Ein gordischer Knoten
Nach den seit Jahrzehnten gültigen Leitlinien von CLSI und IFCC sollen medizinische Labore ihre Referenzgrenzen nicht einfach aus Beipackzetteln abschreiben, sondern selbst ermitteln oder zumindest an gesunden Kontrollpersonen überprüfen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dies in der Praxis so gut wie nie stattfindet, denn der Aufwand wäre einfach zu hoch.
Bei genauerem Hinsehen ergibt sich aus einem nur schwer durchschaubaren Geflecht von Vorschriften, dass diese Leitlinien gesetzlich bindend sind: So verlangt die Rili-BÄK in Kapitel 6.3.2 für jeden Test die Angabe eines „Referenzbereichs gesunder Probanden“ und erklärt die Gebrauchsanweisungen der Hersteller zum festen Bestandteil aller Verfahrensanweisungen. Die IVD-Richtlinie von 2017 verpflichtet ihrerseits die Hersteller zur Angabe von Referenzwerten, und diese wiederum berufen sich in ihren Packungsbeilagen stets explizit auf die obigen Leitlinien. Das Labor trägt also letztlich die volle Verantwortung dafür, die vom Hersteller übernommenen Angaben selbst zu überprüfen. Aber wie?
Einen Ausweg aus dem Dilemma bietet die nebenstehend erläuterte, neue Empfehlung einer IFCC-Expertengruppe vom April 2018: Sie gestattet es erstmals, auch Routinewerte aus der Labor-EDV für die Überprüfung von Referenzintervallen heranzuziehen. Sobald die einschlägigen Algorithmen jedem Labor zur Verfügung stehen, könnte sich der gordische Knoten fast wie von selbst lösen.