„Big Data“ in der Labormedizin

Editorial

Das medizinische Labor kann man sich als riesigen Sensor vorstellen, der Tag für Tag, Jahr für Jahr Abertausende von Messwerten aufzeichnet. Der darin enthaltene Schatz an Informationen wird nur zu einem geringen Teil genutzt: Üblicherweise beschränkt sich die Auswertung auf die  Resultate, die für einzelne Patienten angefordert wurden, und die behandelnden Ärzte fokussieren sich fast ausschließlich auf diejenigen Werte, die der Computer als auffällig gekennzeichnet hat.

Doch wieviel mehr implizites Wissen verbirgt sich in diesen Daten, wenn man sie aus höherer Warte betrachtet: Wissen über das Anforderungsverhalten der Ärzte, zeitliche Trends von Mess- und Kontrollwerten auf den diversen Laborgeräten, die Häufigkeit von Krankheiten zu bestimmten Zeiten, aber auch detaillierte Informationen über Arbeitsabläufe, ICD-kodierte Diagnosen und abrechenbare Leistungen in Krankenhaus und Arztpraxis. 

Es ist heute prinzipiell möglich, diesen Datenschatz zu erschließen. Beliebte Schlagworte sind Big Data, Data Mining oder Machine Learning – allesamt für viele von uns recht geheimnisvoll. Leider eröffnet sich hier nicht nur ein attraktives Betätigungsfeld für ernsthafte Laborfachleute, sondern auch für Blender aus laborfremden Branchen. Wenn wir von ihnen nicht an der Nase herumgeführt werden wollen, müssen wir die Begriffe und Techniken wenigstens in Grundzügen verstehen. Vor allem der Nachwuchs ist eingeladen, diese Zukunftsperspektive aktiv aufzugreifen.

Trillium Diagnostik macht die scheinbar schwierigen Grundlagen der Labormedizin und Informationstechnologie seit Jahren transparent und klopft sie auf praktische Einsatzmöglichkeiten hin ab. In dieser Ausgabe finden Sie beispielsweise auf S. 14 den Beitrag eines sehr bekannten Mikrobiomforschers in Deutschland, Prof. Gessner, Universität Regensburg. Auch das ist so ein Hype-Thema aus dem Big-Data-Bereich, mit dem man Hörsäle füllen kann. 

Der Erst­autor Dr. Hiergeist aus Prof. Gessners Institut wird am 12. April als Redner auf der Analytica im Namen der DGKL-Arbeitsgruppe Bioinformatik bei einem von Trillium mit­organisierten Symposium sprechen: Dort zeigen renommierte Fachleute das enorme diagnostische Potenzial der Mikrobiom-Analyse auf, erläutern aber auch, warum es geradezu unverantwortlich ist, bereits heute Diagnosen im herkömmlichen labordiagnostischen Sinne zu versprechen. Hier müssen erst entscheidende Hausaufgaben gemacht werden, ehe man für eine Analyse ohne gesicherte klinische Aussage 200 oder gar 2.000 Euro verlangen darf.

Auf S. 63 werden praxisnahe „Big-Data“-Themen vorgestellt, die wir im Rahmen der Trillium-Akademie als zweitägige Kurse anbieten: Schätzung von Referenz­intervallen (ein akkreditierungsrelevanter Teil der ISO 15189), Generierung von Entscheidungsbäumen mithilfe von maschinellem Lernen zur Überprüfung dia­gnostischer Pfade oder Auswertung von Liquid-Biopsy-Daten. Über reges Interesse unserer Leser würden wir uns freuen, damit unsere Mission ein Erfolg wird.

Autor
Prof. Dr. Georg Hoffmann
Herausgeber