Vernetztes Denken

Hämostase heißt der Schwerpunkt dieser Ausgabe – ein Thema, das in den meisten Medizinern (mit Ausnahme der Hämostaseologen) unangenehme Erinnerungen wachruft. Gleichgültig, ob das Studium kurz oder lang zurückliegt: Allein schon das „Gerinnungsschema“ mit seinen verwirrend angeordneten Faktoren FI bis FXIII (siehe Abbildung) blieb vielen ein Buch mit sieben Siegeln. Die Quintessenz allerdings ist einfach zu verstehen: Am Ende des Gewirrs steht die Aktivierung von Faktor I (Fibrinogen), die zur Bildung eines hochgradig vernetzten Fibringerinnsels führt.

Noch eine zweite Aussage ist wichtig: Diesen komplexen Prozess darf man nicht isoliert betrachten. Viele Gerinnungsfaktoren treten mit Zellen und Mediatoren der Entzündung in Wechselwirkung und sorgen so dafür, dass die Hämostase als Teil eines übergeordneten Netzwerks der Intakthaltung unseres gesamten Körpers – nicht nur der Blutgefäße – dient. Es geht um Abwehr und Reparatur sowie um Fehlsteuerungen mit schwerwiegenden Folgen wie Atherosklerose, Thrombose oder Sepsis. Wer diese Zusammenhänge verstehen will, darf sich nicht auf die Hämostase allein fokussieren, sondern muss vernetzt und interdisziplinär denken.

Die nachfolgenden Beiträge berichten über neue pathophysiologische Erkenntnisse, innovative Therapieoptionen sowie den aktuellen Stand der Routinediagnostik im Zentrallabor und am Point-of-Care. Ein Lehrbuch der Hämostase können sie nicht ersetzen, aber wer sich in diesen Teilbereich einlesen möchte, dem sei folgendes (kostenlose) Review empfohlen: Monroe & Hoffman: What Does It Take to Make the Perfect Clot? Arterioscler Thromb Vasc Biol (ATVB)


von Prof. Georg Hoffmann