder erfordert invasive Entnahme von Gewebeproben. Serumanti­körper zeigen sehr spezifisch eine Immunreaktion an, reagieren aber zeitverzögert und sind daher nur begrenzt für die Bestimmung des akuten Wirt-Pathogen-Interaktionsstatus verwendbar. Prominente Beispiele für lebensbedrohliche, weil schwer zu diagnostizierende Infektio­nen sind invasive Mykosen oder Tuberkulose.

Invasive Mykosen

Pilzinfektionen sind ein wichtiges,  aber stark vernachlässigtes Beispiel für schwer zu diagnostizierende Erkrankungen [18]. Die mangelhafte Diagnostik trägt nicht nur dazu bei, dass die Zahl der Infektionen stark unterschätzt wird, sondern hat auch wesentlichen Anteil an den zum Teil dramatischen Mortalitätsraten, die beispielsweise bei invasiven Aspergillosen oder Mukormykosen bei immunsupprimierten Patienten bis zu 90% betragen. Der reine Erregernachweis kann nicht zwischen harmloser Besiedelung, Sensibilisierung (Allergien) und lebensbedrohlichen invasiven Infektionen unterscheiden. Eine sichere Diagnose ist nur nach Gewebeentnahme möglich, die meist sehr spät im Krankheitsverlauf als letzte therapeutische Option erfolgt. Dagegen erlaubt der Nachweis einer erhöhten Frequenz Pilz-spezifischer Zellen im Blut eine zeitnahe und sehr sensitive und spezifische Diagnose [19]. Die hohe Spezifität der T-Zellreaktion kann auch zwischen verschiedenen Pilzspezies unterscheiden, die unterschiedliche Therapieverfahren erfordern.
Latente versus aktive Tuberkulose
Geschätzt ein Drittel der Menschheit ist mit Mycobacterium tuberculosis (Mtb), dem Erreger der Tuberkulose (TB), infiziert. Nur bei einem Bruchteil der Infizierten (1–10%) kommt es zum Ausbruch der lebensbedrohlichen aktiven Tuberkulose. Die Labordiagnostik beruht auf dem indirekten Nachweis Mtb-spezifischer T-Zellen durch In-vitro-Aktivierung mit Mtb-Antigenen und Messung des freigesetzten Zytokins Interferon (IFN)-γ (IFN-γ Release Assay, IGRA). Da solche Mtb-spezifischen Gedächtnis T-Zellen aber in allen Infizierten vorhanden sind, kann der Assay aktive und latente TB nicht unterscheiden. Der direkte Erregernachweis, beispielsweise aus dem Sputum oder aus Gewebebiopsien ist unsicher und langwierig. Auch die alleinige Bestimmung der Frequenz Mtb-spezifischer T-Zellen im Blut ist ohne diagnostischen Wert. Der Vorteil der zytometrische Bestimmung liegt in der parallelen Messung mehrere Parameter pro TB-spezifischer Zelle. So konnte für akute Infektionen ein spezifisches Expressionsmuster identifiziert werden. Diese qualitativen Veränderungen der Mtb-spezifischen Zellen ermöglichen eine sichere Dia­gnose aktiver TB sowie das Monitoring des Therapieverlaufs [20].

Antigen-spezifische T-Zellen in Immunpathologien

Zusammenfassung und Ausblick

Diese Beispiele zeigen eindrücklich, wie wichtig es ist, T-Zellen, die im Menschen Antigen-spezifischen Infektionsschutz, Toleranz oder Immunpathologie vermitteln, genau zu charakterisieren, um Krankheitsursachen aufzuklären und gezielte diagnostische oder therapeutische Entwicklungen zu ermöglichen. Dies gilt vor allem für viele Antigen-spezifische Immunpathologien, wie Autoimmunkrankheiten, CED oder Allergien, bei denen die Krankheitsursachen nach wie vor ungeklärt sind. Für die klinische Praxis wird es eine wichtige Aufgabe sein, erfolgreiche Testverfahren als Bestandteil der Routinediagnostik zu implementieren. Gemeinsam mit Dr. Christian Meisel von Labor Berlin GmbH transferieren wir derzeit ein modifiziertes T-Zell-basiertes Testverfahren für aktive TB in die Routinediagnostik.


Summary

Antigen-specific T-helper cells (Th-cells) are the central regulators of adaptive immune responses, which mediate protective immunity against specific pathogens but may also cause immunopathologies, such as allergy or autoimmunity. This predisposes them as highly specific diagnostic sensors and therapeutic tools. However, the small number of antigen-specific Th cells are difficult to detect and often poorly characterized in many clinically relevant situations. New cytometric technologies now make it possible to identify human T cells against virtually any antigen and to precisely characterize the cellular basis of immunity, tolerance or immunopathologies in humans. This is an essential prerequisite for the development of specific immunodiagnostics and immunotherapies as well as personalized medicine.

Autoren
Prof. Dr. rer. nat. Alexander Scheffold
Institute of Immunology
University of Kiel/UKSH Campus Kiel
Dr. rer. nat. Petra Bacher
Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin